Interview mit Beni Thurnheer

«Das Kommentieren fehlt mir nicht»

Am 15. Oktober ist es so weit: «Benissimo» kehrt für ein einmaliges Comeback zurück. Dass wiederum Beni Thurnheer durch den Samstagabend führen wird, versteht sich von selbst. Die TV-Legende blickt voller Vorfreude auf seine Rückkehr vor die Kamera, sagt jedoch auch: «Ich weiss nicht, ob ich es immer noch drauf habe

Wer «Beni national» oder «Schnurri der Nation» genannt wird, hat es zweifelsfrei in den Beliebtheitsolymp geschafft. Bernard «Beni» Thurnheer gelang dies mit Wortwitz, Charme und seiner Langlebigkeit hinter dem TV-Mikrofon. Von 1975 bis 2016 kommentierte er für das Schweizer Fernsehen unter anderem 18 Olympische Spiele und acht Fussball-WM-Finals. Hinzu kommen 250 Folgen «Tell-Star» und 103 Mal «Benissimo». Entsprechend begleitete der 73-Jährige mehrere Generationen durch ihr TV-Leben.

Heute trifft man ihn nicht mehr im Fernsehstudio oder in der Kommentatorenkabine an, dafür nach wie vor im Stadion Schützenwiese. Denn Thurnheer ist nicht nur Ur-Winterthurer, sondern bereits seit Kindesbeinen an FCW-Fan. Sein erstes Spiel im Stadion verfolgte er 1956 als Siebenjähriger. Seit dieser Saison spielen die Eulachstädter zum ersten Mal seit 37 Jahren wieder erstklassig. Bislang hat man auf der Schützenwiese jedoch hartes Brot zu beissen. Ein Grund zum Trübsal blasen für Beni Thurnheer?

Herr Thurnheer, der FC Winterthur steht mit zwei Punkten aus acht Spielen auf Platz neun der Tabelle. Wie sehr leiden Sie aktuell mit Ihrem FCW mit?

Überhaupt nicht. Da es heuer keinen direkten Absteiger gibt, ist es die ideale Saison, um in der Super League anzukommen. Der FCW hat das mit Abstand geringste Budget der Liga, da darf man die Erwartungen nicht zu hoch schrauben und entsprechend lässt man sich von der einen oder anderen Niederlage auch nicht entmutigen. Ganz im Gegenteil: Auf der ausverkauften Schützenwiese herrscht immer eine fantastische Stimmung, jedes Spiel ist ein Ereignis.

Sie sind nach wie vor bei fast jedem Heimspiel dabei. Bereiten Sie sich ein Stück weit immer noch darauf vor, als würden Sie das Spiel kommentieren? Mit dem Studieren der Aufstellungen oder dem Informieren über Spieler des Gegners.

Ich bin als Fan im Stadion und verfolge das Geschehen nicht mehr gleich systematisch wie während meiner Kommentatorenzeit. Ein Training des FC Winterthur habe ich beispielsweise noch nie besucht.

Bereits vor dem Aufstieg in die höchste Spielklasse erlebte der Verein einen Anstieg des Zuschauerschnitts. Auch für die Jugendlichen ist ein Besuch auf der Schützenwiese mittlerweile ein Happening. Nun hat der Boom natürlich einen weiteren Schub erfahren. Kann dadurch irgendwann die DNA des FCW darunter leiden?

Langfristig vielleicht. Doch dient nur schon das Stadion mit seinem Charme, seiner Grösse und Lage mitten im Stadtzentrum als Anker, um sich in Erinnerung rufen zu können, woher der Verein kommt. Der Anstieg des Zuschauerschnitts ist auch durch das enorme Bevölkerungswachstum zu erklären, das die Stadt in den vergangenen 20 Jahren erfahren hat. So stieg die Einwohnerzahl von 80’000 auf 120’000 an. Dadurch entsteht automatisch ein zusätzliches Fanpotenzial.

Beni Thurnheer

Viele Schweizerinnen und Schweizer wurden praktisch durch ihr ganzes Fernsehleben von Beni Thurnheer begleitet. Bild: zVg

Verfolgen Sie den Sport heute mit anderen Augen, da die Distanz dazu grösser ist?

Nein, aber ich bin weniger tiefgründig informiert. Hintergrundrecherchen oder das Vorbereiten von Statistiken wie damals kommt heute nicht mehr vor.

Wenn Sie manche Auswüchse des modernen Fussballs sehen und in der Champions League beispielsweise Manchester City auf RB Leipzig trifft. Sind Sie da sogar froh, heute nicht mehr zu kommentieren?

Nein, denn ich habe immer gerne kommentiert. Auf der anderen Seite fehlt es mir auch nicht. Mittlerweile ist es so, dass immer mehr Spiele auf immer mehr Sendern übertragen werden. Da habe ich inzwischen auch keine Übersicht mehr bezüglich der Kommentatoren – mit Ausnahme meiner ehemaligen Arbeitskollegen wie Sascha Ruefer und Dani Kern natürlich. Zumal die Kommentatoren zwar alle gut sind, aber auch alle recht ähnlich kommentieren. Die Charakterköpfe in den Kommentatorenkabinen sind definitiv nicht mehr geworden.

Sie waren als Kommentator und Moderator im Sport und in der Unterhaltung zuhause. Zwei Bereiche, die sich immer näher kommen. So avanciert der Sport verstärkt zu einer Show. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?

Spitzensport ist auch Showbusiness, doch gibt es einen gewichtigen Unterschied, der nicht verloren gehen darf: den ungewissen Ausgang im Sport. Sollte der Sport dieses Element verlieren, wird er viel von seiner Faszination einbüssen. Dass die grossen Fussballvereine durch reiche Geldgeber und Staaten alimentiert werden, ist in diesem Zusammenhang eine ungesunde Entwicklung. Bereits jetzt sind fast immer dieselben Vereine noch dabei, wenn es in der Champions League um die Wurst geht.

Sportkommentator

Der Winterthurer recherchierte die Fakten zu den Akteuren vor den Spielen jeweils selbst. Bild: SRF

Rein im Unterhaltungssektor war «Benissimo» von 1992 bis 2012 zuhause. Am 15. Oktober wird es ein einmaliges Comeback der Sendung geben, das Konzept wird dabei fast identisch bleiben. Wird es für Sie beinahe wieder wie ein erstes Mal sein, nachdem Sie «Benissimo» zehn Jahre lang nicht moderiert haben?

Ich gehe auf jeden Fall mit viel Demut an die Sache heran und freue mich gleichzeitig extrem darauf. Obwohl die Leute sagen, ich könne das bestimmt immer noch locker aus dem Ärmel schütteln, weiss ich natürlich nicht, ob ich es immer noch drauf habe. Denn während ich mich seither quasi nicht weiterentwickelt habe, hat dies die Technik sehr wohl. Nur schon, dass heute alles digital ist, vor zehn Jahren war man noch im analogen TV unterwegs.

Was muss passieren, damit Sie auf die «Benissimo»-Sendung zurückblicken und von einem richtig gelungenen Comeback sprechen können?

Einerseits muss ich selbst mit dem Abend zufrieden sein und im Nachhinein ein gutes Gefühl haben. Auf der anderen Seite ist die Rückmeldung des Publikums entscheidend, wie die Sendung angekommen ist.

Werden die farbigen Kugeln immer noch dieselben sein wie damals?

Ja, es handelt sich um die Originalkugeln.

Noch ist in Bezug auf die Showgäste nichts spruchreif (Stand: 12. September). Ich nehme an, auf Ihrer persönlichen Wunschliste stünde Robbie Williams ganz oben.

Definitiv, doch hat er an diesem Abend leider bereits einen Konzertauftritt in Birmingham. Er trat fünfmal bei «Benissimo» auf und gehörte fast schon so zur Sendung wie die farbigen Kugeln und die Friends.

Beni Thurnheer SRF

Am 15. Oktober wird Beni Thurnheer wieder der Herr über die farbigen Kugeln sein. Bild: SRF

Wie wichtig war Ihnen gleichzeitig das Wahren einer professionellen Distanz zu den ProtagonistInnen, auch wenn man sich immer wieder begegnet ist?

Bei «Benissimo» war dies weniger ein Thema. Doch grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang wichtig, die ZuschauerInnen nicht auszuschliessen.

Wie meinen Sie das?

Wenn offensichtlich ist, dass ich dem Gast sehr nahe stehe, ihn zum Beispiel auch duze, kann die Distanz zum Publikum zu gross werden. Denn es geht nicht um ein persönliches Gespräch, sondern darum, für die ZuschauerInnen unterhaltend oder informierend zu sein.

Gibt es ein Schlupfloch, dass es sich bei der Sendung am 15. Oktober doch nicht um ein einmaliges Comeback handelt?

Ich schaue ja immer, was mein Kollege Thomas Gottschalk tut und versuche, aus seinen Fehlern zu lernen (lacht). Bei «Wetten, dass..?» blieb es eben nicht bei diesem einen Mal, wovon man halten kann, was man möchte. Grundsätzlich bin ich überzeugt davon, dass es einmalig bleiben wird, aber klar: Sag niemals nie.

Weshalb feiern aktuell so viele TV-Sendungen wie «Wetten, dass..?» oder «TV total» ein Comeback? Ist es die Sehnsucht nach alten, einfacheren Zeiten?

Das goldene Fernsehzeitalter dauerte etwa von 1975 bis 2000. Jede/r schaute TV und dieser bildete nicht selten den Mittelpunkt des Familienlebens. Dies hat sich natürlich längst geändert und auch das Durchschnittsalter der ZuschauerInnen ist signifikant höher. Die grössten und erfolgreichsten Sendungen fallen entsprechend auf diese Periode, weswegen man sich an den grössten Hits orientiert und diese reaktiviert. Dies ist in der Musik nicht viel anders, wo gewisse Oldies immer wieder ausgegraben werden.

Tell-Star Thurnheer

250 Mal moderierte er «Tell-Star». Bild: SRF

Wie oft schauen Sie sich heute Sendungen im TV an und denken sich, das hätte ich aber besser kommentiert oder moderiert?

Nie. Nur schon deswegen, weil ich mich dabei falschen Vorstellungen hingeben würde. Denn geht es vor allem als Sportkommentator darum, im Vorfeld Informationen dazu zu sammeln und diese zum richtigen Zeitpunkt an die ZuschauerInnen weiterzugeben. Doch habe ich diese Infos nicht, weswegen ich mir auch keine Beurteilung anmasse. Bei manchen Wortspielen wie beim Lattenschuss von Emmanuel Latte Lath vom FC St. Gallen muss ich hingegen schmunzeln und denke mir, wahrscheinlich hätte ich dabei genau dasselbe gesagt.

Gab es auf der anderen Seite Sendungen oder Spiele, die Sie kommentierten, bei denen Sie hinterher zum Schluss kamen, teilweise einen Schwachsinn zusammengeredet zu haben?

Das muss man pragmatisch sehen. Wie die Akteure selbst, hat man bessere und schwächere Auftritte. Wenn ein Spiel mehr hergibt, fällt auch das Kommentieren leichter. Ist es eine zähe Angelegenheit oder macht man einige Fehler, kann man nicht mehr tun, als beim nächsten Mal versuchen, es besser zu machen.

Zumal das Feedback des Publikums damals noch kein so grosser Faktor war.

Ganz genau, mehr als ein paar Leserbriefe gab es nicht. Heute hauen bei einem Fehler gleich Hunderte in den sozialen Medien in die Tasten und lassen ihren Frust an dir aus. Mein Verständnis dafür hält sich in engen Grenzen.

Sie treten ab und an immer noch auf, halten Vorträge und lesen aus Ihren Büchern vor. Dabei erhalten Sie ein unmittelbares Feedback des Publikums, wissen gleich, ob ein Spruch angekommen ist oder nicht – im Gegensatz dazu, wenn man in der Kommentatorenkabine sitzt. Sind entsprechend andere Qualitäten gefragt, beispielsweise was den Humor anbelangt?

Grundsätzlich kann man in beiden Kontexten seine Persönlichkeit und seinen Humor zum Ausdruck bringen. Dass dieser bei einem Teil des Publikums ankommt und bei einem anderen nicht, ist überall so.

Wie oft werden Sie auf der Strasse noch angesprochen?

Immer noch gleich oft wie früher. Denn zwar bin ich seit einigen Jahren nicht mehr im Fernsehen zu sehen. Doch ist in den letzten 20 Jahren eine befremdliche Entwicklung zu beobachten, die das wieder ausgleicht.

Welche denn?

Die Eigenschaft der Prominenz hat enorm an Bedeutung gewonnen, der Promistatus ist wie eine Währung. Früher wollte man gut in etwas sein und die gesteigerte Bekanntheit war ein Resultat davon. Heute wollen viele um jeden Preis berühmt sein, das Wodurch ist dabei egal.

Mögen Sie es bei Begegnungen, alte Anekdoten auszugraben oder kommen Ihnen dabei aktuelle Themen zu kurz?

Meist wird über Aktuelles diskutiert. Tatsächlich ist es vielmehr so, dass ich aufpassen muss, die Leute nicht mit alten Geschichten zu langweilen, wie es damals vor 40 Jahren war (lacht). Zumal man diese in meinen Büchern nachlesen kann.

Zur Person

Bernard «Beni» Thurnheer studierte an der Universität Zürich Rechtswissenschaften mit dem Lizenziat und fand 1973 den Weg zum Schweizer Radio und Fernsehen, als er unter 1600 Mitbewerbern bei einem Nachwuchswettbewerb für Sportreporter entdeckt wurde. Nach einiger Zeit beim Radio war der Winterthurer 1975 als Präsentator im «Sportkalender» ein erstes Mal vor der Kamera zu sehen. Später folgten Sendungen wie «Sport am Wochenende» und «Sportpanorama» sowie eine langjährige Karriere als Live-Kommentator. So begleitete er unter anderem von 1976 bis 2016 18 Olympische Spiele und er kommentierte acht Fussball-WM-Finals.

Seine Karriere im Unterhaltungssektor begann ebenfalls am Radio, bevor er verschiedene Sendungen am TV moderierte, beginnend mit der «Glückskugel» 1978. Es folgten «Tell-Star» (1980 bis 1991, 250 Sendungen) sowie «Benissimo» (1992 bis 2012, 103 Sendungen). Beni Thurnheer erhielt während seiner Karriere zahlreiche Auszeichnungen, darunter vier Mal den Prix Walo. 2007 wurde er zum «Sportjournalisten des Jahres» gekürt und er gewann den «TV-Star»-Preis als Fernsehpersönlichkeit des Jahres.

Zu seinen Leidenschaften abseits der Fernsehkameras gehören das Reisen und das Schreiben von Büchern. Im Herbst erscheint sein fünftes Werk «Der Sportreporter und die Philosophen». Thurnheer lebt in Seuzach und ist verheiratet mit Kathrin Hildebrand. Aus erster Ehe hat er zwei Söhne (Thomas, 39 und Peter, 37).

Sie haben beruflich und privat schon unzählige Länder besucht, vor Corona waren es deutlich über 90. Haben Sie die 100er-Marke mittlerweile geknackt?

Seit der Pandemie ist die Zahl bei 98 eingefroren. Ich schätze, in den nächsten zwölf Monaten sollte es möglich sein, die 100 vollzumachen. Doch erzwingen tue ich natürlich nichts, wofür auch? In Europa sind mit Moldawien und Kosovo noch zwei weisse Flecken auf der Landkarte.

Flugzeug Reise

Schon bald dürfte Beni Thurnheer bei den besuchten Ländern die 100er-Marke knacken. Bild: Instagram Beni.thurnheer

Welches Land möchten Sie unbedingt noch einmal besuchen?

Da sind meine ewigen Favoriten Australien und USA ganz oben auf der Liste. Ausserdem mag ich es gerne angenehm warm in Kombination mit Sandstränden, weswegen es mir die Südsee- und Karibikinseln angetan haben.

Haben Sie es auf der anderen Seite als Ausgleich gebraucht, wohn- und berufstechnisch stets eine klare Heimat gehabt zu haben mit dem Raum Winterthur respektive dem nahen Leutschenbach?

Es ist in der Tat so, dass ich zwar gerne reise, jedoch auch immer wieder gerne nach Hause komme. Ich brauche einen Ankerpunkt, von dem aus ich zu neuen Destinationen aufbrechen kann. Ohne fixes Zuhause umherzureisen, wäre nichts für mich.

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1 Kommentare

Edith Huber 20. Oktober 2022 - 16:23

Beni ist einfach der König.
Ich freue mich über die Rückkehr von Benissimo riesig.

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