Interview mit To Athena

«Meine Musik würde in einem Mainstream-Umfeld nicht funktionieren»

Tiffany Limacher ist gerade daran, mit ihrer Band To Athena die Schweizer Musiklandschaft aufzumischen – allerdings im Kleinen. Denn zu grosse Kompromisse, um kommerziell durchzustarten, sind der Luzernerin fremd. Dies ist gleichzeitig ihr Erfolgsrezept.

To Athena, Sie haben kürzlich Ihre Frühlingstour in Einsiedeln abgeschlossen. Wie lange halten die Glücksgefühle nach Auftritten jeweils noch an?

Wäre es das letzte Konzert mit diesem Programm gewesen, hätte wohl Trauer dominiert. Aber so bin ich glücklich und erfüllt und ich freue mich auf die Shows im Sommer sowie den Abschluss im Dezember im Kaufleuten, wenn ich dann vermutlich etwas nostalgisch werde.

Lange wird die Auftrittspause freilich nicht dauern; Anfang Juni stehen die nächsten Konzerte an. Brauchen Sie diese Momente des Durchatmens oder würden Sie am liebsten jeden Tag auf der Bühne stehen?

Ich geniesse es sehr, hin und wieder eine Pause zu haben. Diese ermöglichen es mir, kreativ zu sein und neue Songs zu schreiben. Hinzu kommt der administrative Aufwand, der ebenfalls irgendwann bewältigt werden muss.

Manche kennen Sie schon von früher, als Sie Teil der Band Mothership Caldonia waren. Wie wichtig war es für Sie, mit dieser Band auf die Musiklandkarte zu kommen und Erfahrungen im Musikbusiness zu sammeln?

Wir gingen sehr blauäugig in dieses Projekt, haben einfach mal gemacht, was damals auch der richtige Ansatz war. Es war für alle BandmitgliederInnen ein Hobby sowie ein Ventil neben ihrem Beruf oder Studium. Diese Erfahrungen zu sammeln, war für mich extrem wichtig. Dies unter anderem im Bühnenkontext und wie es ist, als Frontperson eine Band zu repräsentieren. Davon kann ich nun profitieren, indem ich in bestimmten Situationen die Selbstüberzeugung habe, dieses oder jenes zu können und es entsprechend nach meinen Vorstellungen umzusetzen. In Bezug auf das Musikgeschäft kam ich vor allem nach Mothership Caldonia und meinem Musikstudium ziemlich auf die Welt, als das Projekt To Athena Fahrt aufnahm. Ich lernte manches auf die harte Tour, schwamm quasi im kalten Wasser. Aber es war wertvoll, diese Erfahrungen zu machen, beispielsweise ein Album selbst und ohne Label oder Management im Hintergrund zu veröffentlichen.

Schwimmen Sie mittlerweile in wärmeren Gewässern?

Das Wasser ist vermutlich immer noch gleich kalt, aber ich habe jetzt eine dickere Haut. Ich bin nun schon an einem Punkt, an dem ich verstehe, wie das Musikbusiness läuft. Ausserdem habe ich PartnerInnen an meiner Seite, bin nicht mehr für alles selbst verantwortlich – auch wenn dies entgegen meinen Erwartungen sogar mit mehr Arbeit einhergeht. Es ist keinesfalls so, dass ich nun alles abgeben könnte und den ganzen Tag Lieder schreibe.

To Athena in milchigem Wasser

To Athena studierte an der Zürcher Hochschule der Künste. Bild: Larissa Odermatt

Mussten Sie zu Beginn lernen, Arbeit zu delegieren?

Sehr sogar. Dadurch, dass ich in der Vergangenheit alles selbst erledigte, hatte ich sehr hohe Ansprüche an mich selbst wie an die Person, die mir etwas abgenommen hätte. Es gilt, einen Mittelweg zu finden: Einerseits soll der Standard gehalten werden und man muss deswegen auch hart bleiben. Auf der anderen Seite muss man auch sagen können, dass etwas okay ist, wie es von jemand anderem umgesetzt wird. Es handelt sich hierbei um einen Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Es ist schön, nun Menschen um mich zu haben, die es mir einfach machen, ihnen zu vertrauen und ihnen gewisse Dinge abzugeben.

Mit «Angscht» haben Sie auf Ihrem Debut-Album einen Hit gelandet. Misst man sich anschliessend daran und orientiert sich an dieser Messlatte?

Überhaupt nicht. Gerade auch, weil dieser Song für viele Leute nach wie vor neu ist und es ist immer noch das meistgehörte Stück. Ich kann beim Schreiben eines neuen Stücks gar nicht den Anspruch haben, dass dieses genauso oft gehört wird, weil ich auch bei «Angscht» nicht darauf aus war, einen Hit zu schreiben. Würde ich beim Schreiben diesen Anspruch verfolgen, würde dies absolut nicht funktionieren und die Kreativität killen. Der kommerzielle Erfolg war auch noch nie der Antrieb für das Projekt To Athena – ich mache ja keine massentaugliche Musik. Es ist mir wichtig, dass dies auch so bleibt.

Könnten Sie sich vorstellen, manche Ihrer Mundart-Songs auch noch auf Deutsch aufzunehmen, um damit in Deutschland ein breiteres Publikum ansprechen zu können?

Ich würde auf keinen Fall einen existierenden Mundart-Song nochmals auf Deutsch aufnehmen. Ein neues Lied auf Deutsch zu schreiben, könnte ich mir hingegen vorstellen und habe ich mit einer deutschen Kollegin auch schon getan. Fakt ist, dass Deutsch eine Stufe weiter weg ist für mich als meine Muttersprache Schweizerdeutsch.

Wie wichtig ist es Ihnen grundsätzlich, früher oder später im Ausland, gerade in Deutschland, Fuss zu fassen?

Das ist schon der Plan, denn die Deutschschweiz ist halt sehr klein. Wir spielen immer öfter in Deutschland, wobei man dort natürlich wieder bei null anfängt. So steht sowohl diesen Herbst als auch im Frühling 2025 eine Deutschland-Tour an, um Fuss fassen zu können. Wir haben nun auch eine deutsche Booking-Agentur, die sich darum kümmert. Interessanterweise sind bei den deutschen HörerInnen auch die schweizerdeutschen Lieder am beliebtesten, obwohl sie nur einen Teil der Texte verstehen.

Porträt To Athena

Für «Aquatic Ballet» unterbrach Tiffany Limacher gar ihr Studium. Das Album entstand unter anderem während der Coronazeit in Berlin. Bild: Larissa Odermatt

Wie und wann haben Sie realisiert, dass der Parallelweg mit schweizerdeutschen und englischen Songs der passende für Sie ist?

Ich habe gemerkt, dass dies parallel aus mir rauskommt. Ich sagte mir, dann mache ich es auch so, denn finanziell «rentiert» es sich sowieso nicht. Entsprechend kann ich so lange englische wie schweizerdeutsche Lieder schreiben, wie es für mich passt. Früher hingegen dachte ich, ich dürfe ausschliesslich englische Songs schreiben, wenn ich ankommen und erfolgreich sein will – Schweizerdeutsch sei doch peinlich. Irgendwann realisierte ich, dass dies völliger Unsinn ist. Schweizerdeutsch ist ja meine Muttersprache, wieso soll ich also nicht auch in dieser Sprache singen? Ich möchte aber auch das Englische nicht aufgeben, solange immer noch englische Songs aus mir rauskommen.

Widerspiegeln die Lieder immer auch Ihren Gemütszustand und sind sie grundsätzlich ein Abbild davon, wo Sie im Leben gerade stehen?

Ich denke schon, dass es verschiedene Etappen gibt: Wenn ich das aktuelle Album höre, bin ich mir bewusst, in welcher Phase meines Lebens ich die Lieder schrieb. Meine Songs erzählen sehr viel über mich selbst, sind persönlicher Natur. Es gibt mir viel, das Leben und was mich gerade beschäftigt, auf diese Weise verarbeiten zu können. Wenn ich damit auch andere Menschen etwas halten oder stützen kann, indem sie sich damit identifizieren können, ist dies umso schöner. Gerade auch, weil ich mich manchmal überspitzt gesagt egoistisch fühle.

Warum das denn?

Ich singe hier über meine Gefühle und erwarte dann auch noch, dass dies jemand hören will. Dabei ist diese Ehrlichkeit genau der Schlüssel dazu, dass sich Menschen mit den Liedern identifizieren können. Man beschäftigt sich viel mit sich selbst und trägt das dann nach aussen. Fast als würde man auf der Strasse seine Tagebucheinträge den PassantInnen laut schreiend um die Ohren hauen. Wenn man auf die persönliche Ebene geht, kann es jedoch schwierig werden, wenn man den Anspruch hat, dass es für ein breites Publikum funktionieren muss. Dann hat es zwar viel mit einem selbst zu tun, wirkt aber nicht mehr gleich echt.

Ihr aktuelles Album heisst «The Movie». Zudem sind Ihre Musikclips mit sehr viel Liebe produziert, die Bühnenshow wird mit Visuals unterstrichen und Sie zeichnen die Motive für Ihre Albumcovers selbst. Das Visuelle muss für Sie eine grosse Rolle spielen.

Es ist für mich sehr wichtig. Es ist bloss eine Frage der energetischen Ressourcen, um die Ideen so umzusetzen, wie sie in meinem Kopf sind. Bei «The Movie» ging ich tatsächlich etwas über meine Grenzen, wobei ich am liebsten zu jedem Lied ein Musikvideo produziert hätte. Aber die Videoproduktion ist auch sehr kostenintensiv und es ist nicht so, dass To Athena so viel Geld abwerfen würde, dass ich aus einem grossen Geldtopf greifen könnte, um zahlreiche Musikvideos zu produzieren. Aber klar, man kann auch mit einem kleineren Budget visuell arbeiten und ich möchte diese visuelle Arbeit unbedingt beibehalten. Wenn ich einen Song schreibe, habe ich oftmals noch eine Idee für eine visuelle Untermalung im Hinterkopf und solange dies nicht umgesetzt ist, ist auch der Song für mich noch nicht ganz abgeschlossen.

To Athena vor schwarzem Hintergrund

Im Rahmen von Luzern Live wird To Athena im Juli im KKL zu sehen und hören sein. Bild: Ben Flumm

Ihr erstes Album «Aquatic Ballet» erschien noch ohne Label. Nun sind Sie bei der Booking-Agentur Orange Peel Agency sowie Mouthwatering Records unter Vertrag. Hat diese Änderung Ihr Schaffen stark beeinflusst?

Ja. Orange Peel Agency schuf mir sehr viel Platz und ich konnte einen Teil der Arbeit in gute Hände abgeben. Bei Mouthwatering Records galt es, erst zu klären, welche Aufgaben ein Label übernimmt und was eher in den Zuständigkeitsbereich eines Managements fällt. Nun funktioniert es hervorragend und ich muss mich beispielsweise nicht mehr darum kümmern, dass meine Werke auf sämtlichen Plattformen veröffentlicht werden. Wenn es um Social Media oder Ads geht, tut es gut, diese Aufgabenbereiche an Leute abgeben zu können, die genau wissen, was zu tun ist. Mit mehr beteiligten Personen ist nun dafür auch mehr Koordinationsgeschick gefragt. Ich bin trotzdem froh, dass ich beim ersten Album alles selbst gemacht habe, um zu verstehen, wie es funktioniert und wie viel Arbeit dahintersteckt.

Das Musikschaffen hat sich in den letzten Jahren verändert. Viele Bands und MusikerInnen arbeiten nicht mehr gezielt auf ein Album hin, sondern veröffentlichen vielmehr immer mal wieder eine Single. Ein Album entsteht eher, wenn es gerade passt mit vielen Songs darauf, die man als Single bereits kennt. Bedauern Sie, dass das Album an Bedeutung weiter zu verlieren droht?

Ich finde es extrem schade, auch wenn ich es absolut verstehe. Ich mag es, wenn man Songs, die man in einer bestimmten Zeit geschrieben hat, zusammenfasst, diese gemeinsam einen Sinn ergeben und das Album so aus einem Guss ist. Ich liebe es auch, dies bei anderen KünstlerInnen auf ihren Alben zu entdecken. Aber klar, wann hat man zum letzten Mal ein ganzes Album einer Band, die man nicht gross kennt, am Stück gehört? Die Aufregung um ein neues Album ist wohl primär noch bei den ganz grossen Acts wie Adele da. Es ist auch alles extrem schnelllebig. Mein Album erschien letzten Herbst – nun gilt es bereits, ein neues Projekt anzugehen. Als KünstlerIn ist es wichtig, immer am Ball zu bleiben und regelmässig eine Single zu veröffentlichen, die später auch auf das Album gepackt werden kann.

Wie wichtig ist es als MusikerIn, LPs in seinem Lebenslauf stehen zu haben?

Ich weiss nicht. Heutzutage sind für die relevanten Personen die Streamingzahlen vermutlich wichtiger als die Anzahl veröffentlichter Alben. In erster Linie muss es für einen selbst stimmen. Mit dem Ansatz, dass eh niemand meine Musik hört und ich es entsprechend auf meine Weise tun kann, bin ich ganz gut gefahren, da jene Leute, die die Musik dann hören, sie wirklich hören wollen. Meine Musik würde in einem Mainstream-Umfeld nicht funktionieren, was für mich auch absolut okay ist und entsprechend muss ich mich auch nicht gänzlich den Regeln des Mainstreams beugen.

Und doch können Sie bestimmt nicht alle dieser Regeln ignorieren.

Natürlich nicht. Beispielsweise dass ein Release ein Release ist. An diesem Tag erhältst du Aufmerksamkeit. Egal, ob es sich um eine Single oder ein ganzes Album mit 15 neuen Songs handelt, die du so gewissermassen verschenkst. Es gilt, einen Weg zu finden, das Album als Ganzes zu erzählen, obwohl du nicht alle Lieder auf einmal veröffentlichst.

Ihr nächster Auftritt am 1. Juni am Stimmen Festival in Ettiswil wird ein besonderer sein, denn zwei Dolmetscherinnen des Vereins MUX übersetzen das Konzert für Gehörlose in Gebärdensprache. Wie viel verändert sich dadurch für Sie?

Vermutlich nicht viel. Ich finde es eine tolle Aktion und fast schon absurd, dass dies das erste Konzert sein wird, das ich erlebe, wo dies gemacht wird. Auf der anderen Seite ist der Aufwand nicht zu unterschätzen. So sendeten wir MUX zur Vorbereitung bereits Monate im Voraus sämtliche Texte. Auch die Dolmetscherinnen müssen während unseres Auftritts performen.

Anschliessend stehen Sie am 7. Juni in Riggisberg mit dem Berner Kammerorchester auf der Bühne. Ist der Aufwand rund um die Technik und Soundabstimmung viel grösser, wenn Sie mit einem Orchester respektive Kammerorchester auftreten?

Ich muss mich erst darum kümmern, um diese Frage abschliessend beantworten zu können, aber ich denke schon. Nur schon, da deutlich mehr Leute auf der Bühne stehen. Das Kammerorchester ist aktuell daran, die Arrangements zu schreiben, bevor ich ein erstes Mal reinhören kann. Es wird ein Experiment, aber auch ein Traum, der dadurch in Erfüllung geht. 

Wie stark werden Sie die Lieder durch das Kammerorchester anpassen müssen?

Meine Geigerin und meine Bratschistin sowie ein Cellist, die arrangieren, kennen meine Lieder sehr gut. Sprich, die Stücke mit Melodie und Text werden wohl nah am Originalzustand belassen, dafür wird sich das Kleid herum stark verändern, weil mit anderen Instrumenten gearbeitet wird. Ich bin überzeugt davon, dass es Songs sind, die mit einem Orchester funktionieren können und dadurch noch etwas epischer werden. 

Sie stehen eigentlich nie alleine auf der Bühne. Gibt es eine Standardbesetzung Ihrer Live-Band? Also entweder als Trio oder mit Orchester zu neunt?

Neben der grossen Formation gab es bis anhin auch die Trio Formation. In Deutschland waren wir zuletzt für mehr Flexibilität aber als Quartett unterwegs. Nur mit Cello, Klavier und Gesang war es schon sehr ruhig. Nun haben wir noch Drums, dazu spiele ich Synth-Bass. So können wir facettenreicher auftreten. In der Schweiz sind wir wenn möglich in Vollbesetzung inklusive Harfe, Geige, Bratsche und Cello unterwegs.

To Athena auf der Bühne mit Band

To Athena bei ihrem Auftritt im Casinotheater Winterthur. Bild: Ben Flumm

Wie sieht es beim Songwriting aus? Mögen Sie es dort lieber alleine oder bevorzugen Sie den Austausch mit anderen für ein unmittelbares Feedback?

Für mich ist unmittelbares Feedback schwierig. Ich bin eher eine Eigenbrötlerin und schreibe meine Songs lieber erst alleine, höre sie nach einer Weile nochmals, überarbeite sie und suche dann die Zusammenarbeit. Dies meist mit Linus Gmünder, Bassist und musikalischer Leiter von To Athena. Das gemeinsame Schreiben kann sicherlich auch eine Bereicherung sein und ich wäre offen dafür, in einem Team ein Stück zu schreiben. So habe ich auch schon mit Esmeralda Galda eine EP produziert, wobei wir die Songs gemeinsam schrieben. Aber insgesamt bin ich lieber erst mit mir und meinen Liedern alleine – gerade wenn es sich um persönliche Songs handelt, will ich mir erst etwas Platz geben, bevor ich werte. Und ich werte viel mehr und bin kritischer mit mir, wenn jemand neben mir sitzt. Es ist gut, kritisch zu sein. Aber erst ab einem Punkt, wo es Sinn macht.

Verlassen Sie sich beim Songwriting auf Ihre Intuition und auf die Muse, die Sie küsst oder ist es ein Prozess, für den Sie sich bewusst hinsetzen müssen, um an Songs zu arbeiten?

Es ist eine Mischung aus beidem. Es gibt viele Songs, die mit Sprachnotizen begannen, als ich gerade eine Idee hatte und eine Melodie oder einen Satz aufnahm. Später setzte ich mich dann hin und schrieb das Stück dazu. Dann erfolgt kein Kuss einer Muse, sondern dann musst du es einfach niederschreiben. Es kommt selten vor, dass ich eine Eingebung habe, diese sofort aufschreiben muss und anschliessend kein Wort mehr geändert wird. Entsprechend kannst du dich nicht darauf verlassen. Man kann auch trainieren, kreativ zu sein und es muss nicht alles gut sein, was du tust. Es ist wichtig, einfach zu machen und dies nehme ich mir auch für die Zeit vor, wenn ich nun neue Songs schreibe. Vielleicht schreibe ich dann jeden Tag ein Lied, egal ob brauchbar oder nicht, um wieder in diesen Prozess reinzufinden. Ich darf nicht den Anspruch an mich selbst haben, dass alles umgesetzt werden kann.

Sie wollten ursprünglich mal Comedian werden. Nun als Musikerin stehen Sie nicht unbedingt für unbekümmerte Songs. Wo und wie leben Sie Ihre humorvolle, unbeschwerte Seite aus?

Hinter der Bühne mit der Band sowie zwischen den Songs. Es ist mir wichtig, dass ich bei meinen Ansagen auf der Bühne leicht bleibe, denn ich bin keine schwermütige Person, obwohl meine Texte teilweise etwas düster sein mögen. Dies ist nur ein Teil von mir. Ich musste freilich erst realisieren, dass ich auch nach einem traurigen Stück bei der Ansprache für das nächste einen Witz erzählen darf, wenn mir danach ist. Tatsächlich hilft es sogar, da man dadurch dreidimensionaler wird und sich ansonsten in ein düsteres Loch zu manövrieren droht. Auch hier: Ich habe begonnen, weniger nachzudenken und mehr zu sein, was sich sehr gut anfühlt.

Sie haben letztes Jahr den Swiss Music Award in der Kategorie «Artist Award» gewonnen. Sehen Sie diesen auch als Bestätigung, dass Sie mit Ihrer Musik auf einem richtigen Weg sind und dies von den BerufskollegInnen anerkannt wird?

Auf jeden Fall, diese Auszeichnung war eine grosse Überraschung. Ich fand es nur schon verrückt, dass ich überhaupt nominiert wurde. Als Indie-Künstlerin hat man nicht wirklich einen Zugang zu den Swiss Music Awards, weil man sich bewusst in einer anderen Welt bewegt. Ausser eben beim «Artist Award», wo es nicht um Zahlen und kommerziellen Erfolg geht, sondern um Wertschätzung. Entsprechend habe ich mich extrem über diese Auszeichnung gefreut. Es ist eine Bestätigung, dass ich mich auf einem guten Weg befinde und dass es sich gelohnt hat, auf mein Bauchgefühl zu hören.

To Athena präsentiert stolz ihre Auszeichnung

Im vergangenen Jahr gewann sie bei den Swiss Music Awards den «Artist Award». Bild: Facebook To Athena

Stichwort Bestätigung. Diesen Sommer sind Sie Teil des Gurtenfestival-Line-ups. Im Publikum werden viele Leute stehen, die nicht wegen Ihnen dort sind und Sie vielleicht nicht mal kennen. Werden Sie die Setlist entsprechend anpassen und auf Songs setzen, die grösseres Mitsing-Potenzial aufweisen?

Ich denke nicht, denn ich habe gar nicht so viele Stücke mit Mitsing-Potenzial. Ausserdem sind wir definitiv keine Festival-Band, weswegen es ein Experiment darstellt. Ich freue mich extrem darauf, auch wenn ich darauf eingestellt bin, dass nicht alle zuhören werden und teilweise geredet werden wird im Publikum. Dies gehört bei einem Festival dazu.

Ihr mögt keine Festival-Band sein und obwohl sich eure Musik nicht leicht kategorisieren lässt, eignet sie sich meiner Meinung nach auch für die grosse Bühne, weil manche Songs ein festliches Kleid tragen. Teilen Sie diese Meinung?

Es gibt grosse Bühnen, auf denen dies funktionieren kann. Der Idealfall wäre, wenn du ein Konzert- im Umfang eines Festivalpublikums hättest. Es ist sicherlich eine Herausforderung, ZuhörerInnen, die nicht wegen dir da sind, mit ruhiger Musik abzuholen. Es ist aber möglich, da wir viele Leute mit vielen Instrumenten auf der Bühne sind, wodurch eine gewisse Wucht entstehen kann. Als Quartett hätte ich für das Gurtenfestival vermutlich abgesagt, da es wohl nicht funktioniert hätte.

Auch am Luzern Live werden Sie im Sommer zu sehen und hören sein. Hätten Sie mal Lust auf eine richtige Festivaltour den ganzen Sommer über?

Das wäre sehr cool. Sollte dies bookingmässig möglich sein, müsste To Athena so gross sein, dass es die Leute dazu bringen würde, uns zuzuhören. Meine Musik werde ich wohl nicht verändern, um eine Festivaltour spielen zu können. Aber wenn man unseren Sound an einem Festival haben möchte, sind wir gerne dabei. Die grossen Festivals in der Schweiz zu bespielen, macht nur Sinn, wenn das Publikum das möchte, dich feiert und mitsingt.

Darf man sich im Verlaufe des Jahres auf neue Musik von Ihnen freuen?

Ich hoffe es, wobei ich dafür erstmal neue Stücke schreiben muss. Das Ziel wäre schon, dieses Jahr die eine oder andere Single zu veröffentlichen.

Bild aus Musikvideo, viele To Athenas sitzen am Esstisch

Die Musikvideos wie hier zu «Fäschtmol» bilden jeweils mehr als nur eine Ergänzung zu den Liedern von To Athena. Bild: Larissa Odermatt

Was sind Ihre nächsten grossen Ziele? Dass Sie voll von der Musik leben können?

Dies ist das finale Ziel, wobei dafür nicht gerade förderlich ist, neun Leute in der Band zu haben. Aktuell liegt der Fokus darauf, neue Songs zu schreiben, wobei die überschaubare Zahl an Gigs hilft, Raum dafür zu schaffen. Ausserdem möchte ich das Projekt etwas aufräumen, was Administratives und generell Dinge anbelangt, die nichts mit Musik zu tun haben und sehr viel Platz einnehmen. Dies einmal geordnet, soll wieder mehr Platz für Neues, Kreatives entstehen.

Und als kleineres Ziel, dass Sie niemandem mehr erklären müssen, wie der Bandname ausgesprochen wird?

Das wird vermutlich noch länger so bleiben, aber das ist okay. Ich bin ja auch selbst schuld, dass ich den Namen so gewählt habe. Ursprünglich überlegte ich mir sogar noch, ob ich es Tho Athena schreiben soll, aber mein Spitzname ist nun mal To. Ich bin auch selbst schon unsicher geworden, wie ich den Namen in englischen Interviews aussprechen soll.

Zur Person 

Tiffany Athena Limacher wuchs in einer Geigenbauer-Familie auf und kam entsprechend schon früh mit Musik in Kontakt. Als Kind nahm sie Klavierunterricht, sang im Chor und sammelte als Teil von Musicals erste Bühnenerfahrung. Mit 15 begann Limacher, eigene Songs zu schreiben. 2011 hatte die Luzernerin ihren ersten Auftritt vor einem Fernsehpublikum, als sie es bei «Die grössten Schweizer Talente» bis in den Halbfinal schaffte.

Bis zur Auflösung vor rund vier Jahren war die 30-Jährige Kopf der Zuger Band Mothership Caldonia. 2020 veröffentlichte Tiffany «To» Limacher mit ihrem neuen Projekt To Athena in Eigenregie das Album «Aquatic Ballet». Im vergangenen Herbst folgte das zweite Album «The Movie». In Vollbesetzung stehen bei To Athena neun Personen auf der Bühne – darunter einst auch Tiffanys zwei jüngere Schwestern Elea Orphea und Athena Aida, die als Background-Sängerinnen mitwirkten.

Im vergangenen Jahr wurde To Athena mit dem Swiss Music Award in der Kategorie «Artist Award» ausgezeichnet. Sie studierte Jazz- und Popgesang sowie Musikpädagogik. Nebenbei gibt sie Gesangsunterricht für Kinder und Erwachsene.
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