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Schweizer Senioren drängen ins Internet

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Auch die Familie kann sich Zeit für technische Fragen nehmen. Bild: Depositfotos/monkeybusiness

Die Coronapandemie beschleunigt die Digitalisierung noch schneller. Wer heute noch offline ist, kann sich dabei schnell ausgegrenzt fühlen. Damit wirklich alle ihren Weg ins Netz finden, gibt es für Senioren spezielle Angebote für Grundlagen und Weiterbildung.

Der Wecker auf dem Smartphone klingelt, wir lesen die ersten Push-Meldungen der Nachrichtenapps, bezahlen unseren Kaffee mit einer der unzähligen Zahlungsapps und zeigen dem Kontrolleur im Zug den QR-Code des digitalen Billetts. In fast allen Situationen würden wir es ohne Smartphone kaum mehr durch den Alltag schaffen. Es ersetzt Autoschlüssel, Portemonnaie, Ausweis und so vieles mehr. Die Coronapandemie hat diese Entwicklung noch zusätzlich beschleunigt. Das Billett soll nicht mehr am Automaten gekauft werden, auf Bargeld möglichst verzichtet und seit ein paar Monaten gibt es mit dem Covid-Zertifikat ein zusätzliches Dokument, das am besten in seiner digitalen Form funktioniert. Nicht nur UnternehmerInnen wissen: Die Pandemie ist aktuell der Digitalisierungstreiber Nummer 1.

Doch was passiert mit denjenigen, die nicht mit dem Internet und Smartphones aufgewachsen sind? Diejenigen, die plötzlich ihr allererstes Betriebssystem auf einem kleinen Endgerät entdecken müssen. In der Wirtschaft hat man die Gruppe der über 50-jährigen Internetuser liebevoll «Silver Surfer» getauft. Im besten Alter mit leicht ergrauten Haaren stehen sie dabei aber nicht für alle Internetanfänger, schliesslich gibt es das Web in seiner kommerziellen Form bereits seit fast 30 Jahren.

Fast alle SchweizerInnen sind online

Die Zahl der Schweizer InternetnutzerInnen wächst kontinuierlich und das in allen Altersschichten. Bei der letzten grossen Erhebung des Bundesamtes für Statistik im Jahr 2019 waren es 93 Prozent der Schweizer und Schweizerinnen. Bei den 65- bis 74-jährigen Webanwendern, also der goldenen Mitte der Silver Surfer, waren es satt88 Prozent. Mit einer Zunahme von 11 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Bei der Altersgruppe ü75 sind es dann allerdings nur noch 58 Prozent, die das Internet nutzen. Hier betrug das Plus dafür sogar 13 Prozent gegenüber der vorherigen Erhebung.

2021 wurde zudem untersucht, wie häufig die verschiedenen Altersgruppen das Internet nutzen. Über die Hälfte der Personen ab 75 Jahren surft täglich im Netz. Bei der angrenzenden Altersgruppe zwischen 65 und 74 Jahren waren es drei Viertel der Befragten. Allerdings gehören zur aktiven Nutzung des Internets nicht nur ein Browser und ein Endgerät. Denn gemessen wurde zudem die digitale Kompetenz der Menschen.

Senioren beim Onlineshopping

Silver Surfer zählen zur kaufkräftigsten Gruppe beim Onlineshopping. Bild: Depositfotos/bernardbodo

Dafür wurde die Onlineerfahrung in vier Bereiche eingeteilt: Information, Kommunikation, Problemlösung und die Verwendung von Software. Die Schweiz liegt dabei auf alle Altersgruppen bezogen weit über dem Durchschnitt der 28 EU-Mitgliedsstaaten und knapp vor den deutschsprachigen Nachbarn Österreich und Deutschland. Allerdings lässt sich auch hier eine Faustregel ablesen: Je höher das Alter, desto geringer ist der Anteil derjenigen, die über eine digitale Grundkompetenz verfügen.

Dabei ist das Interesse an der digitalen Teilhabe bei der älteren Generation durchaus vorhandenEine Studie der Berner Fachhochschule kam zu dem Schluss, dass es bei den über 60-jährigen SchweizerInnen ähnliche Bedürfnisse und Motive zur Nutzung von Online-Communities gibt, so wie dies in allen anderen Altersgruppen der Fall istDie am häufigsten genannten Hürden für eine digitale Teilhabe waren eine mangelhafte Benutzerfreundlichkeit und eine Kommunikation, die sich nicht an die SeniorInnen richtet.

Fit für den digitalen Alltag

In konkrete Zahlen übersetzt, gibt es in der Schweiz immer noch 400‘000 Senioren und Seniorinnen, die das Internet nicht nutzen. Damit hat sich die Zahl seit 2010 zwar halbiert, heisst es in der Studie Digitale Senioren 2020 von Pro Senectute Schweiz, die Menschen über 80 bleiben aber weiterhin grösstenteils offline. Am erfolgreichen Beispiel der Fitness-Armbänder mit Gesundheits-Apps zeigt sich allerdings, dass es nur das richtige Angebot braucht, um ältere Menschen an die digitale Welt heranzuführen.

Nicht nur Pro Senectute möchte dabei mit verschiedenen Kurs- und Workshopangeboten neue Lernmöglichkeiten für wissbegierige Silver Surfer schaffen. Die Bibliothek Zug hat das Programm DigiFit ins Leben gerufen. In Kursen sollen dabei Menschen mit Tipps und Tricks fit für den digitalen Alltag werden.

Gemeinsam lernen

Mitverantwortlich dafür ist Erica von Flüe, die bei der Bibliothek Zug für Kommunikation und Veranstaltungen verantwortlich ist. «Eigentlich wollten wir schon 2020 mit dem Projekt starten, doch dann kam der erste Lockdown im Frühjahr», erzählt von Flüe. Mit Verspätung gestartet, fand der vorerst letzte Kurs im Dezember statt. Nach ihrer Planung und Konzeption haben sich interne MitarbeiterInnen der Bibliothek gefunden, die Interesse am Thema und der Durchführung der einzelnen Kurse hatten.

Die einstündigen Veranstaltungen in der Bibliothek drehten sich jeweils um ein konkretes Thema aus der digitalen Welt. Dazu gehörten etwa das Streaming von Musik und Filmen, die digitale Telefonie über Apps oder die richtige Benutzung einer Suchmaschine. Das Einzige, was die TeilnehmerInnen für die kostenlosen Kurse brauchten, war ein eigenes Tablet oder Smartphone. Allerdings konnte auch 2021 coronabedingt nicht jeder Kurs wie geplant durchgeführt werden. Und auch die Nachfrage vor Ort war in der Pandemiezeit laut von Flüe durchschnittlich.

Die anwesenden TeilnehmerInnen profitieren aber von den angebotenen Kursen. «Es geht um das Ausprobieren und Weiterführen der bestehenden Kenntnisse», sagt von Flüe. Nach den Lektionen konnten die SeniorInnen in aller Ruhe weiter die Räumlichkeiten nutzen, um sich gegenseitig weiterzuhelfen und zusätzliche Fragen an die Kursleitung zu stellen. «Es gibt bei den älteren Menschen doch eine Menge Respekt gegenüber dem Internet und gleichzeitig eine grosse Lust, Neues zu lernen», erzählt von Flüe. Aus diesem Grund seien Angebote wie DigiFit so wichtig. «Wir als Bibliothek möchten die Silver Surfer unterstützen, Wissen in der digitalen Nutzung vermitteln, die Grundlagen auf eine einfache Art erklären, damit sie sich nicht mehr abgehängt fühlen», erklärt sie. Die Zielgruppe der SeniorInnen soll in gleichem Masse an der Gesellschaft partizipieren können.

Begriffslexikon von Silber Salon

Begriffe wie Update, Cookie und Bug finden sich im Begriffslexikon von Silber Salon. Bild: Facebook Silber Salon

Aus diesem Grund möchte man das Programm auch 2022 gerne fortführen. Als Alternative zu den thematischen Kursen vor Ort hat man auch ein Onlineangebot gestartet. Über das Videokonferenzprogramm Zoom wurden hier vor allem die digitalen Angebote der Bibliothek Zug erklärt. Damit auch die älteren Zuger und Zugerinnen von zuhause aus eBooks, Zeitschriften und Filme geniessen können.

Digital und sozial

Wie gross das Bedürfnis nach einer gesellschaftlichen Teilhabe in unserer vernetzten Welt ist, zeigt auch die neue deutschsprachige Bildungsplattform Silber Salon. Mit digitalen Spieleabenden über persönliche Smartphonetrainings bis hin zu speziellen Anleitungen sollen Menschen, die bisher nur offline lebten, an die digitale Welt herangeführt werden. «Viele Lebensbereiche werden rasant digitalisiert, das soziale Leben findet vermehrt online statt, während unsere Gesellschaft altert und vereinsamt», nennt die Gründerin Joya Silva das Problem beim Namen. Damit auch die älteren VertreterInnen der Silver Surfer ihren nächsten Impftermin online buchen können, braucht es genau diese Art von Angebot.

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Als Redaktor schreibe ich Artikel für unsere Zeitungen und unsere Website, durchforste die sozialen Medien und fahre durch die Region, immer auf der Suche nach der nächsten Geschichte. Ausserhalb des Büros findet man mich meistens im Kino oder neben der Südkurve.
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