Mit Guerilla Gardening städtische Freiräume zurückerobern

Trend für grünere Städte

Viele urbane Räume verlieren durch die voranschreitende Verbauung an Grünflächen, dabei hätte es genügend Platz für Blumen und Kräuter. Wer vernachlässigte Blumenbeete sieht, kann das Steuer selbst übernehmen und die öffentlichen Böden eigenhändig mit Pflanzensamen versehen.

Immer mehr Grünflächen verschwinden aus den Innenstädten. Selbst vernachlässigte Blumenbeete führen hin und wieder ein blumenloses Dasein, denn der Boden in der Stadt ist fast gänzlich asphaltiert und nur wenige Pflanzensamen wandern so weit, dass sie die Beete erreichen. Doch unter Ampeln und Laternen, an Strassenrändern, Verkehrsinseln und in den Rissen im Asphalt sind einige bunte Blüten zu erkennen – mag das die Arbeit einiger sogenannter Guerilla Gardeners gewesen sein?

Guerilla Gardening bedeutet, heimlich Pflanzensamen auf öffentlichen Böden zu verteilen. Es handelt sich dabei um ein subtiles Mittel zum friedlichen Protest gegen die zunehmende Verbauung der Stadt. Guerilla Gardening gilt also als eine Form des zivilen Ungehorsams im öffentlichen Raum. Übrigens bedeutet «guerilla» auf Spanisch so viel wie kleiner Krieg – ein passender Name für diesen Kampf gegen graue und eintönige Städte, weil viele AnhängerInnen dieser Bewegung ähnlich wie Guerilla-Kampftruppen im Schutze der Dunkelheit agieren.

Asphalt Zürich

Der Boden ist in vielen Grossstädten wie Zürich fast gänzlich zu asphaltiert. Bild: PPVector / Depositphotos

Die heimliche Aussaat erfolgt mit einer vorbereiteten Samenmischung sehr schnell und lässt sich kaum auf den Täter oder die Täterin zurückführen. Im Gegensatz zu Ländern wie beispielsweise Deutschland ist Guerilla Gardening in der Schweiz nicht strafbar, da es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Jedoch sollte man aufpassen, keine privaten Flächen in Angriff zu nehmen. Solange das Terrain, das man begrünt, öffentlich ist, bewegt man sich als Guerilla Gärtner zumindest in der Schweiz rechtlich im grünen Bereich.

Wurzeln in den USA

Guerilla Gardening ist freilich kein neuer Trend – seine Anfänge hat er im New York City der 70er Jahre. Damals waren dort die Mietpreise derart rasant wie stark angestiegen, dass gesamte Stadtteile nicht mehr bewohnt wurden. Da nun zahlreiche heruntergekommene und verlassene Grundstücke das Stadtbild prägten, begann eine Aktivistengruppe namens «Green Guerillas» diese auf eigene Faust zu begrünen. Diese Idee wurde von der Bevölkerung begrüsst, verbreitete sich über die Landesgrenzen hinaus und gilt als erster Inspirationsfunken für viele gemeinschaftliche Gartenprojekte.

Guerilla Gardening Zürich

Seit der Guerilla Gardener Maurice Maggi Zürich begrünt, haben viele Strassenränder an Farbe gewonnen. Bild: Instagram Maurice Maggi

Inzwischen planen die Guerilla Gardeners ihre Aktionen im Internet und vernetzen sich untereinander. Auf Plattformen wie Twitter und Facebook tauschen sie sich aus und bestimmen, wer die neue Aussaht giessen geht. Die aktuell grösste Guerilla-Gardening-Webseite Europas ist die englischsprachige Seite guerillagardening.org mit Sitz in London.

Mit Samenbomben die Stadt begrünen

Der typische Begleiter eines jeden Guerilla Gardeners ist ein Beutel mit Samen, die zur Aussaat bereit sind. Lose Samen sind dabei eher unpraktisch, da sie schnell verloren gehen und leicht vergraben werden sollten, damit sie keimen. Doch wenn man Samen mit etwas Erde und Tonpulver mischt, kann man diese Masse zu kleinen Bällen formen. Ist man zum Beispiel mit dem Velo in der Stadt unterwegs, kann man die «Seedballs» im Vorbeifahren auf eine Grünfläche werfen, wie es auch die «Green Guerillas» getan haben. Weil die Samen bereits mit Erde vermischt sind, haben sie guten Zugang zu Nährstoffen, bis die Pflanzen stark genug sind, ihre Wurzeln tief in den Boden zu schlagen. Die Idee der Seedballs ist dabei nicht neu – bereits die nordamerikanischen Ureinwohner sowie die alten Ägypter haben ähnliche Bälle aus Erde und Samen hergestellt.

Solche Seedballs zu formen, ist aber nicht die einzige Möglichkeit, Pflanzensamen zu transportieren und spontan einzupflanzen. Etwas eleganter präsentiert sich Samenpapier, das biologisch abbaubar ist und sich gut bedrucken lässt. Da dem Papier bei der Produktion Samen beigegeben werden, kann man das Papier einpflanzen, indem man es zerreisst und mit Erde bedeckt. Während der nächsten paar Tage sollte man die Samen gut wässern oder bei der Aussaat eine Stelle mit besonders feuchtem Boden wählen.

Seedballs-Rezept 

Um «Seedballs» selbst herzustellen, benötigt man nur drei Zutaten – Saatgut, Tonpulver und Erde (vorzugsweise Komposterde). Wer die Samen vor Fressfeinden schützen möchte, kann der Mischung noch etwas Paprikapulver beigeben. Man benötigt etwa die gleichen Anteile an Erde und Tonpulver, doch je nach Erdmischung kann das Verhältnis variieren – sandige Erde zum Beispiel braucht etwas mehr Tonpulver. Auf rund 1 kg an Erde und Tonpulver kann man etwa 5 g an Samen beimischen.

Die Masse mischt man am besten langsam an, sodass man das Verhältnis anpassen kann und gibt nach und nach etwas Wasser bei, bis die Mischung knetbar wird. Dann kann man sie zu etwa walnussgrossen Bällen rollen – 1 kg an Mischung kann zu etwa 30 Seedballs gerollt werden. Abschliessend sollten die fertigen Bälle zum Trocknen ruhiggelegt werden, idealerweise sollten sie zwei Tage in der Sonne oder auf der Heizung ruhen.

«Floraler Anarchist» in Zürich

Guerilla Gardening hat einige Anhänger, die sich über die Jahre hinweg einen Namen gemacht haben. Der wohl berühmteste Guerilla Gärtner Zürichs ist Maurice Maggi. Als selbsternannter «floraler Anarchist» verschönert er die Stadt bereits seit über 40 Jahren. Seine «Blumengraffiti», wie er das Guerilla Gardening nennt, sind der Grund, wieso in Zürich so viele Malven blühen. Diese Blume war die erste Pflanze, die der 65-Jährige Mitte der 1980er Jahre in Zürich aktiv verbreitete.

Maggi Guerilla Gardening

Maurice Maggi posiert mit den Malven, die er in Zürich verbreitet hat. Bild: Anita Affentranger / Instagram oliv Zeitschrift

Damals wohnte er im Kreis 6 und markierte seinen Weg zu Freunden in anderen Quartieren mit einer Spur von neuen Blumen. Anfangs schnitt das Gartenbauamt (heute Grün Stadt) Zürich die Pflanzen noch zurück, doch mit der Zeit liess es Maggis Blumen frei blühen. Die Anwohnerschaft war von der neuen Blütenpracht begeistert und einige entzückte Passantinnen schrieben Dankesbriefe an die Stadt. So wurde Maggi zu einer lokalen Berühmtheit und wurde vor einigen Jahren von der Stadt sogar eingeladen, seine Vorstellungen von einer Stadt-Begrünung zu schildern.

Inzwischen sät Maggi etwa 50 Pflanzenarten in Zürich, darunter Wiesensalbei, Steinklee, Margeriten und wilde Karotten. Viele der Pflanzen sind essbar, geniessbar oder können als Heilmittel verwendet werden. Der gelernte Koch und Landschaftsgärtner teilt in seinen meist kostenlosen Workshops seine Kochkenntnisse sowie neue Anstösse fürs Guerilla Gardening. Obwohl diese Bewegung bereits vieles geleistet hat, haben die meisten Städte noch viel Potenzial für mehr Grünflächen und Pflanzenvielfalt.

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1 Kommentare

Helvetic T-Rex 17. November 2022 - 20:22

Ich bin seit rund 30 Jahren ein begeisterter Guerilla Gärtner. Dies zur Hauptsache in der Stadt Zürich und Agglomeration. Zur Aussaat verwende ich vor allem verschiedene Gemüsesamen, Getreidesamen, Hanfsamen (als Vogelfutter gekauft) sowie Schlafmohnsamen den ich legal in der Migros und Coop kaufe.
Ich begrüne zur Hauptsache öffentlichen Grund sowie nahe gelegene Wälder.

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