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Luzern wird zur Demokratiehauptstadt

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Während Luzern die Gastgeberstadt für den Demokratie-Gipfel 2022 bildet, wird er im kommenden Jahr in Mexiko-Stadt stattfinden. Bild: Flickr Markus Aeschimann

Die Stadt Luzern avanciert vom 21. bis 25. September zur Gastgeberin des «Global Forum on Modern Direct Democracy». Dabei werden nicht nur bekannte Politikerinnen und Wirtschaftsvertreter aus der ganzen Welt in die Leuchtenstadt kommen, sondern auch die ganz grossen Fragen zur Zukunft der direkten Demokratie diskutiert.

Die Demokratie steht unter massivem Druck. Und zwar von verschiedenen Seiten. Mit der Ukraine wurde eine souveräne Demokratie von einem autokratischen Staat angegriffen. Am 6. Januar 2021 stürmte ein wütender Mob das Kapitol in Washington. In mehreren geopolitisch bedeutsamen Ländern sind Rechtspopulisten und Autokraten an der Macht. Während der Coronapandemie mussten individuelle Freiheitsrechte der Bevölkerung auf Kosten der kollektiven Gesundheit eingeschränkt werden.

In Anbetracht dieser aktuellen Entwicklungen lässt sich ein düsteres Bild für die Zukunft des erfolgreichsten Regierungssystems der jüngeren Geschichte zeichnen. Doch ist dies auch gerechtfertigt? Dies ist eine der zentralen Fragen, die vom 21. bis 25. September in Luzern diskutiert werden. Anlass dafür ist das «Global Forum on Modern Direct Democracy», welches sich als weltgrösste Konferenz zur direkten Demokratie seit seiner ersten Austragung 2008 der Frage widmet, wie dieses System gestärkt und an die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts wie die Digitalisierung adaptiert werden kann. Der globale Wissensstand rund um die Verfahren und Praktiken der Volksrechte sowie die Entwicklung gemeinsamer Empfehlungen für die praktische Anwendung sollen dabei gestärkt werden.

Eine Abstimmung hautnah miterleben

Dass nach der Premiere in Aarau vor 14 Jahren und anschliessenden Stationen unter anderem in Montevideo (2012), Tunis (2015) und Taichung (2019) das Global Forum nun in die Schweiz zurückkehrt, ist kein Zufall. Nicht nur hat die Schweizer Demokratie Stiftung, die den Anlass gemeinsam mit ihrer Partnerorganisation Democracy International organisiert, ihren Sitz in dem Land, wo die direkte Demokratie seit 1891 in der Verfassung verankert ist. Auch enthält das politische System direktdemokratische Elemente, die weltweit seinesgleichen suchen. Dass wir beispielsweise zweimal über das Covid-19-Gesetz abstimmen durften, kommt einem Privileg gleich, das viele SchweizerInnen kaum zu schätzen wussten.

Stiftungsrat Demokratie

Der Stiftungsrat der Schweizer Demokratie Stiftung mit Andreas Zivy (von links), Daniel Schily, Stefanie Bosshard, Bruno Kaufmann und Adrian Schmid. Bild: Facebook Schweizer Demokratiestiftung

Wie die direkte Demokratie hierzulande funktioniert, davon können sich die Gäste des Global Forums gleich selbst ein Bild machen, denn der 25. September fällt auf den nächsten Abstimmungssonntag, wenn unter anderem spannende Referenden auf der nationalen, kantonalen sowie kommunalen Ebene auf der Agenda stehen. Adrian Schmid ist Präsident des Stiftungsrates der Schweizer Demokratie Stiftung und Projektleiter des diesjährigen Global Forums. Er erklärt: «Wir werden mit einer kleinen internationalen Delegation in Luzern das Abstimmungslokal in der Heiliggeistkappelle besuchen und es ist geplant, die Teilnehmenden des Forums symbolisch mit einer mitgebrachten Urne ebenfalls über einige der Vorlagen abstimmen zu lassen.» Der Abstimmungssonntag bildet den Abschluss des fünftägigen Global Forums, dessen Veranstaltungen Interessierte kostenlos besuchen können, einzig eine Anmeldung unter swissdemocracy.foundation ist erforderlich.

Die junge Generation im Zentrum

Bereits am Eröffnungstag wird deutlich werden, dass die Organisatoren bewusst auch die junge Generation einbeziehen möchten. Nicht nur werden die Theaterkids der Stadt Luzern das Stück «der Löwe und die Französische Revolution» aufführen, sondern wird neben Nationalratspräsidentin Irène Kälin unter anderem auch eine 15-jährige Gymnasiastin eine Eröffnungsrede halten.

Schmid macht bei den Jungen zwei gegensätzliche Strömungen aus, was das Interesse am politischen Geschehen anbelangt. Auf der einen Seite konstatiert der Luzerner eine Politverdrossenheit, andererseits freut er sich insbesondere über das Engagement der Klimajugend, auch wenn diese «während der Pandemie in einen Hammer lief, was bei vielen in Resignation und Rückzug mündete», wie er bemerkt. Dass mit dem Jugendparlament eine Plattform existiert, wo sich interessierte und motivierte Jugendliche engagieren können, schätzt er als äusserst wichtig ein, genauso, dass am Global Forum zum Stimmrechtsalter 16 ein Workshop stattfinden wird.

Demokratie Jugendparlament

Im Jugendparlament der Stadt Luzern wurde auch schon über das Stimmrechtsalter 16 debattiert. Bild: Facebook Jugendparlament Stadt Luzern – jupalu

Und auch die Schweizer Demokratie Stiftung betätigt sich aktiv, wenn es darum geht, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zur politischen Partizipation zu befähigen und sie dabei zu unterstützen. Seit vergangenem Jahr führt die Stiftung den Fonds Jugend + Demokratie. Mit den Mitteln des Fonds sollen Organisationen und Projekte unterstützt werden, die von Jugendlichen und jungen Menschen bis 30 Jahre getragen werden und sich beispielsweise der Förderung der Demokratie, der Partizipation von Jugendlichen und jungen Menschen am öffentlichen Leben und an der Politik oder dem Einsatz für eine offene Schweiz im Sinne einer weltoffenen freiheitlichen Gesellschaft verschreiben.

Eine Tour de Suisse der anderen Art

Die Veranstaltungsorte für die Workshops und Panels am Donnerstag werden beim jüngeren Publikum ebenfalls auf Anklang stossen. So finden diese im Neubad sowie im Laboratorium statt. Ab dem Mittag stehen hierbei vier thematische Schwerpunkte im Zentrum: Wie Demokratie im 21. Jahrhundert demokratisiert werden kann; durch die Demokratie das Klima retten – Lösungen und Hürden; demokratische Integration und Infrastruktur sowie das Möglichmachen transnationaler Demokratie.

Am Freitag steht eine Tour de Suisse auf dem Programm mit Exkursionen in verschiedene Städte, die für die Demokratiegeschichte der Schweiz von Bedeutung waren und sind. So ist Aarau, die erste Hauptstadt des Landes, eine der Destinationen. Andere sind Bern, wo auch ein Besuch im Bundeshaus geplant ist, sowie Uster, wo ein Blick über die nationale Demokratie hinaus geworfen wird.

Die Verbindung zur Ukraine

Der Samstag steht im Zeichen verschiedener Panels und eines Demokratie-Städte-Gipfels in der Kornschütte, im Rahmen dessen der Luzerner Stadtpräsident Beat Züsli die Eröffnungsworte ans Publikum richten wird. Dieses wird über die fünf Tage hinweg sehr zahlreich sein, beim letzten physischen Global Forum vor drei Jahren in Taiwan durften die Organisatoren 700 Gäste begrüssen. Für die Ausgabe in Luzern haben sich bereits über 300 Menschen aus über 50 Staaten und allen Kontinenten angemeldet. Welche prominenten Gäste darunter sein werden, ist noch offen (Stand: 19. Juli), doch steht bereits fest, dass auch politische VertreterInnen aus der Ukraine zumindest virtuell anwesend sein werden.

Ukraine

Der Krieg in der Ukraine ist ein warnendes Beispiel für die Verletzbarkeit der Demokratie. Bild: Facebook In Ukraine

Die Schweizer Demokratie Stiftung pflegt zu dem Land eine umso engere Beziehung, als dass sie die Ukraine seit Jahren in demokratischer Hinsicht berät und unterstützt, beispielsweise Gesetzesrevisionsprozesse begleitet. Ausserdem durfte Schmid mit weiteren VertreterInnen der Stiftung vor einigen Wochen an der Ukraine-Konferenz in Lugano teilnehmen. «Wir hatten vor Eröffnung der Konferenz ein Meeting mit einer 17-köpfigen ukrainischen Parlamentsdelegation und einer Schweizer Vertretung, bestehend aus elf Mitgliedern des National- und Ständerats. Hinzu kamen fünf DemokratieexpertInnen, davon drei aus unserem Stiftungsrat», erklärt das langjährige Mitglied des Grossen Stadtrats in Luzern.

Dies sei eine schöne Wertschätzung für die Arbeit, die die Stiftung vor allem auf globaler Ebene leistet. «Für mich persönlich als gebürtiger Luzerner ist es eine besondere Freude, die vielen internationalen Gäste hierher einladen zu können. In diesem historischen Moment, wo die Demokratie weltweit unter massivem Druck steht», blickt Schmid auf das «Global Forum on Modern Direct Democracy» voraus.

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