Natur

Droht uns eine Waschbären-Invasion?

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Mit ihren langen Fingern und Krallen knacken die Waschbären Schlösser wie Nüsse. Bild: marclschauer / Depositphotos

Was in Deutschland bereits der Fall ist, wird in der Deutschschweiz immer mehr zur Sorge: In den Wäldern und Wohngebieten scheint die Zahl an maskierten Vierpfotern anzusteigen. Da Waschbären als invasiv gelten, sollte die Bevölkerung nach ihnen Ausschau halten und dürfen die Tiere gar getötet werden.

Waschbären sind echte Lieblinge auf Social Media, wo niedliche Videos von ihnen Herzen im Sturm erobern. Die kuscheligen Tiere sind aber nicht nur süss. Sie gehören zu den intelligentesten Tierarten und sind echte Multitalente. Waschbären sind begabte Kletterkünstler und befreien sich mit links aus Käfigen, indem sie mit ihren Krallen Schlösser knacken. Sie können sich auch hervorragend verstecken, nicht zuletzt dank ihres grauen Fellmusters, weswegen sie oft über lange Zeit hinweg unbemerkt bleiben. Hat sich aber eine Waschbärenfamilie einmal in der Region angesiedelt, wächst die Anzahl ihrer Mitglieder schnell. Da sich die maskierten Bären so gut verstecken können, ist es nicht immer einfach einzuschätzen, wie viele von ihnen tatsächlich umherstreifen.

Waschbären stammen ursprünglich aus Nordamerika, wurden aber vor etwa einem Jahrhundert zur Pelzproduktion nach Europa gebracht. Da die Tiere aus allen möglichen Käfigen ausbrechen, haben sie sich schnell in der Natur ihren Platz ergattert. In den 1930ern wurden sogar einige Waschbären absichtlich in Europa ausgesetzt, um die Fauna zu erweitern. Was im ersten Moment nach einer guten Idee klingt, stellte sich als Problem für die Umwelt heraus.

Eine invasive Art

Da Waschbären nicht in die europäischen Längengrade gehören, bedeuten sie eine Störung für die hiesige Flora und Fauna. Zum Beispiel können sie Nester von gefährdeten Vogelarten plündern, verwüsten zudem nicht selten Gärten und Felder. Auf Nahrungssuche durchwühlen sie auch Müllhalden, reissen vor die Tür gestellte Müllsäcke auf und sorgen dabei für eine Sauerei. Als natürlichen Feind in Europa kennt der Waschbär lediglich den Uhu. Entsprechend können sich Waschbärenfamilien stark ausbreiten und gelten als invasiv.

Trashpanda

Waschbären gelten als Kulturfolger, was bedeutet, dass sie gern nah am Menschen leben. Bild: willbrasil21 / Depositphotos

Im Sinne der Vorsorge gegenüber der lokalen Umwelt ist es deswegen seit 2016 in der ganzen Schweiz erlaubt, die Tiere zu fangen und zu töten. Im Kanton Aargau machen mittlerweile die ersten Jäger ihre Flinten für die kleinen Müllräuber bereit und im Kanton Baselland werden sie bereits erlegt. Auch in den Kantonen Zürich und Luzern wurden in den letzten Monaten vermehrt Waschbären gesichtet. Wenn eine Sichtung in Luzern gemeldet wird, versucht der Kanton festzustellen, ob wirklich ein Waschbär unterwegs ist. Ebenfalls wird dann eine Jagdgesellschaft informiert, damit sie Ausschau halten kann.

Bevölkerung wird sensibilisiert

Der Wildhüter des Kantons Luzern Christian Hüsler erklärt, dass jährlich nur etwa eine Meldung bezüglich eines Waschbären eintrifft. Jedoch wurden in den vergangenen paar Monaten drei Sichtungen an drei verschiedenen Stellen gemeldet. Dies könne aber darauf zurückgeführt werden, dass Medien in dieser Zeitspanne vermehrt über Waschbären berichtet haben und die Bevölkerung somit für dieses Thema sensibilisiert wurde. Entsprechend ist es laut Hüsler nicht klar, ob die Population tatsächlich gewachsen ist.

«Da im Kanton Luzern kaum Waschbären gehalten werden, wird davon ausgegangen, dass sie nicht einem Gehege entwischt sind», so der Wildhüter. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass die Tiere versehentlich als blinde Passagiere in die Zentralschweiz transportiert wurden, zum Beispiel auf einem Lastwagen oder per Bahn. Auf diesem Weg wurden und werden nach wie vor auch andere invasive Pflanzen und Tiere unbeabsichtigt verbreitet.

Waschbär Mensch füttern

Mit ihren langen Fingern und Krallen knacken die Waschbären Schlösser wie Nüsse. Bild: marclschauer / Depositphotos

«Wenn man einen Waschbären entdeckt, sollte man der lokalen Wildhut möglichst zeitnah eine Meldung machen», so der Wildhüter. Dabei wird der genaue Ort, die Zeit und die Anzahl beobachteter Tiere angegeben, sowie die eigenen Kontaktdaten. Ist man unsicher, um welches Tier es sich handelt, können Bewohnende des Kantons Luzern bei der Umweltberatung kostenlos eine Wildtier-Fotofalle ausleihen.

Bitte nicht füttern

Um die Waschbärenpopulation möglichst niedrig zu halten, sollte man vor allem Gelegenheiten für Nahrung für die Tiere minimieren. Das bedeutet, dass Mülltonnen gut verschlossen, Obstbäume mit einer Blechmanschette geschützt und Komposthaufen frei von Fisch, Fleisch und Milchprodukten gehalten werden sollten. Ebenfalls mögen Waschbären – wie auch andere Tiere wie Füchse und Ratten – Katzen- und Hundefutter, weswegen dieses nicht nach draussen gestellt werden sollte.

Waschbären sollten insbesondere auch deswegen nicht gefüttert werden, weil sie schnell halbzahm werden. Sie haben auch ein hervorragendes Erinnerungsvermögen, was bedeutet, dass sie sich den Fütterer merken und aufdringlich mehr Futter verlangen können. Auch sollten Löcher, durch die ein Waschbär ins Haus geraten könnte, gut verschlossen werden. Bereits ein stabiles, feinmaschiges Gitter schützt das Haus vor pelzigen Eindringlingen wie Mardern und Siebenschläfern, wie die Umweltberatung Luzern empfiehlt.

Bisamratte

Auch andere Tiere wie die nordamerikanische Bisamratte gelten in der Schweiz als invasiv. Bild: pictureguy / Depositphotos

In der Schweiz wurden Waschbären zum ersten Mal in den 1970er-Jahren in freier Wildbahn gesichtet. Es handelt sich um eine Art aus Nordamerika, deren Tiere im 20. Jahrhundert aus Gefangenschaft geflohen sind oder absichtlich ausgesetzt wurden, um die Fauna zu bereichern. Übrigens ist der graugestreifte Vierpfoter nicht der einzige pelzige invasive Bewohner der Schweizer Wälder. Auch die nordamerikanische Bisamratte, die südamerikanische Nutria und der ostasiatische Marderhund haben sich in die Schweiz verirrt, lassen sich jedoch nur sehr selten blicken.

In der Dämmerung und nachts kriechen Waschbären aus ihren Verstecken und begeben sich auf Nahrungssuche. Während sie in der Stadt gut überleben können, ist ihr natürlicher Lebensraum eigentlich der Wald. Da sie eine Vorliebe für feuchte Gebiete haben, lassen sie sich des Öfteren entlang von Flussufern oder in der Nähe von Bewässerungsanlagen für Nutztiere blicken. Waschbären machen sich gerne ein Zuhause in hohlen Bäumen und nisten sich in verlassene Dachs- oder Fuchsbaue ein. Die Tiere sind nicht sehr wählerisch, was ihre Verstecke anbelangt, weswegen sie es sich auch gerne in Felsspalten, dichtem Gestrüpp, Garagen und Gartenhäuschen gemütlich machen.

Interessantes zu den Waschbären 

- Waschbären verfügen über einen ausgezeichneten Hörsinn. Sie können sogar Regenwürmer unter der Erdoberfläche hören und buddeln sie dann aus. 

- Die typische Waschbärenmaske kriegen die Tiere sehr früh – bereits wenige Tage nach der Geburt lässt sie sich erkennen. 

- Im Winter halten sie Winterruhe, wobei sie bis zur Hälfte ihres Körpergewichts verlieren können. 

- Waschbären sind hervorragende Kletterer und können ihre Füsse um bis zu 180 Grad drehen, um besser zu greifen und ihre Krallen zum Abbremsen zu nutzen.
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Wenn ich nicht gerade an einem Artikel für FonTimes schreibe, kann man mich beim Lesen, Zeichnen und natürlich beim Yoga erwischen. Als gelernte Übersetzerin begeistere ich mich für Sprachen und bin immer für eine Tasse Tee zu haben.
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