Regionale Filme fördern und fordern

Filmförderung in der Zentralschweiz

Es sind vor allem die kleineren Filmprojekte, die mit ihren Themen die kulturelle Identität einer Region widerspiegeln. Damit die Vielfalt der Schweiz auch auf der Leinwand erkennbar bleibt, benötigt es finanzielle Unterstützung. Das haben inzwischen auch die Zentralschweizer Kantone erkannt.

Als am Ende des diesjährigen Zurich Film Festival ein Gewinner im Wettbewerb der Filme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gekürt wurde, schaute die Zentralschweiz wieder nur zu. Während KünstlerInnen aus und in Zürich sowie Genf mehrfach vertreten waren. In diesem Jahr beschlossen auch die Zuger Filmtage ihr Aus – beziehungsweise ihre Reformation vom Festival zur ganzjährigen Anlaufstelle. Und im September konnten die SRF-ZuschauerInnen mitansehen, wie das Zürcher Tatort-Kommissarinnen-Duo Grandjean und Ott erstmals zur Höchstform auflief – das, nachdem der Luzerner Tatort 2019 seinen letzten Fall in der Zentralschweiz löste.

Vor allem aus der Dokumentarfilmecke hat man Stimmen gehört, dass es immer schwieriger wird, rund um den Vierwaldstättersee als professionelle Filmschaffende zu arbeiten. Während in Zürich, Bern oder der Romandie Millionenbeträge in die Förderung von Filmen wandert, wurde hier lange um Reformen gerungen. Dabei ist das Filmemachen immer teurer geworden, vor allem aufgrund der gestiegenen Produktionskosten und der Professionalisierung des Filmemachens bis auf die unterste Ebene. Das Versprechen, dass in Zukunft jeder mit seinem iPhone Filme drehen könne, ist in der Realität nicht ganz wahr geworden.

Vielfalt auf der Leinwand

Wenn man den Schweizer Film komplett dem Markt überliesse, würde Michael Steiner natürlich immer noch Filme ins Kino bringen, aber die kulturelle Vielfalt der Schweiz würde nicht mehr abgebildet werden. Es braucht nicht nur den kleinen Dokumentarfilm über das Ägerital neben dem grossen Kassenschlager, es hat auch Platz dafür. Und damit diese auch zukünftig noch produziert und gedreht werden können, benötigt es eine bessere Filmförderung.

Münzen auf Tisch neben Filmrolle und Filmklappe

Die Kosten für die Filmproduktion sind im letzten Jahrzehnt gestiegen. Bild: kanzefar / Depositphotos

«Das Schweizer Filmschaffen wird hauptsächlich aus drei Quellen gefördert: Neben dem Bundesamt für Kultur (BAK) und dem Schweizer Fernsehen SRG unterstützen regionale und kantonale Stellen beziehungsweise Stiftungen audiovisuelle Produktionen in der Schweiz», erklärt Albin Bieri, Projektleiter Film-/Video-/Museums- und Fotoförderung beim Kanton Luzern. Auch er bestätigt, dass vor allem Filme mit regionalen Themen – welche die kulturelle Identität der Region widerspiegeln – auf eine relativ hohe regionale Filmförderung angewiesen sind.

Zentralschweizer Aufholjagd

Wenn man sich die Entwicklung der ausgezahlten Filmfördergelder der sechs Zentralschweizer Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug ansieht, kann man einen ersten positiven Trend entdecken. So wurden 2019 – vor der Pandemie – 606’800 Franken in die Entwicklung und Herstellung von Filmen investiert. Im vergangenen Jahr betrug die Gesamtsumme bereits 962’090 Franken. Laut Bieri können die jährlichen Fördersummen zwar projektbedingt unterschiedlich ausfallen, seit Januar 2021 greifen allerdings neue Richtlinien, welche auch in höheren Förderbeträgen resultieren. «Dies ermöglicht, dass Projekte zu besseren Konditionen gefördert werden können», erklärt er.

Aktuell arbeiten die Kulturbeauftragten der Zentralschweizer Kantone bereits an einer Optimierung der Förderrichtlinien und vor allem der Kanton Luzern möchte das Förderbudget bis 2026 substanziell aufstocken. «Insofern werden sich die Produktionsbedingungen verbessern», sagt Bieri. Langfristig könne man so auf Augenhöhe mit den Filmstandorten Basel oder Bern kommen.

Bei der Aktualisierung der Fördersysteme geht es auch um die Veränderung unseres Medienkonsums. Die Schweizer Kinos erleben dank «Barbie» und «Oppenheimer» ein aufmunterndes Geschäftsjahr, aber die Streamingplattformen beherrschen weiterhin weite Teile des Medienkonsum und -diskurses. Filme konkurrieren heute nicht mehr mit anderen Filmen, sondern auch mit Social-Media-Plattformen wie TikTok und Youtube. Und grosse Konkurrenz gibt es auch, wenn man sich in der Schweiz um Fördergelder bemüht. «Im Verhältnis zum Markt und den zur Verfügung stehenden Fördermitteln werden eine hohe Anzahl Fördergesuche gestellt», erklärt Bieri.

Von Zug nach Bosnien

Erfolg bei der Suche nach Fördergeldern hatte der Dokumentarfilm «Babyblu» der Zürcherin Edith Werffeli. Vom Kanton Zug erhielt sie 30’000 Franken und auch die Stiftung Landis & Gyr unterstützte die Regisseurin. Bis zur Premiere im Juni 2022 und der Teilnahme am Sarajevo Film Festival war es allerdings ein langer Weg. Werffeli begann bereits 2019 mit dem Projekt, welches sich pandemiebedingt verzögerte. Durch ein Stipendium der Stiftung Landis & Gyr konnte die Kulturanthropologin ihre Recherchen für den Film über ein persönliches Schicksal der Jugoslawienkriege mitfinanzieren (siehe Box).

Filmposter von «Babyblu»

«Das letzte Erinnerungsstück» lautet der Untertitel von «Babyblu». Bild: zVg

«Wenn man sich um Fördergelder in der Schweiz bemüht, ist es immer gut, wenn man bereits Unterstützung von einer Seite hat. Dann sind auch andere Akteure eher bereit, Geld zu investieren», erklärt Werffeli einen positiven Effekt des Stipendiums. Am Ende ist Filmemachen auch eine Berufung, bei der ein starkes Netzwerk extrem hilfreich sein kann. «Man muss beweisen, dass man es kann», fügt Werffeli hinzu, für die es erst der zweite Dokumentarfilm war.

Da für «Babyblu» extra eigene Musik komponiert wurde, bemühte sie sich auch hierfür um Fördergelder und erhielt zum zweiten Mal Unterstützung von der Stiftung Landis & Gyr, welche normalerweise nicht in Filme investiert. Der Bewerbungsprozess sei für Werffeli sehr unkompliziert gelaufen und der Film profitiere immens von dem Score. Ohne die regionale Förderung hätte das Projekt in dieser Form nicht entstehen können.

Unter 90 Minuten machen wir es nicht

Dass das Projekt keine Gelder vom Bund oder vom Kanton Zürich erhalten hat, liegt für die Regisseurin auch am System. «Die Förderungssysteme sind meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäss. Ein Kriterium auf dieser Ebene ist, dass der Film ins Kino kommen muss. Aber dafür muss er über 90 Minuten lang sein und das ist für einen Dokumentarfilm nicht mehr zeitgemäss», so Werffeli. Mit einer Laufzeit von 50 Minuten zählt «Babyblu» natürlich als Langfilm, erfüllt aber nicht den geltenden Kinostandard.

Voller Zuger Kinosaal, Edith Werffeli vor der Leinwand

«Babyblu» sorgte in Zug für einen vollen Kinosaal. Bild: zVg

Aufgrund der hohen Nachfrage wurde aus dem Premierenabend in Zug dann sogar zwei Vorstellungen. Heute erreichen die Regisseurin immer wieder Anfragen aus dem universitären Umfeld. So lief der Film bereits in Freiburg, Göttingen, Luzern und zuletzt an der Pädagogischen Hochschule Zug. «Für eine richtige Vermarktung fehlt mir allerdings das Budget», ergänzt Werffeli. Denn die Kosten für einen Film hören nicht mit dem letzten Drehtag auf.

Babyblu – Das Letzte Erinnerungsstück (2022) 

Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte der Familie Šabanović, die vor 30 Jahren von Bosnien-Herzegowina in die Schweiz flüchtete. Das Publikum begleitet die Familie an ihre Erinnerungsorte in Bosnien sowie an ihre Wirkungsorte in Zug. Dabei geht es um die kulturelle Identität und Zugehörigkeit. Als roter Faden dient das einzige Erinnerungsstück von vor dem Krieg – der Strampelanzug des ältesten Sohnes Alen.

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