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Schweizer Gaming vor massivem Einschnitt?

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Künftig könnten Gamer in der Schweiz dazu verpflichtet werden, sich auszuweisen. Bild: Vadymvdrobot / Depositphotos 

Die Referendumsfrist des am 30. September 2022 verabschiedeten Bundesgesetzes über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele ist mittlerweile abgelaufen. Im Sommer 2023 sollen Verordnung und Gesetz in Kraft treten. Wie das Gesetz die Schweizer Gamingszene verändern könnte.

Der Schweizer Jugendschutz für Videospiel und Film wird angepasst, und Kontrolle steht dabei im Mittelpunkt: Im kommenden Sommer soll das am 30. September 2022 verabschiedete Bundesgesetz zum Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiel in Kraft treten. Die Referendumsfrist lief im Januar erfolglos ab und somit wird keine weitere Revision geschehen.

Mit dem Gesetz soll der Schutz Minderjähriger vor gefährdenden Inhalten in Filmen und Videospielen gewährleistet werden. Laut Gesetzbuch handelt es sich bei diesen Inhalten um solche, die die körperliche, geistige, psychische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden können. Das Gesetz gilt sowohl für AnbieterInnen von Plattformdiensten wie beispielsweise Steam und Netflix als auch für sämtliche natürliche und juristische Personen, die Filme oder Videospiele herstellen, verleihen, vertreiben oder damit handeln. Diese sollen beim Vertrieb ihrer erst ab Volljährigkeit freigegebenen Gaming- und Filmprodukte an Minderjährige eine Alterskontrolle durchführen – es sei denn, sie befinden sich in Begleitung einer mindestens zehn Jahre älteren, volljährigen Person.

Im Einkaufszentrum ist dies eine Sache; in diesem dürfen zur Kontrolle künftig Testkäufe durchgeführt werden, wobei deren Durchsetzung kein Problem darstellen sollte. Das Gesetz soll sich allerdings auch auf digitale Medien ausweiten. So sollen auch Onlineeinkäufe durch die jeweiligen Vertreiber altersgeprüft werden. Wie das genau umgesetzt werden soll, wird sich noch zeigen; für die Umsetzung ist die Jugendschutzorganisation zuständig.

Playstation 5

Wird Sonys PlayStation 5 in der Zukunft nur nach einer Altersverifizierung benutzbar sein? Bild: rokas91 / Depositphotos

Bis dahin steht beim Wie der Umsetzung bloss ein grosses Fragezeichen, denn online stehen bezüglich Kontrolle schnell einige Hürden im Wege. Soll beispielsweise das Alter per elektronischer Identifikation geprüft werden, könnte diese leicht durch schnelle Hilfe eines Bekannten erfolgen, der durch seinen Ausweis den Zugriff ermöglicht. Auf internationalen Seiten könnte die Identifikation möglicherweise auch per VPN komplett umgangen werden.

Zu viel Repression führt zu wenig Effekt

Auf ethischer Ebene steht zusätzlich der Verlust der schweizerischen Anonymität im Internet infrage. Was dies für Personen in der Schweiz bedeutet, ist klar: Ausweispflicht für Schweizer Webseiten. International, wie bei einem Grossteil der davon betroffenen Akteure, würde eine Ausweispflicht für Schweizerinnen zu einer Ungleichheit zwischen ihnen und ausländischen Nutzern führen. Wo Schweizer sich beispielsweise auf Twitch mit vollem Namen ausweisen müssten, hätten Benutzerinnen aus dem Ausland weiterhin das Privileg der Anonymität. Trotz dessen, dass der Name im Hintergrund vermutlich anonym bliebe und Datenschutzregelungen vor dem Missbrauch und Weiterverkauf der Daten schützen, wären die Daten trotzdem existent. Für einige Benutzer mag das bereits ein Problem darstellen – definitiv in mentaler Hinsicht und beispielsweise im Falle eines Hacks nicht zuletzt auch auf praktischer Ebene. Für Schweizer wäre das Internet eindeutig weniger anonym als zuvor.

Auch zu bedenken ist, wie sich das Gesetz auf die Grösse der Nutzerbasis auswirken könnte. Je mehr Hürden einer Userin in den Weg gestellt werden, desto stärker sinkt potenziell auch die Anzahl der Benutzer, die diese Hürden überhaupt in Kauf nehmen. Somit könnte die Reichweite eingeschränkt werden, was vielen involvierten Parteien schaden würde. Streamer und E-Sports-Akteure setzen besonders auf diese Reichweite; sie leben und gedeihen mit ihrer Anzahl Zuschauerinnen und Turniere verlieren an Sinn, wenn die Zuschauerzahl nicht mehr lohnenswert ist. Ohne pragmatische Umsetzung für das freie Zuschauen sinkt die Aktivität und somit die Vermarktbarkeit; die Finanzierung wäre weniger attraktiv und somit bestände eine geringere Chance, überhaupt etwas, beispielsweise ein Turnier, auf die Beine zu bekommen.

Werden Äpfel mit Birnen verglichen?

Für Stirnrunzeln sorgt ebenfalls, dass Film und Gaming ausnahmslos über einen Kamm geschert wird. Unter der jetzigen Ausformulierung der Regelung werden ein nicht für Minderjährige freigegebener Film und ein solches Game identisch behandelt. Möchte ein Minderjähriger sich also einen Counter-Strike-Stream ansehen, wäre das rechtlich gleich zu sehen wie ein Kinobesuch für einen neuen Film der «Texas Chainsaw Massacre»-Reihe.

Counter-Strike

Nicht für Minderjährige freigegebene Games wie «Counter-Strike» und Filme wie «Texas Chainsaw Massacre» sollen künftig für ZuschauerInnen gesetzlich gleich angesehen werden. Bild: romankosolapov / Depositphotos

Aufgrund ihrer Interaktivität werden Games zurecht auf anderer Basis altersreguliert als Filme, aber stellt sich daher auch die Frage, ob dieselbe Regulierung für das blosse Zuschauen gelten sollte. Die Gewaltdarstellung in einem durchschnittlichen Slasher-Film ist grundsätzlich viel extremer als Counter-Strike; solch übertriebene Gewaltdarstellung ist in Games generell überaus selten vorhanden. Unter Umständen sollte man vielleicht für diese eine separate Altersbeschränkung für Zuschauerinnen einführen – allerdings stellt sich da wiederum die Frage, ob der Aufwand überhaupt lohnenswert wäre, da so jedes Spiel nochmals unter die Lupe genommen werden müsste.

Weitere Hürden für E-Sports

Im E-Sports-Bereich blickt man sowohl mit einem lachenden als auch mit einem weinenden Auge auf das kommende Gesetz. Für die Teilnahme an Turnieren sollten dank der bereits bestehenden Regelung keine Probleme aufkommen; minderjährige Spieler dürfen weiterhin mit elterlicher Erlaubnis an Turnieren für jedes Spiel teilnehmen. Für diese bestehen ohnehin bereits die Hürden, überhaupt an das Spiel zu gelangen und die eigenen Fähigkeiten in diesem dann auch zu einer turnierreifen Stufe auszuarbeiten.

Schweizer E-Sport-Team

Das Overwatch Team Switzerland im Einsatz. Bild: Overwatch Team Switzerland

Eine dritte Hürde wäre hier daher nicht nötig. Das weinende Auge bezieht sich wiederum auf die Zuschauerseite, wo der tatsächliche negative Effekt auf die genaue Umsetzung der Jugendschutzorganisation ankommen wird. Das grosse Fragezeichen dahinter lässt hier noch keine genaue Schlussführung zu. E-Sports bewegt sich auch rasch über Landesgrenzen hinaus – ob die Regelungen an dem Punkt überhaupt noch gelten und wie sie im Ausland für Schweizer Spieler umgesetzt werden, ist fraglich. Der nationale Verband Swiss Esports Federation wurde allerdings in die Diskussion eingebunden und wird auch weiterhin an der Debatte zur Detailumsetzung beteiligt sein.

Kosten, Nutzen und das Ausland

Wichtig zu verstehen ist, dass viele dieser Möglichkeiten Worst-Case-Szenarien sind. In den kommenden Debatten zur Detailumsetzung bis im Sommer werden sich die betroffenen Parteien einsetzen, um möglichst viel davon zu vermeiden. Auf internationaler Ebene lässt sich vielleicht auch ein Teil davon gar nicht umsetzen. Nebst Unklarheiten bei Turnieren besteht auch die Frage, ob Firmen wie Sony, Microsoft und Nintendo überhaupt Massnahmen wie die einmalige Freischaltung ihrer Konsolen so werden umsetzen wollen. Und wie sieht es für Valve mit Steam aus?

Die Videospielszene befindet sich in überwiegendem Masse im Ausland; die Jugendschutzorganisation wird sich also bei der Detailumsetzung vertiefte Gedanken machen müssen, um die Umsetzung überhaupt zu ermöglichen. Die Kosten dafür liegen am Ende auch bei den Akteuren – weswegen die Finanzierungsfrage für diese auch eine grosse Rolle spielen wird.

Der Jugendschutz an sich ist elementar. Ein klarer Regelrahmen ist erstrebenswert und bestand so weit noch nicht. Die Umsetzung stellt allerdings einen starken Balanceakt dar. Es muss eine pragmatische Lösung gefunden werden, die dem Grundsatz gerecht wird, die aber auch die Kontrolle nicht zu stark verschärft. Wird dieser Balanceakt nicht eingehalten, bewirkt man schnell das Gegenteil und zwingt stattdessen die Betroffenen, den Weg herum zu finden.

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Nebst der Arbeit als Redaktorin der FonTimes begeistert mich die Vielfalt der Medienlandschaft. Ob Filme, Games, Serien oder auch Anime: Bei mir geht alles. In der Freizeit findet man mich ausserdem regelmässig bei der Erkundung von Städten – allen voran Zürich.
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