Kultur

Der Körper im Mittelalter als Widerspruch

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Bild: Schweizerisches Nationalmuseum

Der menschliche Körper als Schauplatz von Widersprüchen. Ab Freitag wirft die Sonderausstellung «begehrt. umsorgt. gemartert. Körper im Mittelalter» im Landesmuseum Zürich einen Blick auf den menschlichen Körper im Mittelalter. Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten stösst man inmitten der Religion auf gar nicht so fremde Aktivitäten.

In Zeiten von Selbstoptimierung, Schönheitsidealen und Selfies könnte man meinen, dass die Obsession mit dem menschlichen Körper noch nie so intensiv war wie heute. Doch schon im Mittelalter spielten der Körper und sein Abbild eine zentrale Rolle. Eine Sonderausstellung im Landesmuseum Zürich mit dem Titel «begehrt. umsorgt. gemartert. Körper im Mittelalter» enthüllt ab Freitag, 15. März, die Geheimnisse und Mysterien, die mit dem menschlichen Körper in dieser Ära verbunden waren. Im damals mehrheitlich christlich geprägten Europa in der Zeit vom 10. bis ins ausgehende 15. Jahrhundert wurde der Körper begehrt, gepflegt und glorifiziert, aber auch gemartert, versehrt und geschunden.

Totenmaske vor schwarzem Hintergrund

Im ausgehenden Mittelalter beginnt die Tradition der Totenmasken. Bild: Paris, Musée du Louvre, Département des Objets d’Art

Das Bild des menschlichen Körpers wurde im Mittelalter vor allem durch die Kirche bestimmt. Den Körper betrachtete sie einerseits als Sitz der Begierde und damit der Sünde. Vielschichtig sind die Darstellungen von Begehren mit moralisierendem Hintergrund. Andererseits standen im Zentrum der christlichen Kunst der gefolterte Körper Jesu am Kreuz und das Ideal der jungfräulichen Maria ergänzt mit Darstellungen der auf verschiedene Arten hingerichteten Märtyrerinnen und Märtyrer.

Beliebter Ballsport

Auch im weltlichen Alltag beschäftigten sich die Menschen des Mittelalters nicht weniger mit dem Körper. Frauen und Männer der höheren Stände besassen reich verzierte Handspiegel, puderten sich die Haut, färbten die Haare und hüllten sich in feine Düfte. Auch sportliche Betätigung war beliebt und galt als gesundheitsfördernd. In der Stadt und auf dem Land vergnügten sich Männer wie Frauen an Festtagen mit Laufen, Springen und Tanz. Besonders beliebt waren Turniere, Schiesswettkämpfe und Ballspiele.

Ein gotischer Schuh

Nach der Mitte des 14. Jahrhunderts kommen Schnabelschuhe aus feinem Leder in Mode. Bild: Bally Schuhmuseum, Schönenwerd

Die Körper der mittelalterlichen Unterschicht waren jedoch aufgrund der harten Lebensbedingungen mehrheitlich stark beansprucht. Schwere körperliche Arbeit, schlechte Ernährung und Krankheiten hatten gravierende gesundheitliche Folgen. Es mangelte nicht an medizinischen Ratgebern für einen gesunden Körper. Zentral und weit verbreitet war die Vier-Säfte-Lehre, bei welcher der Körper in einem harmonischen Ganzen gehalten werden sollte. Für einen gesunden Ausgleich der Körpersäfte halfen Baden, Schröpfen und der Aderlass. Während die Elite sich von ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten behandeln lassen konnte, standen der Mehrheit Laien- und Wundärzte zur Verfügung. Auch etablierte sich ein soziales Gesundheitssystem. Mittellose und randständige Kranke wurden in den von Klöstern eingerichteten Spitälern kostenlos umsorgt und verpflegt.

Am Ende wartete auf alle der Tod. Tote Körper waren im Mittelalter alltäglich und omnipräsent. In der Hoffnung auf Auferstehung pflegte man schon zu Lebzeiten Totenrituale und betete für Verstorbene.

Medial durch das Landmuseum

Zahlreiche Leihgaben aus dem In- und Ausland, darunter Gemälde, Grafiken, Bücher, Skulpturen und kunstvolle Alltagsobjekte, erlauben in der Ausstellung, die in neun Sektionen eingeteilt ist, einen kulturhistorischen Blick auf den Körper im Mittelalter. Medienstationen und Interviews laden zur Vertiefung des Themas ein. Die Ausstellung bietet nicht nur einen historischen Einblick, sondern soll auch zum Nachdenken über unser heutiges Verständnis und unsere Wahrnehmung des Körpers anregen.

Bis zum 14. Juli bietet das Landesmuseum auch ein Programm rund um die Ausstellung «begehrt. umsorgt. gemartert.» an. Neben regelmässigen Führungen für Privatpersonen und SeniorInnen gibt es für Schulklassen und Lehrpersonen zwei Führungen, eine allgemeine zur Ausstellung sowie eine rund um das Thema Glaube und Wissen. Am 11. April findet zudem die erste Expertenführung statt. Hier führt die Autorin Hildegard Keller die angemeldeten TeilnehmerInnen durch die Ausstellung und gibt Einblicke in den Minnegesang und die Liebe im Mittelalter. Insgesamt sind fünf dieser vertiefenden Führungen geplant. Der Eintritt ins Landesmuseum kostet für Erwachsene 13 Franken, Kinder unter 16 Jahren erhalten freien Eintritt. Mit dem Ticket lassen sich zudem auch alle anderen Ausstellungen des Landesmuseums erkunden.

Ein Skelett zwischen zwei halbnackten Menschen

Der Tod spielt natürlich eine zentrale Rolle. Bild: Schweizerisches Nationalmuseum

Publikation zur Ausstellung

Fragen rund um den Körper, zu Normen und Idealen werden in jeder Epoche unterschiedlich gestellt und beantwortet. Die Menschen des Mittelalters haben sich erstaunlich vielseitig und umfassend mit dem Körper und seinem Stellenwert befasst. Das Buch, welches anlässlich der Sonderausstellung erscheint, wirft einen kultur- und kunsthistorischen Blick auf verschiedene körperrelevante Themen von der Geburt bis zum Tod.

Die Texte unterschiedlicher Autorinnen und Autoren bringen Unbekanntes und viel Überraschendes zur Sprache: vom androgynen Superkörper Jesu Christi über Auffassungen von Sexualität bis zur frühen Heilkunde oder zur Bedeutung des Sports. Kurztexte zu ausgewählten Exponaten ergänzen die Einblicke, wie menschliche Körper im Mittelalter verstanden und dargestellt wurden. Das breite Spektrum an Objekten und Werken aus dem frühen bis späten Mittelalter umfasst Gemälde und Skulpturen mit Ideal- und Gewaltdarstellungen, erotische Druckgrafiken und Bildteppiche, aber auch kosmetische Artikel oder figürliche Reliquiare. Herausgegeben wird das Buch vom Schweizerischen Nationalmuseum beim Verlag Scheidegger & Spiess.
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