Alltag

Wie mit Tinder zur neuen Wohnung

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Gründerin Christine Hegglin hat in mehr als 15 Jahren in der Immobilienbranche eine bestimmte Problematik immer wieder angetroffen. Mit Hoyou möchte sie diese angehen. Bild: zVg

Wer sich auf der Suche nach einem neuen Zuhause befindet, stösst dabei häufig auf ein Problem: Der Markt scheint ausgetrocknet. Entsprechend risikobehaftet wäre es, die eigene Immobilie ohne fixe Anschlusslösung zu verkaufen. Denn zu gross ist die Angst, nach dem Verkauf ohne neues Zuhause dazustehen. Diesem Problem möchte sich die Zuger Plattform Hoyou annehmen – denn hier finden Immobilien im Tauschgeschäft neue Eigentümer.

Hoyou – Ob die aktuelle Wohnung für die eigenen Bedürfnisse unpassend erscheint, man sich nach einer neuen Lebensumgebung sehnt oder der Arbeitsweg kürzer ausfallen soll: Umzugspläne werden praktisch bei jedem früher oder später zum Thema. Ein Wohnungswechsel ist allerdings mit gewissen Hürden verbunden. So präsentiert sich der Immobilienmarkt in gewissen Regionen gänzlich ausgetrocknet. Ein Verkauf der eigenen Liegenschaft ist ebenfalls nicht hindernisfrei, denn eine Anschlusslösung muss während des möglichen Verkaufs bereits gewährleistet sein.

Es ist allerdings nicht so, dass ein Grossteil der Eigentümerinnen ihre Immobilien überhaupt nicht verkaufen wollte – ganz im Gegenteil. Genau darin liegt allerdings laut Christine Hegglin, die seit über 16 Jahren in der Branche tätig ist, die Ursache für den ausgetrockneten Immobilienmarkt: «Man möchte verkaufen, aber es gibt nichts für den Anschluss. Deswegen schreibt man die eigene Immobilie gar nicht erst aus, denn man will nach einem Verkauf nicht ohne neues Zuhause dastehen – ein Teufelskreis.» Vor allem wolle man ebenfalls verhindern, dass die Nachbarn von den eigenen Verkaufsabsichten erfahren. Besonders die ältere Generation wisse zudem oftmals nicht, wie sie an eine neue Liegenschaft kommen soll.

It’s a Match

Hegglin ist diesem Dilemma während ihrer Zeit in der Branche immer wieder begegnet und genau deshalb hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, dagegen anzugehen. Zu diesem Zweck gründete sie 2022 Hoyou – kurz für «home for you». Dabei handelt es sich um eine Tauschplattform für alle möglichen Immobilien; von der 1- bis zur 6.5-Zimmer-Wohnung respektive dem Haus und darüber hinaus. Es is schweizweit die erste, die in der Praxis ähnlich wie die Datingapp Tinder funktioniert. So können sich Benutzer bei Hoyou über ein Abosystem anmelden, anschliessend Fotos ihrer Immobilie hochladen und sich auf die Suche nach einem zukünftigen Domizil machen. Ein Abo löst man hierbei ganz am Schluss. Findet ein Match statt, also gefallen die Liegenschaften zwei suchenden Parteien gegenseitig, können sich die jeweiligen Eigentümerinnen treffen und bei Zufriedenheit am Ende ihre Immobilien untereinander tauschen.

Auf diese Weise soll die Tauschplattform zur Lösung des Anschlussproblems führen: Wer einen Tausch eingeht, muss sich entsprechend nicht mehr um eine Anschlusslösung sorgen. Bewährt hat sich dieses Konzept mittlerweile in einer Mehrzahl an erfolgreichen Tauschgeschäften. So konnten letztes Jahr mehr als zehn Transaktionen verzeichnet werden – wobei Hoyou üblicherweise nur von den Geschäften erfährt, bei welchen ihre Experten eingesetzt werden. Ein junges Paar erwartete beispielsweise bald Nachwuchs, und seine kleine Wohnung wäre entsprechend nicht mehr gross genug gewesen. Gleichzeitig erkannte ein älteres Ehepaar, dass sich die Treppen in seiner 6.5-Zimmer-Wohnung als grosse Hürde erwiesen. Die beiden Parteien waren wie für einen Immobilientausch geschaffen – die Liegenschaften trafen die gegenseitigen Bedürfnisse und so konnten bald die Hausschlüssel überreicht werden.

Schulungszimmer mit Beamer an der Wand Hoyou

Im Rahmen der «hoyou-Academy» werden zukünftige Hoyou-Maklerinnen zu Tauschexperten ausgebildet. Bild: zVg

Wer sich um die Reibungslosigkeit des Tauschgeschäfts sorgt oder sich anderweitig Gedanken macht respektive Fragen hat, kann zudem einen von Hoyou zertifizierten Makler miteinbeziehen. Zur Vorbereitung auf die Tauschgeschäfte verbringen diese einen Tag lang in der «hoyou-Academy», in der sie zum Ablauf der Tauschgeschäfte geschult und auf mögliche Probleme und Situationen hingewiesen werden.

Vom Mieter zur Eigentümerin – oder umgekehrt

Grundsätzlich gilt bei Hoyou: Nur wer eine Immobilie anbieten kann, darf sich in die Welt der Tauschgeschäfte begeben. Ein erstes eigenes Zuhause lässt sich so also nicht finden, aber jede andere Möglichkeit soll abgedeckt sein. So dürfen nicht nur Immobilieneigentümerinnen ihre Liegenschaft anbieten, sondern Mieter und Käuferinnen sowie zwei Mietparteien dürfen ebenso miteinander handeln. Im Falle der Mieter muss der Tausch bloss von der Vermieterin abgesegnet werden – idealerweise bereits, bevor die Immobilie auf der Plattform präsentiert wird. Laut Hegglin läuft dieser Prozess erfahrungsgemäss recht flott, wenn es sich beim Vermieter um eine Privatperson handelt. Stecken grosse Verwaltungen hinter der Mietwohnung, müssen erst interne Prozesse und Abläufe durchlaufen werden.

Der unterschiedliche Wert der Immobilien wird in der Regel nicht zu einem Problem, da sich die Tauschparteien ihrer Bedürfnisse bewusst sind und so ein erfüllter Wunsch am Ende wertvoller als der materielle Wert ist. Bei einem Mietobjekt lägen allfällige Anpassungen an der Vermieterin. Läuft der Tausch erfolgreich ab, kaufen die beiden Parteien sich gegenseitig ihre Immobilie ab – eine Ausgleichszahlung gibt es dabei nicht. Der Handel muss so durchgeführt werden, da kantons- oder gemeindeübergreifende Tauschverträge in der Schweiz noch nicht möglich sind. Zum Tauschgeschäft dazu gehören unter anderem jeweils Kaufverträge, je nach Kanton verschiedene Steuern und Gebühren und die Anmeldung beim Grundbuchamt.

Do it yourself

Mit dem offiziellen Hoyou-Launch im Juni 2022 setzte die Plattform primär auf Qualität. «Hinter jeder Immobilie sollte von Anfang an eine Maklerin stehen. Fotos, Angaben und Bewertung sollten alle professionell gemacht sein», erklärt Hegglin. Schnell habe sich allerdings herausgestellt, dass viele potenzielle Nutzerinnen damit weniger angesprochen würden. Sie meldeten sich mit dem Bedürfnis, die Präsentationsarbeit selber durchführen zu wollen, dem entsprechend Rechnung getragen wurde.

Hoyou Werbestand im Zugerland

Auch im Einkaufscenter Zugerland konnte sich die Plattform bereits präsentieren. Bild: zVg

Ein Teil der benutzerorientierten Anpassungen war die Integration von Mietern; zu Beginn konnte die Plattform ausschliesslich von Immobilienbesitzerinnen genutzt werden, doch stiess dies auf Kritik, welche zum heutigen Modell führte: Es sei ungerecht, wenn die Immobilien zum Kauf nur noch den Hoyou-Benutzern zur Verfügung stehen würden. Die Umstellung zu einem benutzerdefinierteren System bedeutete, von den hohen Qualitätsansprüchen wegkommen zu müssen, doch dieses Opfer wird gerne in Kauf genommen. «Masse mit Qualität funktioniert einfach nicht», meint Hegglin dazu.

Trotzdem bemüht sich das momentan noch zwei-, ab März vierköpfige Hoyou-Team darum, die Qualität dessen, was die Benutzerinnen in der App zu sehen bekommen, möglichst hochzuhalten. So wird jede Immobilie geprüft: Existiert die Adresse, zeigen die Fotos zumindest genug und wirken sie authentisch, kann man sich eine Vorstellung der Liegenschaft machen? Zudem werden sie von einem System im Hintergrund auf ihren Wert analysiert, bevor sie zur Ansicht freigegeben wird. Hegglin erinnert sich etwa an einen Fall, in dem bloss der Boden von oben herab fotografiert wurde; ein Tauschgeschäft wird so schwierig.

Von der Höhle der Löwen bis nach Deutschland

Das Hoyou-Team durfte sich in seiner momentan noch eher kurzen Bestehenszeit an einigen positiven Entwicklungen erfreuen: Im Februar 2023 konnte Hegglin ihre Plattform in der Schweizer Ausgabe der Serie «Die Höhle der Löwen» präsentieren und sicherte sich dabei die finanzielle Unterstützung von 300’000 Franken durch Roland Brack, dem Gründer des Onlinehändlers brack.ch. Gerade seit der Weihnachtszeit konnte zudem mit inzwischen über 3’000 Benutzern ein signifikantes Wachstum verzeichnet werden. So stehen entsprechend auch immer mehr Immobilien zur Verfügung, wobei nicht jede neue Benutzerin eine neue Immobilie bedeutet. So bleiben unvollständige oder mangelhafte Einträge teilweise unergänzt, womit die Immobilie nie für andere Benutzer sichtbar gemacht wird. Momentan sind auf der Plattform etwa 800 Immobilien verfügbar.

Aussenansicht Bürogebäude

Hoyous Büroräumlichkeiten befinden sich in Steinhausen. Bild: zVg

Was die Zukunft anbelangt, so sollen bis Ende 2025 über 2’500 Immobilien im Angebot stehen, die ganze Schweiz soll abgedeckt und bald auch nach Deutschland expandiert werden. Momentan sind im Angebot vor allem die Zentralschweiz und Zürich abgedeckt. «Der Profit wird momentan primär durch unser Abosystem generiert. Zukünftig wollen wir mittels Partnerinnen und Werbemöglichkeiten ausbauen und verschiedene Dienstleistungen anbieten», erklärt Hegglin. Als Beispiel nennt sie etwa Fotografen, die für professionell gemachte Fotos der Immobilie zur Verfügung stehen würden.

Wer sich bei Hoyou anmelden möchte, kann dies über deren Abosystem tun. Zum Reinschnuppern in die Immobilieninserate gibt es das Gratis-Abo. Für 16.90 Franken pro Monat abonniert man Hoyou für ein halbes Jahr und bekommt dafür im Gegensatz zum Gratis-Abo die Möglichkeit zu einer Match-Anfrage pro Monat mit Chat- und Kontaktfunktionen. Eine datenbankbasierte Schätzung der eigenen Immobilie, eine unlimitierte Anzahl an Match-Anfragen und eine inbegriffene Publikation auf Homegate sind zusätzlich im ganzjährigen Abo für 11.90 Franken pro Monat enthalten. 

Diskretion wird bei Hoyou grossgeschrieben: Die Benutzernamen und -adressen bleiben bei allen Abos bis zum Match verborgen. Mit dem Zusatz-Abo Plus werden zudem alle Bilder und Informationen ebenfalls erst dann offengelegt.

 

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