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«Ob ein noch besseres Bild möglich ist, weiss ich nicht»

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Der Supermondbaum und die Frage, ob ein besseres Bild dieses Sujets überhaupt möglich ist. Bild: Tobias Rösli

Wenn Tobias Rösli seine Fotos in den Luzerner Facebook-Gruppen postet, erntet er dafür jeweils unzählige Likes und Komplimente in der Kommentarspalte. Dies ist kein Zufall, denn schafft es der Wolhuser jeweils eindrücklich, den perfekten Moment festzuhalten: Der Supervollmond steht exakt hinter einer Sommerlinde, eine Alpendohle zensiert die Augen einer Steingeiss und eine Fuchsmutter befindet sich während eines Mäusesprungs in luftiger Höhe.

Es ist ein Bild, wie man es sonst nur von Siegerfotos internationaler Fotografie-Wettbewerbe kennt: Majestätisch steht die Sommerlinde auf der vorderen Hasenschwand in Wolhusen. Dahinter thront einem wachsamen und beschützenden Auge ähnlich der Vollmond. Dieser erscheint umso grösser, da es sich um eine Supervollmondnacht handelte, als das Bild am 27. April um 5 Uhr in der Früh entstand. Verantwortlich dafür ist Tobias Rösli.

Dem 34-Jährigen ist die Sommerlinde bereits ins Auge gestochen, als er vor gut vier Jahren mit seiner Familie nach Wolhusen zog. Bis zum perfekten Bild war es ein langer Weg, da dafür zahlreiche Kriterien wie geringe Luftfeuchtigkeit und -bewegung erfüllt sein müssen und das Zeitfenster nur ein paar Sekunden gross ist.

Oder ist sogar noch eine Steigerung möglich? Dies verrät der begeisterte Naturfotograf in unserem Interview genauso, wie warum er sich beim Fotografieren einer Fuchsfamilie über sich selbst ärgerte, wo er im Kanton Luzern bevorzugt fotografiert und weshalb auch immer der Faktor Glück mitspielt.

Herr Rösli, wir scheinen das triste Wetter tatsächlich hinter uns gelassen zu haben! Wie regelmässig sind Sie aktuell mit der Kamera in der Natur unterwegs?

Wann immer ich Zeit dafür finde. Es kommt auch vor, dass ich eine ganze Woche lang darauf verzichten muss. Das Praktische ist, dass ich nur aus dem Haus fallen muss und mitten in der Natur bin. Jetzt im Sommer arbeite ich in der Krienser Badi und wenn ich vor 16 Uhr Schluss habe, kann ich auf dem Nachhauseweg durch das Renggloch fahren, wo ich ein Zeitfenster von 30 bis 60 Minuten habe, in dem das Licht zum Fotografieren gut ist. Und dass das Renggloch mit vielen wunderschönen Sujets aufwartet, ist kein Geheimnis.

Aber man muss ja schon wissen, an welchen Stellen man die besten Chancen hat, bestimmte Tiere anzutreffen.

Natürlich. Zu Beginn kann man zu diesem Zweck Berufskollegen fragen, ob sie einem einen Tipp haben. Das Beste erwandert man sich aber selbst und eignet sich das Wissen Stück für Stück an. Zum Beispiel die Spuren der Tiere lesen, deren Kot erkennen oder ein Nest beziehungsweise Bau entdecken, um dann aus sicherer Entfernung zu beobachten, ob es Bewohner gibt.

Portrait von Tobias Rösli

Tobias Rösli wohnt mit seiner Familie in Wolhusen. Bild: Facebook Tobias Rösli

Das heisst, Sie gehen jeweils mit einem bestimmten Ziel auf die «Jagd», haben ein bestimmtes Tier und Sujet im Kopf?

Grundsätzlich schon, die besten Fotos sind meist geplant. Im Supermondbaumfoto stecken drei Jahre mit Warten und unzähligen Versuchen. Doch kann man die genauen Umstände nie vorhersagen. Es kann auch immer zu Zufallsbegegnungen kommen. Beispielsweise ist das Bild des Fuchses während seines Mäusesprungs ein glücklicher Zufall. Eigentlich wollte ich mich am Dachsbau auf die Lauer legen, aber auf dem Weg dorthin begegnete mir die Mäusejägerin, so machte ich kurzerhand Jagd auf sie. Auch was das Timing anbelangt, war mir das Glück dabei hold: Ich machte genau drei Bilder: Vom Start des Sprungs, als sich der Fuchs in der Luft auf dem höchsten Punkt befand und von der Landung.

«Jagd», «auf die Lauer legen» –  diese Analogien sind kein Zufall, oder?

Nein, nur laufen meine «Opfer» weiter, nachdem ich sie getroffen habe. Manchmal trage ich auch einen Tarnanzug, ausserdem muss ich darauf achten, nicht entdeckt zu werden und bei der Füchsin robbte ich im Schatten durch das geschnittene Gras. Zum Glück hat mich bislang noch kein Jäger für ein Reh gehalten (lacht). Spass beiseite, es ist wichtig, dass man mit den Landbesitzern und Jägern ein gutes Verhältnis pflegt und offen kommuniziert, um allfällige Missverständnisse und Unfälle zu vermeiden.

Auch wenn Sie nur Fotos schiessen, muss man als Tierfotograf darauf achten, keine roten Linien zu überschreiten.

Als Mensch mit einem Gewissen muss man sich immer die Frage stellen, wo man die Grenze zieht, um ein Foto zu bekommen. Wenn man sich nicht mehr tiergerecht verhält und beispielsweise durch mangelnden Abstand die Fütterung der Jungtiere durch die Eltern verhindert, ist man definitiv einen Schritt zu weit gegangen. Aus diesem Grund sind bei vielen Tierfotografen Nestfotos verpönt. Auch ich habe im Nachhinein mein Verhalten schon bereut. So entdeckte mich eine Fuchsmutter beispielsweise einmal. Als Konsequenz wartete ich zwei Wochen, bis ich mich wieder dorthin wagte. Die Fuchsmutter sollte nicht wegen mir unnötig Angst um ihre Jungen haben und deshalb den Bau wechseln, was sie glücklicherweise auch nicht getan hat.

Ein Fuchs während eines Mäusesprungs

Der Mäusesprung und das perfekte Timing. Bild: Tobias Rösli

Sie haben das Supermondbaumfoto angesprochen. Dieses sorgte nicht nur in Fachkreisen für Begeisterung. Sie haben wie erwähnt über drei Jahre auf dieses Bild hingearbeitet. Ist nach diesem Foto das Projekt für Sie nun abgeschlossen?

Abgeschlossen nicht, doch ist es nun nicht mehr so akut. Natürlich bin ich in diesem Punkt ein Perfektionist. So war das Bild mit demselben Motiv, welches ich ein Jahr zuvor geschossen hatte, nicht perfekt, weswegen ich drangeblieben bin. Ob nun ein noch besseres Bild möglich ist, weiss ich nicht, der Vollmond steht keine fünfmal im Jahr hinter dem Baum und beim letzten Mal hatte ich auch das nötige Glück auf meiner Seite. So dachte ich erst, die Wolken würden ein gutes Bild verhindern, doch erfährt es dadurch eine noch grössere Bildwirkung. Ausserdem ging ich ein gewisses Risiko ein, indem ich mit einem dreibeinigen statt einem einbeinigen Stativ arbeitete. Das Aufstellen dauert wesentlich länger, dafür konnte ich die Belichtungszeit verlängern. Trotzdem war nur ein Bruchteil der rund 40 geschossenen Bilder an diesem Morgen scharf. Dass eines davon vom Timing her ideal war, ist nicht selbstverständlich, da man mit einer Auslöseverzögerung arbeiten muss und nur in der letzten Minute den perfekten Standpunkt finden kann. Klar ist: Bei den nächsten Vollmondterminen werde ich wieder draussen sein.

Spüren Sie, dass gewisse Berufskollegen oder sonstige Personen auch etwas neidisch auf das Bild sind?

Ich weiss nicht, ob man von Neid sprechen kann. Doch habe ich manchmal gehört, das Bild sei bestimmt bearbeitet, also künstlich erstellt, «gephotoshopt». Diese «Unterstellung» kann ich denjenigen absolut nicht übelnehmen, denn auch ich kann mich nicht daran erinnern, vorher ein solches Bild gesehen zu haben. Ich bin aber auch nicht derjenige, der stundenlang die Galerien anderer Fotografen durchschaut. Rein schon von meinem Gewissen und aus Gründen der Fairness würde ich darauf hinweisen, wenn ich ein Bild aus mehreren zusammengesetzt habe.

Sie haben es angedeutet, es war keineswegs selbstverständlich, dass in dieser Nacht überhaupt ein «präsentierbares» Bild herauskommt. Wie oft kehren Sie generell wieder heim, ohne ein Foto geschossen zu haben?

Äusserst selten. Wenn man aufmerksam durch die Natur und Landschaft geht, findet man immer Spannendes und Neues, was sich festzuhalten lohnt. Ausserdem möchte man die kiloschwere Fotoausrüstung am Ende nicht vergebens durch die Natur geschleppt haben. Der springende Punkt ist das Wort «präsentierbar», unter diesem Aspekt sicher häufiger.

Fuchsjunge lauschen ihrer Mama

Die Fuchsjungen lauschen ihrer Mama. Bild: Tobias Rösli

In Ihren Social-Media-Posts erzählen Sie jeweils auch eine Geschichte zu den Bildern. Wie wichtig ist es Ihnen, die Bilder nicht isoliert, sondern mit einer Story als Gesamtwerk zu präsentieren?

Für mich ist die Geschichte ein Teil des Bildes. Wenn es etwas zu erzählen gibt, mache ich das gerne. Allerdings sollte man es auch nicht übertreiben – zumal sich viele Menschen in den sozialen Medien die Zeit eh nicht nehmen, einen etwas längeren Text zu lesen. Aber diejenigen, die es tun, freut es umso mehr.

Sie haben mehrere Jobs, arbeiten in einer Badi, sind Skilehrer sowie Hauswart und führen mit Ihrer Frau den Verein «East meets West – Brugge baue», der sich zum Ziel gesetzt hat, «die lebendigen Traditionen der Schweiz in die Ecken der Welt hinauszutragen und die Menschen vor Ort zum Erhalt ihrer eigenen kulturellen Wurzeln anzuregen». Wie viele Stellenprozente nimmt die Fotografie ein, wenn man sämtliche Jobs addiert?

Gefühlt arbeite ich total rund 150 Prozent, davon gehen etwa 50 Prozent für die Fotografie drauf. Oftmals sichte und bearbeite ich die Bilder in der Nacht. Aber da ich fast alle Aspekte meiner verschiedenen Arbeitsstellen mag, mir meine Zeit einteilen und viel davon mit meiner Familie verbringen kann, schätze ich mich glücklich.

Wie sind Sie ursprünglich zur Fotografie gekommen und mit was für einer Kamera fotografieren Sie?

Mein Vater hat unzählige Fotoalben erstellt und so kam ich schon früh mit Bild und Technik in Kontakt. Genauso habe ich mich schon immer für die Natur und Tiere begeistert. 2014 begann ich, mich intensiver mit Fotografie auseinanderzusetzen, als ich meine heutige Frau kennenlernte. Sie reiste mit Ihrem Verein «East meets West – Brugge baue» nach Asien. Ich wollte gerne mitkommen und fragte mich, wie ich den Verein unterstützen kann. Unter anderem wurden gute Fotos und Videos gebraucht. Markentechnisch kam ich damals eher zufällig zu Sony und bin bis heute dabei geblieben. Als Hauptkamera nutze ich eine Alpha 99 II. Die heutigen Kameras schiessen jedoch fast alle gute Bilder, es geht eher darum, sein Werkzeug zu beherrschen und im richtigen Augenblick dabeizuhaben. Die Lernkurve ist heutzutage auch relativ steil. Einerseits kann man sich zum Beispiel durch Videos und Bücher vieles selbst beibringen. Auf der anderen Seite hilft der technische Fortschritt. So gibt es heute beispielsweise einen Tieraugen-Autofokus. Früher lag das alles in den Händen des Fotografen.

Blattschneiderbiene fliegt mit Blatt

Die Blattschneiderbiene macht ihrem Namen alle Ehre. Bild: Tobias Rösli

Wo kann man Ihre Bilder anschauen, wenn einem der digitale Anblick nicht genügt?

Gerade wurde meine Ausstellung im Gemeindehaus Wolhusen bis Ende Oktober verlängert und am 30. Oktober werden die Bilder während einer Finissage verkauft. Ausserdem kann man meine Bilder natürlich bei mir bestellen, dazu biete ich auch eine Bildberatung an. Mein Baumkalender für das Jahr 2021 war ein Erfolg und ist ausverkauft. Jetzt sitze ich über dem Kalender für das kommende Jahr, welcher das Thema Tiere hat und ab Juli vorbestellt werden kann. Der Mäusesprung ist sicher mit von der Partie.

 

Wer auf wunderschöne Fotos aus der Region steht, sollte unbedingt auch bei Widrol Fotos vorbeischauen.

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