Alltag

Ein Förderprogramm für junge Fotojournalisten

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Ein Werk von TruePicture-Gewinner Etienne Malapert: «The City of Possibilities». Es zeigt einen Arbeiter in Masdar City in den Vereinigten Arabischen Emirate. Bild: Etienne Malapert

Der Fotojournalismus steckt in der Krise: Fehlende finanzielle Mittel und der Kampf um die Glaubwürdigkeit des Bildes lassen die Branche kämpfen. Der Küsnachter Fotograf Manuel Bauer nimmt diesen Kampf an – unter anderem mit einem eigenen Förderprojekt.

Immer wieder haben Fotos Weltgeschichte geschrieben. Nicht nur standen sie symbolhaft für ein Weltereignis, sondern stellten sie die Betrachterinnen jeweils auch vor ethische Fragen. Ob es sich dabei um das Bild von Nick Ut der 9-jährigen Phan Thi Kim Phuc handelt, die 1972 während des Vietnamkriegs Opfer von irrtümlich abgeworfenem Napalm wurde und nackt und schreiend auf den Fotografen zurennt oder um «The vulture and the little girl» von Kevin Carter, der 1993 im Sudan sinnbildlich für die grassierende Hungersnot ein halb verhungertes, zusammengekauertes Kind ablichtete, das von einem Geier beobachtet wird.

In beiden Fällen war die Empörung gross. Einerseits was das festgehaltene Elend anbelangt, auf der anderen Seite die vermeintliche Kaltblütigkeit des Fotografen, das Leid mit der Kamera festzuhalten anstatt aktiv zu helfen. Fotojournalisten besitzen mit ihren Aufnahmen Verantwortung und Macht, können gar Kriegsverläufe aktiv beeinflussen, wie unter anderem der Vietnamkrieg eindrücklich aufzeigte. Doch müssen die FotografInnen ebenso klarkommen mit den Erinnerungen an Hunger, Schmerz, Wut und Hilflosigkeit. Wie schwer diese wiegen können zeigt der Suizid von Kevin Carter 1994. In seinem Abschiedsbrief nennt er jene Erinnerungen als einen der Gründe für seinen Entscheid, aus dem Leben zu scheiden. Hinzu kamen grosse finanzielle Sorgen.

Nicht alles ist schlecht, aber …

Manuel Bauer sind die Höhen und Tiefen, die man als Fotojournalist durchlebt, bestens bekannt. Der gebürtige Küsnachter arbeitet seit gut 30 Jahren selbst als solcher, begleitete dabei unter anderem die Bevölkerung der Tibeterinnen, die unter der Unterdrückung Chinas litt und dies bis heute tut (mehr zu Manuel Bauers Langzeitprojekten und seiner Person findest du in unserer März-Ausgabe). Er betont, dass der Fotojournalismus aktuell mit verschiedenen Problemen zu kämpfen hat. Eines davon ist monetärer Natur: «Die Fotografinnen sind komplett auf sich gestellt, um an Fördergelder zu kommen. Plus haben die Redaktionen nicht mehr die finanziellen Mittel, um Fotoreporter für ein grösseres Projekt ins Ausland zu senden.»

Chinesische Soldaten in Tibet

Ein Bild aus Manuel Bauers Schaffen: Chinesische Soldaten der Volksbefreiungsarmee schreiten durch den Markt von Bayi in Tibet 1995. Bild: Manuel Bauer

Hinzu kommt, dass die Pressefreiheit immer stärker unter Druck gerät und die Glaubwürdigkeit des Bildes zunehmend unterwandert wird, da die Manipulation dessen durch verschiedenste Programme heute ein Leichtes ist. Bauer will zwar nicht schwarzmalen, hebt auch die Chancen hervor. So gebe es viel mehr Experimentierplätze und man könne mit relativ wenig Aufwand selbst etwas versuchen. «Hinzu kommt die Möglichkeit von Crowdfundings.»

Ausserdem könne auch Bürgerjournalismus sehr wertvoll sein – fängt eine Einheimische die Geschehnisse mit der Kamera ein, entfällt die Anreise und es gibt keine Sprachbarriere. Ebenso bringt sie Wissen über ihr Land mit, das ein ausländischer Fotograf teilweise gar nicht haben kann. Trotzdem: Die klassischen, grossen Reportagen sind am Verschwinden. Stattdessen wandern die Mittel in andere Kanäle ab, was aus demokratierelevanter Sicht Anlass zur Sorge gibt.

Eine Chance für den Nachwuchs

Für Manuel Bauer war es keine Option, die Bedeutung des journalistischen Bildes tatenlos marginalisieren zu sehen. So rief er TruePicture ins Leben, ein Förder- und Mentoringprogramm für junge Fotografinnen. Seine Wurzeln hat TruePicture im Förderprogramm Globetrotter World Photo, 2011 von Bauer und Dany Gehrig, CEO der Globetrotter Travel Service AG, gegründet. Während neun Jahren wurden damit 19 junge Schweizer Fotojournalisten weitergebildet, wobei Globetrotter das Programm 2020 aufgrund der Pandemie einstellen musste.

Manuel Bauer aufgelehnt auf Tisch

Manuel Bauer konzentriert sich aktuell verstärkt auf die Förderung des Nachwuchses. Seine eigenen Projekte geniessen für ihn entsprechend nicht oberste Priorität. Bild: zVg

Manuel Bauer hat daraufhin das Förderprogramm unter dem Namen TruePicture weiterentwickelt und auf Deutschland und Österreich ausgeweitet. Konkret werden drei Förderstipendien in der Höhe von je 15’000 Franken an junge Fotojournalistinnen vergeben. Die Unterstützung durch TruePicture ist auf eine Langzeitreportage und einen Zeitraum von 18 Monaten ausgelegt, wobei die Nachwuchsfotografen ein Coaching, Mentoring und Ausbildung erfahren. Ausserdem wird ihnen beim Berufseinstieg geholfen und TruePicture setzt sich dafür ein, neue Finanzierungsmodelle zu finden.

Welche Schublade soll es sein?

Bauer betont, wie schwierig es ist, für ein solches Projekt überhaupt die Finanzierung gewährleisten zu können. «Gerade weil die Wichtigkeit des Fotojournalismus für die Demokratie zu wenig auf dem Radar und für die traditionelle Kulturförderung nur schwer greifbar ist», wie er betont. Dies gilt auch für TruePicture, das sich durch seine Vielseitigkeit und diversen Förderinstrumente nur schwer schubladisieren lässt. Auf der einen Seite handelt es sich um eine Talentförderung – andererseits sind diese «bereits» zwischen 20- und 35-jährig, da der Beruf eine gewisse Reife und ein politisches Bewusstsein verlangt.

Zwei Frauen mit Maske im Zug

Die letztjährige Gewinnerin Tatsiana Tkachova hielt das Leben von ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland fest. Hier zu sehen Lilia und Olga, die nach einem Arbeitstag im Restaurant mit dem Zug zu ihrer deutschen Familie zurückkehren, bei der sie aktuell leben. Bild: Tatsiana Tkachova

«In der Kunstecke bewegen wir uns auch nicht wirklich. Es handelt sich um ein Stipendium, doch sind wir keine Uni. Wir vergeben keine Preise und doch gibt es Gewinnerinnen und Gewinner.» Das «Preisgeld» ist wiederum ein konkreter Projektbeitrag. «Wir machen auch Lärm für die Themen, über die die jungen Fotografinnen anschliessend berichten, womit wir auch eine Plattform für engagierte Themen sind», führt Bauer aus. «Dies hat wiederum nicht nur mit Fotografie zu tun, sondern ist eher für NGOs interessant. Gerade weil wir so breit aufgestellt sind und überall reinpassen würden, passen wir nirgendwo rein.» Trotzdem hat TruePicture mittlerweile einige Stiftungen gefunden, die sich über einen längeren Zeitraum verpflichtet haben, das Förderprogramm zu unterstützen. Obwohl weitere Mittel nötig sind, kann TruePicture dank ihnen mit seinem Engagement beginnen.

Nachahmer erwünscht

Nachdem im vergangenen Jahr zum ersten Mal Nachwuchstalente in den Genuss des Förderprogramms kamen, ist das Nominationskomitee aktuell eingeladen, wiederum junge Fotografen zu nominieren, die dann am 6. Juli von der TruePicture-Jury ausgezeichnet werden. Neben den drei Preisträgerinnen wird es ausserdem zwei Honorable Mentions geben. Die Kandidaten bewerben sich primär mit einer Projektidee, sprich das Projekt selbst gibt es noch gar nicht. «Wir kaufen quasi die Katze im Sack. Dies macht es aus Sponsorensicht schwierig. Denn wir wissen noch gar nicht, was die Talente schlussendlich abgeben werden. Doch glauben wir daran, dass sie die Richtigen sind und ihr Projekt förderungswürdig ist», erläutert Bauer.

«Youth of the Island Field»

Moya aus der Serie «Youth of the Island Field», aufgenommen im irischen Limerick 2020 von der TruePicture-Gewinnerin Tamara Eckhardt. Bild: Tamara Eckhardt

Er hofft, dass das Projekt Schule machen und einen Vorbildcharakter einnehmen könnte. Dies aufgrund der breiten Förderung, die weit über Finanzielles, Ausrüstung oder eine Auszeichnung hinausgeht. Unter anderem erhalten die jungen Fotografinnen bei Bedarf auch psychologische Unterstützung. «Das Förderprogramm ist so breit aufgestellt, weil der Beruf des Fotografen dies genauso ist», erklärt er. Am Schluss das Bild zu machen, sei nur ein kleiner Teil. «Projektvorbereitung, Finanzierung, Logistik, Anreise, Kommunikationsvorbereitung, Recherche, was und wie ich erzählen will, wie ich mich an diesem Ort verhalte, wie ich mit Leuten umgehe, die in einer schwierigen Situation sind. Es ist also eine extrem breite Palette an Fähigkeiten, Begabungen, Wissen und Erlerntem, die man mitbringen muss.»

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