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Sami Gashi

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Sami Gashi war selbst schon mehrmals in Kiev. Bild: zVg

Er führt eine erfolgreiche Marketingagentur, doch als seine ukrainischen GeschäftspartnerInnen aus ihrem Land in die Schweiz fliehen mussten, war für Sami Gashi klar: Er will ihnen helfen, so gut es geht. So unterstützte der Luzerner sie unter anderem beim Behördengang und stellte ihnen zwischenzeitlich seine Wohnung zur Verfügung. Doch sein Einsatz geht weit darüber hinaus.

Krieg ist mit viel Leiden verbunden, das oftmals im Verborgenen bleibt, fern von den Schlagzeilen spielen sich Tragödien rund um Tod, Verlust, Vertreibung und Flucht ab. Aktuell in der Ukraine ist dies nicht anders. Dabei braucht es oftmals nicht viel, um die notleidende Bevölkerung entweder vor Ort oder hier in der Schweiz zu unterstützen. Dieser Überzeugung ist auch der Luzerner Sami Gashi, der zwischenzeitlich ukrainische Flüchtlinge in seiner Wohnung hat übernachten lassen und während dieser Zeit bei seinen Eltern geschlafen hat, dazu für einen Arbeitsplatz und Laptops gesorgt hat.

Um die Geschichte und Gashis Verbindung zur Ukraine zu verstehen, muss man rund vier Jahre zurückgehen. Der gebürtige Hochdorfer führt eine Online- und Digital-Marketing-Agentur mit Sitz in Cham. 2018 startete er mit seinem Unternehmen OneLine eine Zusammenarbeit mit einer damals dreiköpfigen Firma mit Sitz in Kiev. «Wir setzten gemeinsam ein kleines Projekt um und waren äusserst zufrieden mit dessen Verlauf», erinnert sich Gashi.

So wurde ein gemeinsames Wachstum sowie eine vertiefte Zusammenarbeit angestrebt und das OneLine-Team flog für ein Wochenende in die ukrainische Hauptstadt, um ein grösseres Projekt aufzugleisen, welches später auch erfolgreich umgesetzt werden konnte. «Wir standen täglich in Kontakt zueinander und sie wurden gewissermassen ein Teil unseres Teams», so Gashi. Es folgten weitere gegenseitige Besuche in Kiev und der Schweiz.

Der grosse Schock

Als sich die Möglichkeit eines russischen Angriffs auf die Ukraine im Frühjahr konkretisierte, zweifelten die ukrainischen GeschäftspartnerInnen an der akuten Bedrohungslage für ihr Land, sahen es von den Medien aufgebauscht. Entsprechend überrascht wurden sie von dem Angriff, befanden sich in einem Schockzustand. Ihr Zuhause haben sie in Chernihiv, einer strategisch wichtigen Stadt nördlich von Kiev.

Die ersten zwei Wochen nach Ausbruch des Kriegs seien sie damit beschäftigt gewesen, Leute zu retten, erzählt Sami Gashi. «Teilweise brachten sie die Menschen wegen gesprengter Brücken mit dem Schlauchboot über den Dnepr.» Doch wurde es irgendwann zu gefährlich und sie flüchteten nach Lviv in den Westen des Landes. Zwei Mitarbeiterinnen des Unternehmens wollten schliesslich das Land verlassen, zu sehr fürchteten sie um ihr Leben.

Einer der Geschäftspartner erzählte Gashi von den Plänen, in die Schweiz zu flüchten, und für diesen war klar: Was immer er tun kann, er will ihnen helfen, insbesondere was den administrativen Aspekt bei der Anmeldung anbelangt. «Die zwei Frauen kamen mit einem Auto in Luzern an, bei dem ich mich frage, wie es überhaupt die Distanz von der Ukraine in die Schweiz geschafft hat», erzählt er.

Das lange Warten

Das Amt für Migration des Kantons Luzern wies die Gruppe ans Bundesasylzentrum Zürich weiter, doch gestaltete sich dort der Anmeldeprozess recht langwierig, da sie sich für im Kanton Luzern anmelden und nicht getrennt werden wollten. «Wir warteten den ganzen Tag vor dem Bundesasylzentrum, um am Ende die Nachricht zu erhalten, dass Luzern geschlossen hat und sie so ohne Unterkunft dastehen», denkt Gashi an diesen Moment zurück. Da er sie nicht dort lassen wollte, entschied er sich, seine Wohnung zur Verfügung zu stellen, bis Neuigkeiten von Seiten der Behörden kommen.

Einige Tage später war dies der Fall, für die zwei Flüchtlinge stand ein kleines Zimmer in Wolhusen zur Verfügung. Für die Fahrt von Luzern dorthin stand jedoch niemand zur Verfügung, so mussten Gashi und seine Kollegen einspringen. Eine der beiden Frauen, nennen wir sie Daria*, hielt es nach drei Monaten ohne ihren Freund nicht mehr aus, so kehrte sie Mitte Juni nach Kiev zurück.

Kateryna* hingegen lebt nach wie vor hier, bis Ende Mai durfte sie gratis mit dem ÖV umherreisen, seither kauft ihr das OneLine-Team ein Monatsabo, damit Kateryna mobil bleibt und ins Büro kommen kann. Dort hat ihr das Team einen Arbeitsplatz eingerichtet und sie kommt fast jeden Tag vorbei. Sami Gashi betont, dass dabei keinerlei geschäftliche Hintergedanken mitspielen, denn Kateryna ist zwar für das Partnerunternehmen tätig, arbeitet operativ jedoch nicht mit OneLine zusammen.

Auch für Daria sei jederzeit ein Arbeitsplatz frei, sollte sie sich dazu entscheiden, in die Schweiz zurückzukehren, ergänzt er. Er freut sich, wie gut sich Kateryna ins Team integriert und hier Freunde gefunden hat. «Sie ging zum Beispiel schon mit Arbeitskollegen fischen und verbrachte ein Wochenende mit einer Kollegin am Walensee.»

Es braucht nicht viel

Als Daria und Kateryna von der Ukraine in die Schweiz flüchteten, konnte sie ihre Laptops nicht mitnehmen. Gashi wollte jedoch nicht, dass sie hier bloss rumsitzen und nicht arbeiten können.

So entschied er sich einerseits dazu, die Kooperation aufrechtzuerhalten, auch wenn dies bedeutete, dass manche Projekte dadurch drei bis vier Wochen auf Eis gelegt werden mussten. «Trotzdem kam es für uns nicht in Frage, sie als Partner zu ersetzen.» Ausserdem startete er unter anderem auf Social Media einen Spendenaufruf, wodurch sie zwölf brandneue Laptops gespendet bekamen. «Manche davon sendeten wir weiter nach Krakau und Leipzig, wo andere Geflüchtete sie erhielten», erzählt er.

Gashi blickt auf das Erzählte zurück und kommt zum Schluss: «Ich glaube nicht, dass ich viel mache und es braucht auch nicht viel, um jemandem zu helfen. Das ist meine grösste Erkenntnis aus dem Ganzen und die Botschaft, die ich mitgeben möchte. Was es braucht, ist – genau wie im Berufsleben – Kontinuität. Nur schon, dass man regelmässig nachfragt, ob alles ok ist oder ob die Person etwas braucht.»

Sami Gashi OneLine

Ein organisches, gesundes Wachstum mit OneLine ist Sami Gashi wichtig. Bild: zVg

Sein Lieblingsbuch gibt’s umsonst auf samigashi.com

Das Geben war Gashi freilich bereits vor dem Ukrainekrieg wichtig. So betreibt er einen Bücherblog, auf dem man kostenfrei sein Lieblingsbuch «Der Alchimist» von Paulo Coelho bestellen kann. Bis zu zehn Bücher versendet er so monatlich – ohne Zusatz, ohne Werbung oder sonst was.

Er erklärt: «Ich bin überzeugt davon, dass das Lesen sehr viel verändern kann und es wäre zu begrüssen, wenn die Leute wieder mehr qualitativ lesen würden, also nicht bloss beispielsweise die Schlagzeilen auf Newsseiten.» «Der Alchimist» ist seiner Meinung nach ein idealer Start, um sich in die Welt des Lesens zu begeben, da man das Werk auf viele verschiedene Weisen interpretieren könne und das Buch auf jeden Fall Lust auf mehr mache.

Die Wettbewerbsplattform Nummer eins

Lust auf mehr machen, dies versucht Gashi auch mit OneLine seinen KundInnen zu vermitteln. Vor rund fünfeinhalb Jahren als Einmannprojekt gestartet, zählt die performanceorientierte Marketingagentur mittlerweile nicht nur zwölf MitarbeiterInnen, sondern bietet sie mit «Win4Win» auch die grösste Wettbewerbsplattform der Schweiz, wo Brands ihren Wettbewerb platzieren können. Seit 2019 zählt sie gemäss der Marketing-Plattform Semrush hierzulande den grössten Traffic. «Insgesamt über 150 Unternehmen zählen auf unsere Dienste in diesem Bereich, davon zahlreiche schweizweit bekannte Marken.»

Gashi hebt hervor, dass OneLine nicht nur Online-Marketing-Services anbietet wie andere Agenturen, sondern vor allem eigene, skalierbare Lösungen.

Neben «Win4Win» ist eine davon die Digitalisierung einer Broschüre für Porsche. Das heisst, Porsche verteilt keine Broschüren mehr zu seinen Autos, sondern erstellt OneLine mit seinem System innerhalb von 30 Sekunden automatisierte und personalisierte Landingpages, wo die Inhalte der Broschüre zu finden sind. «Dieses Produkt gab es vorher nicht, wir haben es gemeinsam mit Porsche entwickelt und es kann auch von anderen Anbietern genutzt werden. Ob es nun um Autos, Immobilien oder Boote geht.»

Sami Gashi blickt auf den Weg von OneLine zurück und spricht als bisheriges Fazit von einem «gesunden, organischen Wachstum». Das Ziel sei nun, die nächsten fünf Jahre so zu wachsen, wie es das Unternehmen seit seiner Gründung getan hat. Dabei weiss er MitarbeiterInnen an seiner Seite, denen er voll vertraut und die Verantwortung übernehmen dürfen. «Wir ziehen an einem Strang, alle wollen ihren Beitrag leisten, was sich in einer hervorragenden Atmosphäre innerhalb des Teams äussert», sagt er.

*Namen von der Redaktion geändert

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