Genuss

Der pflanzliche Braten aus dem Proteinregal

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Am Ende des Fabrikfliessbandes warten die Flexitarier. Bild: zVg

In Kemptthal betreibt man viel mehr als nur Erbsenzählerei. In der modernen Fabrik von Planted Foods entstehen Fleischprodukte aus Erbsenproteinen. Mit einer wachsenden Produktpalette drängt das ehemalige Start-up nun zur Expansion.

Die Olma lockt jedes Jahr hunderttausende von BesucherInnen nach St. Gallen, wo sich die Schweizer Landwirtschaft präsentiert. Dabei dreht sich alles um die Ernährung, inzwischen ist die Messe aber auch zu einem eigenen Volksfest avanciert. Unter dem Motto «Wo Zukunft entsteht – Forschung für eine nachhaltige Landwirtschaft» präsentierte sich bei der letzten Ausgabe im Herbst auch die ETH Zürich mit ihren Jungunternehmen, welche sich mit umweltfreundlichen, ressourcenschonenden und sozialverträglichen Ernährungssystemen beschäftigen.

Vom vertikalen Ackerbau über Meeresfrüchte auf pflanzlicher Basis bis hin zu spielerischen Landwirtschaftssimulationen präsentierten die Spin-offs und Start-ups ihre Vorstellungen der Zukunft. Ebenfalls dabei war das Zürcher Unternehmen Planted Foods, welches mit seinen inzwischen über 200 MitarbeiterInnen dem Start-up-Charakter zwar etwas entwachsen ist, die Grundideen der anderen ETH-Absolventen allerdings teilt. «Wir sind heute in der Schweizer Bevölkerung, den Haushalten und auch in der Schweizer Landwirtschaft angekommen», sagt Mitgründer und Mitglied der Geschäftsführung Pascal Bieri über sein Unternehmen.

In der Zentrale in Kemptthal werden aus Erbsen, Sonnenblumen und Hafer Fleischprodukte hergestellt, die gänzlich ohne tierische Bestandteile auskommen. Mithilfe biologischer Vorgänge wie der Fermentation werden dafür im Labor pflanzliche Proteine entworfen, deren Form, Grösse und Beschaffenheit sich anpassen lässt. Damit sich am Ende das Schnitzel auch in Sachen Struktur im Mund anfühlt wie ein herkömmliches Schnitzel.

Saisonarbeit mit den Flexitariern

Viel hat sich seit der Gründung 2019 verändert. Eine moderne Fabrik in Kemptthal, Grosshandelspartner in ganz Europa und eine Produktpalette, die vom Braten bis zur Bratwurst deutlich mehr abdeckt als nur das vegane Burger-Patty. Was sich mit dem Wachstum aber nicht verändert hat, ist die Zielgruppe. «Wir produzieren immer noch für die gleichen KonsumentInnen: Flexitarier», erklärt Bieri. Ein wachsendes Publikum, das seinen Fleischkonsum bewusst tief hält und welches man sowohl im Supermarkt als auch im Restaurant ansprechen will. Genau in jenen Gastrobetrieben der Schweizer Ballungsgebiete hat man damals mit dem Vertrieb der Fleischwaren aus Erbsenproteinen begonnen. Und noch heute sind sie ein gutes Testlabor zur Lancierung von neuen Produkten.

Pascal Bieri in der Zürcher Fabrik

Pascal Bieri ist als Teil der Geschäftsleitung für «Commercial Excellence und International Business Development» zuständig. Bild: zVg

Zu den Neuerscheinungen aus dem Hause Planted Foods zählten 2023 die Pouletbrust und die Planted Duck. Ausserdem kehrte mit dem Braten ein saisonales Produkt ins Angebot zurück. Anhand der Nachfrage und des Angebots zeigt sich auch, dass Planted im selben Segment arbeitet wie die Schweizer Fleischindustrie. Ein Braten für die Feiertage und ein Barbecue-Angebot für den Sommer, die Alternativen zum tierischen Fleisch müssen auch kulturell passen, damit sie von den KundInnen angenommen werden. «Am Sonntag Kichererbsen mit Insekten essen, das macht man als europäische Familie eher nicht», sagt Bieri.

Auch bei der Bezeichnung orientiert man sich am Bekannten. «Das Wort Fleisch ist für uns nur wichtig, weil die Produkte so eine Tradition mitbringen und auch eine Anwendbarkeit versprechen», so der Co-Gründer. Wenn Menschen in den Supermarkt gehen, müssen sie sich etwas unter dem Produkt vorstellen und es mit Gerichten verbinden können. So bietet sich etwa das Planted Pork für Fajitas oder für Zürcher Geschnetzeltes an. «Fleisch bedeutet bei uns nicht, dass dafür ein Tier gestorben sein muss. Es steht für Nährwerte, eine breite Anwendbarkeit und dass es gut schmeckt», fasst Bieri zusammen.

Hühner aus der ganzen Welt

Um neue KundInnen vom Geschmack der eigenen Produkte zu überzeugen, braucht es ein breites Angebot aus Probiermöglichkeiten. Dafür setzt Planted nicht nur auf Stände bei den Retailpartnern, sondern arbeitet auch mit Lieferdiensten und der Industrie zusammen. Hier mal ein veganes Schinkengipfeli, da mal ein Pouletbaguette bei Brezelkönig – schon ist im Idealfall der nächste Flexitarier überzeugt. «Wir essen mindestens dreimal am Tag Proteine und wir wollen dafür mit all unseren Produkten Berührungspunkte schaffen», ruft Bieri als Ziel aus. Langfristig könnte er sich auch bei Coop oder Migros ein eigenes Proteinregal vorstellen, an dem die KundInnen ihr Fleisch kaufen, egal ob es aus Tieren oder Erbsenproteinen gemacht ist.

Mitarbeiter an einer Produktionsmaschine

Das Proteinpulver bildet die Basis für die Fleischprodukte. Bild: zVg Bild: zVg

«Am Ende geht es natürlich darum, dass wir ein besseres Produkt als Fleisch haben und die KonsumentInnen gar nicht mehr auf das tierische Produkt setzen wollen», führt Bieri aus. Und mit besser meint man bei Planted den Geschmack, den Preis, die Nachhaltigkeit und den Gesundheitsaspekt. Beim wissenschaftlichen Nachbau von tierischen Fleischprodukten kann man nämlich auf Fett und Sehnen verzichten, wenn man es denn möchte. Und beim Preis nähert man sich Stück vor Stück an – Automatisierung und Digitalisierung in der Fabrik sei Dank. Beim Schweizer Poulet für das Restaurant hat man dieses Ziel fast erreicht, bei Importen aus Brasilien oder Thailand ist es dagegen noch schwierig. «Wir kommen aber jedes Jahr näher», sagt Bieri.

Kampf der Werbung

Was die Aufholjagd herausfordernd gestaltet, ist die Schweizer Subventionspolitik. Sechs Millionen Franken zahlt der Bund im Jahr allein dafür, dass Schweizer Fleisch beworben werden kann. Futtermittel, Haltung, Verkauf – überall wird kräftig mitgeholfen, damit am Ende mehr und vor allem billigeres Fleisch auf den Schweizer Tellern landet. «Es ist einfach, die Politik zu kritisieren. Ich denke, es bräuchte eine grundsätzliche Überarbeitung der Subventionen im Sinne der Nachhaltigkeit», gibt sich Bieri diplomatisch. 2023 konnte Planted übrigens erstmals einen Teil der Erbsen aus der Schweiz erwerben und verarbeiten. Ein weiteres Zeichen dafür, dass man in der Schweizer Landwirtschaft angekommen ist.

Planted Chickenfilet auf gedecktem Tisch

Die ganze Pouletbrust auf dem Tisch. Bild: zVg

Während die hauseigene Ente zumindest auf der Weihnachtsfeier von Planted schon ein Hit war, weist die Pouletbrust den Weg in die Zukunft. Die sogenannten Whole Cuts, also ganze und damit auch komplexere Fleischstücke, eröffnen noch einmal neue Möglichkeiten für die Wahrnehmung und den Einsatzbereich der Produkte. «Wir arbeiten derzeit auch an einem Steak, das wir bald in den ersten Restaurants testen wollen», erklärt Bieri. Und mit einem verzehrfertigen Aufschnitt im Lyoner-Stil liegt ab Januar auch eine erste Charcuterie-Alternative in den Schweizer Supermärkten.

Mit der britischen Einzelhandelskette Tesco konnte man zuletzt einen neuen grossen Vertriebspartner gewinnen. Bei der Expansion sei es aber auch wichtig, darauf zu achten, wo das Fleisch konsumiert wird und somit sowohl die Restaurants als auch den Einzelhandel gleichmässig zu erreichen. Da bereits heute bis zu 80 Prozent der eigenen Produktion ins europäische Ausland wandert, davon ein Grossteil nach Deutschland, ist es nur folgerichtig, dass Planted Foods 2024 auch den ersten Produktionsstandort ausserhalb der Schweiz eröffnen will. Die Suche danach läuft aktuell auf Hochtouren. «Ich hoffe, dass wir auch in zehn Jahren noch ein Start-up sind, zumindest wenn es um das Mindset geht», blickt Bieri derweil voraus.

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