Mit Humor, Empathie und ohne Babysprache

Der richtige Umgang mit der Demenz

Die Zahl der Demenzerkrankungen steigt Jahr für Jahr, im Kanton Luzern sollen es 2035 schon über 10’000 Menschen sein, die an einer solchen leiden. Entsprechend gewinnt auch die Freiwilligenarbeit in diesem Zusammenhang immer stärker an Bedeutung. Die passende Kommunikation mit dementen Personen kann dabei erlernt werden.

Mitte Juni trafen sich im Guido A. Zäch Institut in Nottwil verschiedene AkteurInnen aus dem Demenzbereich. Anlass dafür war die fünfte «Plattform Demenzstrategie», durchgeführt vom Kanton Luzern in Zusammenarbeit mit dem Verein Alzheimer Luzern, der sich für die Anliegen von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen engagiert. Das Thema der diesjährigen Veranstaltung waren die Freiwilligen und ihr Engagement für Menschen mit einer Demenzerkrankung.

Ein Aspekt, der nicht nur aufgrund des Pflegenotstands an Bedeutung gewinnen wird. So sind die weltweit rasant steigenden Zahlen, was Demenzerkrankungen anbelangt, mehr als besorgniserregend und auch die Schweiz bildet hierbei keine Ausnahme. Aktuell leben hierzulande 150’000 Menschen mit Demenz, wobei jährlich 32’200 Neuerkrankungen hinzukommen. Das heisst, alle 16 Minuten erkrankt jemand neu an Alzheimer oder einer anderen Demenz. Im Jahr 2050 sind voraussichtlich 315’400 Menschen an Demenz erkrankt, denn der grösste Risikofaktor ist das Alter und dass die Bevölkerung immer älter wird, ist dabei kein Geheimnis. Auch im Kanton Luzern sind die Zahlen steigend. 2022 lebten schätzungsweise rund 6’500 Personen mit Demenz. 2035 dürften es bereits über 10’000 sein, die im Kanton Luzern an einer Demenzerkrankung leiden.

Damit man selbst nicht ausbrennt

Gerade bei früheren Demenzstadien möchten viele Erkrankte weiterhin zuhause wohnen, wobei sie je länger je stärker auf Unterstützung angewiesen sind. Diese erfolgt oftmals durch das nahe Umfeld wie vom Partner oder der Partnerin. Für jene kann die Situation mit der Zeit jedoch sehr belastend werden und Geduld und Energie können irgendwann aufgebraucht sein. Damit es nicht so weit kommt, sollte man sich um die nötige und entlastende Unterstützung kümmern, um eine Verteilung auf mehreren Schultern zu ermöglichen.

Demenz, alte Frau packt Laptop in Mikrowelle

Der Laptop landete aus Versehen in der Mikrowelle? Halb so wild, ist ja nichts passiert. Bild: AndrewLozovyi / Depositphotos

Eine Möglichkeit hierbei ist das Zurückgreifen auf freiwillige HelferInnen. Möchte man sich auf der anderen Seite als Freiwillige/r engagieren, gibt es mehrere mögliche Anlaufstellen, wie Karin Meier, Geschäftsleiterin von Alzheimer Luzern und Mitorganisatorin der «Plattform Demenzstrategie», erklärt. «Am besten wendet man sich an das Schweizerische Rote Kreuz oder an Benevol, da diese auf verschiedene Freiwilligenangebote spezialisiert sind.» Dazu gehören Besuchs-, Fahr- und Entlastungsdienste. Alzheimer Luzern fokussiert sich derweil insbesondere auf die Sensibilisierung der Bevölkerung rund um Demenzthemen.

Unterstützung von aussen

Wer sich als Freiwillige/r engagieren möchte, sollte bestimmte Eigenschaften mitbringen, damit der Umgang mit Demenzbetroffenen gelingen kann. Dazu gehören das Aufbringen von Geduld, gutes Zuhören, Empathie und Offenheit sowie das Zeigen von Verständnis. «Und man sollte ein Grundwissen über Demenz haben», wie Meier ergänzt, «insbesondere bei Entlastungsdiensten».

Karin Meier Profilbild

Karin Meier weiss, dass bei Demenzerkrankten die Gefahr besteht, dass sie sich isolieren und dadurch das soziale Netzwerk verlorenzugehen droht. Bild: zVg

Offenheit ist insbesondere deshalb zentral, weil sowohl der Krankheitsverlauf als auch die Betreuung in den eigenen vier Wänden sehr individuell ist. Gerade in einem früheren Demenzstadium kommt es zudem nicht selten vor, dass sich die Betroffenen gegen eine Abklärung, die zu einer Diagnose führen würde, sperren und sich weigern, die Krankheit einzugestehen. «In einem solchen Fall sind den Angehörigen die Hände gebunden», erklärt Karin Meier. Gerade gegenüber dem eigenen Partner oder der Partnerin sei die Aufgeschlossenheit oftmals weniger gross. «Entsprechend kann es helfen, wenn der Nachbar, eine gute Freundin oder der Enkel das Gespräch mit der Betroffenen sucht.»

Das Verhalten ist valide

Nicht nur dabei spielt die Art der Kommunikation eine entscheidende Rolle, sondern generell im Umgang mit Demenzbetroffenen. Einen spezifischen Ansatz diesbezüglich verfolgen die Adullam-Pflegezentren in Basel und Riehen: jenen der Validation nach Feil, entwickelt von der amerikanischen Gerontologin Naomi Feil. Die Theorie und Methode beruht auf dem Grundsatz, dass sich Menschen mit Demenz nie grundlos so verhalten, wie sie es tun. Ihr Verhalten ist in jedem Augenblick «gültig», sprich valide, weil darin echte Gefühle und Bedürfnisse zum Ausdruck kommen.

Die Adullam Stiftung ist eine autorisierte Validationsorganisation (AVO) und vermittelt die Validation nach Feil in Einführungskursen, Weiterbildungen und der zertifizierten Worker-Ausbildung. Der Basiskurs dauert drei Tage, der Anwenderkurs neun Monate. Schweizweit gibt es 15 bis 20 AVO-TrainerInnen. Eine davon ist Madlen Richter von der Adullam Stiftung. Sie betont, dass sich ihr Fort- und Weiterbildungsprogramm nicht nur an Angehörige von Personen mit Demenz richtet, sondern auch an freiwillige Helferinnen, Seelsorger und Menschen mit Kontakt zu desorientierten Patientinnen sowie Bewohnern.

Das Bedürfnis steht im Vordergrund

Ein Charakteristikum der Validation nach Feil ist, dass die Betroffenen nicht an der Realität orientiert und korrigiert werden. Richter nennt ein Beispiel: «Wenn eine demente Person das Gefühl hat, sie müsse nach Hause, um für ihre Kinder zu kochen, erklären wir ihr nicht, dass ihre Kinder doch längst erwachsen sind und nicht mehr von der Schule nach Hause kommen, da es keinen Sinn machen würde, sie an unsere Lebensrealität erinnern zu wollen. Das Hirn schafft diese kognitive Leistung gar nicht mehr.» Vielmehr nehme man das Gefühl respektive Bedürfnis der Person wahr: Gebraucht zu werden und die Sorge um ihre Kinder.

Durch diesen Ansatz, nicht auf Defizite und Fehler hinzuweisen, senke man das Stresslevel der Betroffenen. Wobei dies nicht nur für jene in einem fortgeschrittenen Stadium gilt. «Zu Beginn spürt die Person, dass etwas nicht mehr stimmt, will sich dies aber oftmals nicht eingestehen, weist die ‹Schuld› von sich», so Richter. Dann braucht es nicht nur viel Verständnis der Mitmenschen, sondern auch Empathie, um sich in das Gegenüber hineinzuversetzen.

Madlen Richter Profilbild

Madlen Richter sagt, dass sie der Umgang mit der Validation nach Feil massgeblich beeinflusst hat. Bild: zVg

Sowohl während der Ausbildung als auch bei der Anwendung der Validation nach Feil lerne man auch viel über sich selbst. «Man ist Teil der Kommunikation, macht eine eigene Entwicklung durch, kann im Alltag Situationen differenzierter wahrnehmen und achtsamer werden», erklärt Madlen Richter. Das Lernen der Grundsätze der Validation vergleicht sie mit dem Lernen einer Fremdsprache, wobei man erst die Grundlagen und Theorie erlernt, um diese anschliessend in praktischen Beispielen anzuwenden. In den Kursen wird unter anderem mit Rollenspielen gearbeitet, wobei diese auch gefilmt werden, damit die Teilnehmerinnen im Anschluss auch ihre Gestik und Mimik studieren können. Weitere Kernelemente sind eine Kommunikation auf Augenhöhe, sprich, Babysprache gilt es zu vermeiden, die Sprache und Stimme wird dem Gegenüber eins zu eins angepasst und ganz wichtig: Der Humor sollte nicht vergessen gehen. Damit sowohl den Menschen mit Demenz als auch ihren Mitmenschen die Lockerheit im Umgang mit der Krankheit nicht abhandenkommt.

Demenz Meet Luzern

Das Demenz Meet Luzern ist ein Treffen für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Unter dem Motto «Leichte Stunden zu einem schweren Thema» bietet die Veranstaltung Raum für Begegnung, Austausch und Vernetzung. Organisiert wird es unter anderem von Alzheimer Luzern und der Stiftung «Der rote Faden». Nächstes Durchführungsdatum ist Samstag, 2. September, von 9 bis 16 Uhr, in der Lukaskirche Luzern. Das Tagesticket kostet pro Person 90 Franken.

 

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