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Motorsport der Zukunft aus Cham

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Drei 46-Zoll-Bildschirme sorgen für einen Panoramablick aus dem Cockpit. Bild: zVg

Der Motorsport lockt in seiner Vielfalt wieder mehr Menschen an die Strecken und an die Bildschirme. Immer wichtiger werden dabei auch realitätsnahe Simulationen. Ein Chamer Unternehmen möchte mit eigenen Simulatoren und einer Rennliga die Lücke zwischen virtueller und analoger Welt schliessen.

Autos, die im Kreis fahren, erleben zurzeit eine Art Wiederentdeckung. Angeführt von der Königsklasse des Motorsports, der Formel 1, ist das Interesse der ZuschauerInnen in wichtigen Märkten sprunghaft angestiegen. Mehr ZuseherInnen, mehr FollowerInnen in den sozialen Medien und auch mehr BesucherInnen an den Strecken sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, aber es sind vor allem die Jungen, die heute den Motorsport für sich entdecken.

Dabei beschränkt sich die Begeisterung nicht nur auf die realen Fahrzeuge, die über den grauen Asphalt rasen. Der Boom der Gaming-Industrie und die fortschreitende Professionalisierung des E-Sports machen aus talentierten PlayStation-Fahrern die Racer von morgen. So durfte etwa der türkische E-Sportler Cem Bölükbaşı 2022 in der Nachwuchsserie Formel 2 starten. Und auch in die andere Richtung beginnen die Grenzen zwischen dem analogen und dem virtuellen Sport langsam zu verschwimmen. So greifen etwa die Formel-1-Stars Lando Norris und Max Verstappen regelmässig zu ihrem Gaming-Lenkrad, um an professionellen E-Sport-Events teilzunehmen.

Rasante E-Racer

Von der Professionalisierung im E-Sport-Racing profitieren möchte auch Racing Unleashed. Das Unternehmen mit Sitz im Chamer Lorzenpark betreibt mehrere Lounges in Europa, davon fünf in der Schweiz, in denen aufwendige Rennsimulatoren zur Verfügung stehen. Diese sind genau wie echte Go-Karts für jeden buchbar, sie sind aber auch die Grundlage für die hauseigene Meisterschaft.

Simulator Racing Unleashed

In den Lounges von Racing Unleashed stehen zahlreiche der High-Tech-Simulatoren. Bild: zVg

Geführt wird das Unternehmen von Monisha Kaltenborn, die als ehemalige Teamchefin von Sauber F1 den Motorsport kennt wie keine Zweite in der Schweiz. «»Der E-Sport ist ein Bereich, der sich sehr rasant entwickelt und in dem fast täglich etwas passiert. Wir müssen stets zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein und trotzdem immer nur einen Schritt nach dem anderen tun», sagt die CEO von Racing Unleashed. Dabei gilt es die unterschiedlichen Communitys zu erkennen und die richtigen Plattformen zu bespielen. Denn bei der Simulatorfirma greifen nicht nur die Semi-Profis und Asphaltcowboys zum Lenkrad. «Wir haben auch die ganz Jungen, die es vielleicht als Einstieg in den Motorsport sehen – ob virtuell oder analog», erzählt Kaltenborn. Die Durchlässigkeit zwischen den beiden Welten nimmt immer weiter zu, da auch in der analogen Welt die Simulationen eine zunehmend wichtige Rolle spielen.

Möglich macht den Sprung auch die Technik. Beim Testlauf in der Lounge in Cham nehmen wir in einem engen Monocoque Platz – was im Prinzip einem Formel-1-Auto ohne Reifen entspricht. Es folgen die Einstellung von Gurten, Pedalen und Lenkrad und schon kann der PS-Spass losgehen. Die in Maranello – der Heimat Ferraris – hergestellten Simulatoren bestehen dabei aus Kohlefaser, ganz wie die echten Vorbilder. Über Stabilisatoren, Gurte und ein Belüftungssystem werden alle Sinne möglichst realitätsnah bespielt, während man auf drei Grossbildschirmen über die Rennstrecke rast. Vor allem bei einer Vollbremsung auf dem höchsten Realismusgrad haben es die simulierten G-Kräfte in sich.

Im Hintergrund werkelt die Rennsimulation Assetto Corsa Pro, welche aber auch von Racing Unleashed selbst ständig weiterentwickelt wird. So setzt man auch jedes Jahr auf die neuste Version der Formel-Autos, welche zudem von Profis und Entwicklern für den Simulator angepasst wird. Und auch auf der Hardwareseite wird sich in diesem Jahr einiges tun. «Wir haben selbst einen GT-Simulator entwickelt und der Prototyp wird im März fertiggestellt und auf dem Markt erscheinen», erzählt Kaltenborn. Zusätzlich arbeitet man an einer neuen Version des F1-Simulators und auf der Softwareseite möchte man in diesem Jahr erstmals einen Schadensmodus für die Rennligen einführen, der Unfälle auf der Strecke realistisch bestraft.

Ein (zu) teures Hobby

Während eine Juniorsaison im Kart-Bereich heute schon eine sechsstellige Summe kostet, könnten Simulatoren in Zukunft dafür sorgen, dass der Motorsport wieder für mehr Menschen greif- und finanzierbar wird. Racing Unleashed möchte dabei nicht nur ein Sprungbrett sein, sondern setzt sich auch aktiv für den Nachwuchs ein. So veranstaltete man 2022 zusammen mit dem britischen Motorsportverband und Sponsor Rokit einen Wettbewerb für TeenagerInnen. Aus über 2000 KandidatInnen durften die je 20 schnellsten Mädchen und Jungs ein Wochenende im Formel-4-Simulator von Racing Unleashed verbringen. Und der Gewinner und die Gewinnerin treten in diesem Jahr in der realen britischen Formel 4 an.

Monisha Kaltenborn

CEO Monisha Kaltenborn (51) erlangte als erste Teamchefin der Formel 1 grosse Bekanntheit. Bild: zVg

«In diesem Alter haben sehr viele Talent, da kann man die Entwicklung noch nicht vorhersehen», sagt Kaltenborn. Man möchte sämtlichen Motorsportbegeisterten einen Zugang geben und den Sport wieder allen zugänglich machen, der heutzutage so teuer geworden ist, dass sich selbst die Söhne von berühmten Rennfahrern den Weg in die Königsklasse nicht mehr leisten können – Talent statt Finanzen also. Und mit der Förderung von Talenten kennt Kaltenborn sich aus, schliesslich finden sich gleich mehrere Grand-Prix-Sieger und ein Weltmeister unter den ehemaligen Sauber-Fahrern während ihrer Zeit bei dem Hinwiler Rennstall. 

Woran es aber sowohl im analogen als auch im virtuellen Motorsport mangelt, sind die Frauen. «Es braucht ein Umdenken, aber auch gezielte Förderprogramme», sagt Kaltenborn, die sich auch als Unterstützerin der W-Series für Frauen hervorgetan hat. Dass Motorsport immer noch als Hobby für Jungs verstanden wird, sei auch ein gesellschaftlich-politisches Problem, welches sich ebenso in anderen Berufszweigen zeigt. «Aber es ist keine Kraftfrage und auch keine Frage des Geschlechts», sagt Kaltenborn, die damals in der Formel 1 die zweite Frau an der Boxenmauer war.

Fit für den Nürburgring

Wenn am 17. März die neue Saison der Racing Unleashed Championship mit dem Prologue startet, wird neben dem dreifachen Meister Michal Smidl aus Tschechien auch der letztjährige Sieger der unterklassigen Challenge League mit dabei sein. Gefahren wird dann auf dem Nürburgring – nach der Qualifikation werden bis zu 24 Fahrer am Start sein. Anschliessend werden bis Dezember in den verschiedenen Lounges zehn Rennwochenenden ausgetragen. «Wir haben einige Strecken zur Auswahl, auf die bestimmt nicht viele kommen werden», verspricht Kaltenborn.

Lenkrad Simulator Racing Unleashed

Täuschend echt: Am Lenkrad wählen wir den Schwierigkeitsgrad, können aber auch das DRS aktivieren. Bild: zVg

Um die eigenen Fahrer bei ihrer Entwicklung zu unterstützen, bietet Racing Unleashed auch Tipps für Fitness, Ernährung und den richtigen Umgang in Interviews. Damit rückt man noch etwas näher an den echten Sport heran. «Gerade Fitness ist für die Fahrer ein wichtiges Thema, welches oft unterschätzt wird. Denn unsere Simulatoren sind physisch und mental fordernd», erklärt Kaltenborn. Gerade zum Ende eines Rennens können sich Konzentrationsfehler einschleichen, die dann zu Unfällen oder Strafen führen – denn natürlich gibt es auch hier Rennstewards, die darauf achten, dass es fair und transparent vonstattengeht.

Durch die Coronapandemie war 2022 eigentlich die erste Saison, die man ohne Hindernisse absolvieren konnte. In diesem Jahr möchte man von Lerneffekten profitieren und die stetige Verbesserung von Technik, Meisterschaft und Präsentation fortsetzen. Zu den insgesamt sieben europäischen Lounges sollen ausserdem noch einige dazukommen. Neben konkreten Plänen für den arabischen Raum schaut man bei Racing Unleashed genau auf die Entwicklung in Fernost, Indien und den USA.

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Als Redaktor schreibe ich Artikel für unsere Zeitungen und unsere Website, durchforste die sozialen Medien und fahre durch die Region, immer auf der Suche nach der nächsten Geschichte. Ausserhalb des Büros findet man mich meistens im Kino oder neben der Südkurve.
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