«Mehr als gewohnt» im Ziegeleimuseum

Neue Leitung für Hagendorner Museum

Das Ziegeleimuseum in Hagendorn eröffnet diesen Monat seine Saison und lädt zu einer neuen Sonderausstellung ein. Ute Gottschall hat derweil im Januar die Leitung des Museums übernommen und hegt mit ihrem neuen Team bereits erste Zukunftspläne.

Im Ziegeleimuseum begeben sich BesucherInnen in die Welt des Ziegels und entdecken, wie dieser über Jahrhunderte hinweg aus verschiedenen Rohstoffen geformt wurde. Das Hagendorner Museum erlebt aktuell eine Phase des Umbruchs, denn seit Anfang Jahr befindet es sich unter neuer Leitung. Die 58-jährige Ute W. Gottschall hat ihren Posten als Leiterin und Kuratorin des Fricktaler Museums in Rheinfelden AG letztes Jahr aufgegeben und taucht nun in die Welt der Ziegelei ein.

«Ich hatte einen wunderbaren Einstieg als neue Leiterin», sagt Gottschall, «das Engagement des Museumsteams ist absolut einzigartig, alle sind sehr offen für Neues.» Sie ist die Nachfolgerin von Jürg Goll, der sich nun nach 38 Jahren Tätigkeit im Ziegeleimuseum in den Ruhestand begeben hat. «Heute ist das Handwerk der Ziegelei nicht weniger wichtig als bereits vor Jahrhunderten», sagt Gottschall. Bemerkenswert sei die Entwicklung dieses Handwerks, denn heute werden Ziegel stetig optimiert und neu erfunden. «Wer sich in die Geschichte und heutige Entfaltung der Ziegelei vertieft, wird staunen, wie viel es rund um dieses Thema zu entdecken gibt», so die Museumsleiterin.

Ute Gottschall

Seit Anfang Jahres ist Ute Gottschall die neue Leiterin des Ziegeleimuseums. Bild: zVg

Als neue Leiterin hat Gottschall vor, «alles Gute am Museum zu behalten und Neues auszuprobieren». In diesem Zusammenhang verrät sie, dass das Museum in Zukunft neugestaltet werden soll. Auf welche Art und in welchem Ausmass dies geschehen soll, bleibt vorerst noch ungewiss. «Gemeinsam mit den Mitarbeitenden des Museums werden aktuell Ideen ausgearbeitet und erste Zukunftspläne entworfen», erklärt sie. Mit dem zukünftigen Angebot sollen neue Zielgruppen angesprochen werden, zum Beispiel indem Ausstellungen und Kurse eine Brücke vom Bereich der Ziegelei mit Architektur, Kunst, Kultur und mehr schlagen.

«Mehr als gewohnt»

Die diesjährige Ausstellung ist ein Beispiel, wie dies aussehen kann. Am Donnerstag, 16. April, beendet das Museum seine Winterpause und eröffnet seine diesjährige Sonderausstellung «Mehr als gewohnt». Diese wirft einen Blick in die Zukunft und versucht, vorauszusagen, wie sich die Architektur von Wohnhäusern in nächster Zeit verändern wird. So sei es zum Beispiel gewiss, dass die Bevölkerungszahl stetig ansteigt, während die bebaubare Fläche konstant bleibt. «Deswegen wird man in Zukunft immer mehr Stockwerke einplanen und so immer mehr in die Höhe bauen müssen», so Christof Theiler, Leiter Bildung und Vermittlung, und der das Museumsprogramm für dieses Jahr entwickelt hat. Die Ausstellung beschäftigt sich entsprechend auch mit der Frage, wie und welche neuen Wohnformen man als Gemeinschaft entwickeln kann, die den Flächenverbrauch pro Person reduzieren.

Christof Theiler

Christof Theiler leitet die Bereiche Bildung und Vermittlung des Museums. Bild: zVg

Eine auffallende Veränderung über die letzten Jahrzehnte hinweg sei, dass generationenübergreifendes Wohnen immer weniger oft vorkommt, erklärt Christof Theiler. Früher lebte eine Familie noch mit den Grosseltern und vielleicht einigen weiteren Verwandten zusammen. Heute aber leben Kinder vermehrt nur mit ihren Eltern und ziehen bereits als junge Erwachsene allein aus oder mit Gleichaltrigen zusammen. Die älteren Generationen leben nun entweder allein oder ziehen ins Altersheim um, was für sie schwer und befremdlich sein kann. Welche neuen Lösungsansätze für Fragen bezüglich der Wohnformen auf der sozialen Ebene sowie hinsichtlich der Architektur relevant sind, zeigt die Sonderausstellung «Mehr als gewohnt» ebenso.

Feuer und Flamme

Das Museum bietet wie jedes Jahr wiederum verschiedenartige Kurse rund um das Thema Ziegelei an. Da die Ziegel durch das Feuer im Ofen ihre Härte erlangen, ist Feuer und Feuermachen ein zentrales Element der Ziegelei und wird dieses Jahr besonders oft in den Kursen des Museums thematisiert. So werden Interessierte Ende Juni die Gelegenheit haben, zu erlernen, ohne Streichhölzer Feuer zu entfachen. Im Juli werden Kinder ab der dritten Klasse zudem das Thema Feuer in einer Bastelarbeit vertiefen. Sie werden einen kleinen Brotofen gestalten können, der in einer Kinderhand Platz hat und sich mit kleinen Holzstücken befeuern lässt – ganz wie ein gewöhnlicher Brotofen.

Ofenturm neben dem Museum

Der Ofenturm neben dem Museum zeigt die historischen Abläufe der Herstellung der Ziegel. Bild: zVg

Auch am Villette Fäscht in Cham Ende August, dessen diesjähriges Motto «Apollo» lautet, wird das Ziegeleimuseum aktiv dabei sein, das Publikum mit einem Sonderprogramm unterhalten. Im Oktober lädt das Museum zu Führungen durch die Sonderausstellung ein und wird ein Feuerspektakel zum Thema Rakubrand veranstalten. Als Rakubrand bezeichnet man eine japanische Brenntechnik, welche die Oberfläche des gebrannten Tons zerrissen aussehen lässt. Dieser Effekt namens Krakelee, zu Deutsch Haarrissnetz, wird dadurch verursacht, dass die Keramik, nachdem sie im Ofen gebrannt wurde, mit Wasser abgeschreckt wird. Zum Abschluss wird sie ins Sägemehl gelegt, wobei dieses Feuer fängt und spektakuläre Rauchschwalle erzeugt.

Tandem im Ziegeleimuseum

Zu den anstehenden Veränderungen im Museum gehört unter anderem, dass das Ziegeleimuseum bereits dieses Jahr zum «Tim-Museum» werden soll. Das bedeutet, dass es sich dem schweizweiten Projekt «Tim-Tam» anschliessen wird, welches Begleitpersonen – sogenannte «Tim-Guides» – an Personen vermittelt, die in guter Gesellschaft ein Museum besuchen möchten. Ein solcher Museumsbesuch hat nicht zum Ziel, Wissen zu vermitteln, sondern einen spielerisch-persönlichen Zugang zu den Ausstellungsstücken zu finden.

Das Spinnen einer Geschichte im «Tim-Museum» gehört zum begleiteten Besuch dazu – die Besucherin wählt ihr Lieblingsausstellungsstück und erfindet mit ihrem «Tim-Guide» eine kurze Geschichte dazu, die anschliessend auf der Webseite des Projekts veröffentlicht wird. Auf diese Weise wird der Museumsbesuch kreativ und locker gestaltet. Durch das «Tim-Tam», wobei «Tim» für «Tandem im Museum» steht, entstehen Begegnungen von Menschen über verschiedene Kulturkreise und Generationen hinweg – bald auch im Ziegeleimuseum.

Eine jahrhundertealte Geschichte

Das Ziegeleimuseum in Cham besteht seit 1982 und ist schweizweit einzigartig. Die Stiftung des Museums unterhält die Ziegeleihütte, die 1873 von Martin Lörch erstellt wurde. Dieser stammt aus der Familie Lörch, die 1873 eine Handziegelei führte und so die Grundlage für die spätere Entstehung des Museums schuf. Heute unterhält die Stiftung Ziegeleimuseum auch das Biotop, das neben der Ziegeleihütte liegt. Diesen Sommer können Interessierte dort in einem Kurs die Makrofotografie erlernen und das Naturschutzgebiet auf eine neue Art entdecken.

Einen Kommentar hinterlassen