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Der Chef im Pilzkönigreich

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Mit der richtigen Temperatur kann man die Pilze in der ersten Wachstumsphase schneller spriessen lassen. Bild: zVg

Nachhaltig, lecker und voll im Trend: Nicht nur die Gourmetrestaurants haben die edlen Speisepilze für sich entdeckt. Auch das Start-up PilzChef aus dem Zürcher Oberland setzt voll auf die bunten und ungewöhnlichen Lebensmittel. Unter strengen klimatischen Bedingungen wird der Lebensmittelanbau hier zur Laborarbeit.

Ob als Baumaterial für Möbel, als Trend auf dem Festival Food Zurich oder als Film («Super Mario Bros.») und Serie («The Last of Us») in der Popkultur – die Pilze spriessen längst nicht mehr nur im Wald. Angefangen in der Gourmetküche, finden die unterschiedlichsten Pilzarten über Foodblogger langsam, aber sicher den Weg in den Mainstream. Dabei spielen auch Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit eine Rolle, letztendlich muss aber der Geschmack überzeugen.

Anders als bei den saisonalen Wildpilzen, die auch in der Schweiz bis in den Herbst gesammelt werden können, wie etwa dem Pfifferling, gibt es auch zahlreiche Pilzarten, die industriell gezüchtet werden. Mit den richtigen klimatischen Bedingungen wird den schmackhaften Lebewesen ein anhaltender Herbst vorgegaukelt, was zu einem ständigen Wachstum und einer regelmässigen Ernte führt. Diese Bedingungen findet man auch in einem alten Industriegebäude im Zürcher Oberland, genauer gesagt in Effretikon, Heimat des Start-ups PilzChef.

Start-up-Garage

«Wir haben uns auf Sorten fokussiert, die spezieller in der Aufzucht sind. Unsere Pilze sind farbenfroh und bieten eine Geschmacksvielfalt, man findet sie nicht in einem normalen Supermarkt», beschreibt Lorenzo Falcone, Gründer und Chef des Jungunternehmens, seine edlen Speisepilze. Das Angebot umfasst aktuell neun verschiedene Sorten. Darunter befinden sich etwa der Zitronengelbe Seitling, der Igelstachelbart und der Sakura aus der Familie der Austernpilze. Offiziell gegründet wurde PilzChef im Januar 2022, aber schon zuvor werkelte Falcone ganz Start-up-like in seiner eigenen Garage an der Aufzucht der Fungi.

Lorenzo Falcone. Weisses T-Shirt, Jeans, weisse Sneaker

Lorenzo Falcone (28) investiert all seine Zeit in sein Unternehmen PilzChef. Bild: zVg

Der ausgebildete Forstwart verbrachte bereits in seiner Jugend viel Zeit im Wald und entdeckte im familiären Umfeld das Pilzesammeln für sich. Dazu züchtete er in seiner Freizeit Orchideen, welche der Arbeit mit Pilzen nicht unähnlich sind. «Chemie und die Pflanzenwelt haben mich schon früh fasziniert. Ich wollte trotz meiner Ausbildung immer etwas Eigenes machen», so Falcone. Natur trifft Labor sozusagen. Nach ersten Gehversuchen, welche durch US-Pilzzüchter inspiriert wurden, bastelte der Gründer auf 2,5 Quadratmeter eine erste Fruchtungsanlage. Die Fruktifikation ist die Bildung der Fortpflanzungsorgane bei den Pilzen. Dabei spielen Feuchtigkeit, Temperatur und das Nährstoffangebot eine entscheidende Rolle. Mit dem selbstgebauten Labor konnte Falcone anschliessend die ersten zufriedenen Kunden in Zürich beliefern, was ihn zusätzlich motivierte, den Schritt zur Start-up-Gründung zu wagen.

Die Foodie-Stadt an der Limmat

Heute beliefert PilzChef über 30 Restaurants und seit Herbst auch die ersten Filialen im Detailhandel. Entscheidend ist dabei für den Jungunternehmer die Qualität der Produkte. «Was mir nicht passt, geht nicht aus dem Haus», lautet einer der Leitfäden des Start-up-Gründers. Mit einer Lieferung innerhalb von 24 Stunden nach der Ernte setzt man voll auf Frische und möchte sich so auch von der Konkurrenz im EU-Ausland abheben. «Pilze sind letztendlich tickende Zeitbomben, man kann sie nicht wie Fleisch erstmal einen Monat lagern», erklärt der Pilzchef. Beim Igelstachelbart empfiehlt sich beispielsweise eine Lagerzeit von zwei Wochen.

Nicht nur wegen der kurzen Lieferwege war Zürich der ideale Nährboden für das Start-up. «Die Limmatstadt hat eine sehr schnelle und innovative Esskultur», sagt Falcone und verweist auf die zahlreichen Pop-up-Restaurants, aber auch auf das Gourmetangebot. Heute beschäftigt man sich bereits mit der Expansion in die gesamte Schweiz. So konnte man in Zermatt, Luzern, Schaffhausen und zuletzt auch im Engadin Kunden für sich gewinnen. Dafür arbeitet man aktuell auch an einer neuen Lösung für die notwendige Kühlung beim Versand, bei der man auf Partner angewiesen ist.

Ewiger Herbst

Am Standort in Effretikon produziert man aktuell 150 Kilogramm pro Woche auf nur 37 Quadratmetern, Vertical Farming macht es möglich. Der Anbau übereinander in Regalen eignet sich ideal für die Pilzaufzucht. Je nach Sorte und der Stärke des Myzels, dem Erbgut der Pilze, dauert der Anbau zwischen sechs und acht Wochen. Im hauseigenen Labor züchtet man auch das dafür benötigte Pilzgeflecht selbst. «Wenn das Know-how fehlt, erntet man vielleicht nur einen Drittel unserer Mengen. Es kommt wirklich auf Kleinigkeiten an, damit man biologisch effizient ist», erklärt Falcone. Auch von seinem bislang einzigen Mitarbeiter, dem Lebensmittelwissenschaftler Luc Huguenin, konnte der Gründer noch etwas über die Feinheiten des Pilzanbaus lernen.

Edle Speisepilze in den Regalen von PilzChef

Seit Januar 2022 wachsen in Effretikon ganz offiziell edle Speisepilze. Bild: zVg

Das Thema Saisonalität spielt bei PilzChef abgesehen von leichten Unterschieden bei der Nachfrage keine grosse Rolle. «Wir imitieren in unseren Räumlichkeiten immer den Herbst und haben dadurch keine Ernteausfälle», erklärt Falcone. Dazu gehören das Spiel mit der Temperatur, eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit und das richtige CO2-Management via der Belüftung. Denn das von den Pilzen produzierte Kohlenstoffdioxid muss abgeführt werden, ohne die Pilze einem zu starken Luftstrom auszusetzen. Und im Vergleich zum Gemüseanbau benötigen die Fungi sehr wenig Wasser – nur etwa zwei Liter für ein Kilogramm der Lebensmittel.

Pilzliebhaber unter sich

Mit der Teilnahme an der Food Zurich, dem Ausbau der Anbaufläche und auch der räumlichen Expansion blickt der PilzChef-Chef auf ein erfolgreiches Jahr 2023 zurück. «Ich hätte nie gedacht, was aus meinem Hobby entstehen kann. Heute zahle ich mir und einem Mitarbeiter das Gehalt», erzählt Falcone über den Lohn seiner harten Arbeit. Auch das Interesse und die eigene Bekanntheit unter den Genussexperten auf der Food Zurich habe ihn überrascht.

Sakura Austern-Seitling (orange)

Der Sakura Austern-Seitling sieht nicht nur schön aus, sondern soll auch sehr gut schmecken. Bild: zVg

Ein Grund, warum Pilze gerade im Trend liegen, ist, dass sie eine gesunde Alternative zum Fleisch darstellen. Für Falcone sind sie aber auch eine Erweiterung des Nahrungsmittelangebots: «Man kann die verschiedenen Pilzsorten äusserst vielfältig in der Küche einsetzen.» Zwar bieten Pilze nur wenig Kohlenhydrate, dafür enthalten sie reichlich Eiweiss, Aminosäuren sowie viele Vitamine und Mineralstoffe. Und auch die Geschmacksvielfalt spielt eine Rolle. So bieten sich etwa die Pilzsorten Shiitake und Lion’s Mane als Fleischersatz an, während der Sakura mit seinem meeresfruchtartigen Geschmack perfekt zu mediterranen Gerichten passt. Es ist auch einer der Lieblingspilze von Falcone selbst, der privat gerne auf die italienische Küche setzt. Den Hype um die edlen Speisepilze sieht der Gründer erst am Anfang: «Der Trend wird sich vielleicht setzen, aber es wird in den Köpfen bleiben.»

Aus zwei mach drei

Auch im aktuellen Kalenderjahr dürfte es angesichts der Expansionspläne nicht ruhiger werden um den Zwei-Mann-Betrieb im Zürcher Oberland. Mit der gestiegenen Produktion bewegt man sich zudem langsam in Richtung dritte Stelle, wobei jetzt schon Falcones Mutter als Erntehelferin und seine Verlobte in der Buchhaltung bei PilzChef im Einsatz sind. Zuletzt konnte man im Februar bereits einen zweiten Fruchtungsraum in Betrieb nehmen und auch die Industrieanlage bietet noch zusätzliche Quadratmeter an bislang ungenutztem Raum. «Wir sind gerade daran, einen neuen Pilz in das Sortiment aufzunehmen, aber die Sorte darf ich leider noch nicht verraten», erzählt Falcone über aktuelle Laborversuche. Man müsse immer schauen, dass eine neue Pilzsorte zu den vorhandenen Zuchtbedingungen passt. Letztendlich entscheide aber auch die Nachfrage der Kundinnen, welche bunten Fungi demnächst den Weg von Effretikon auf den Teller finden. Wenn alles wie gewünscht verläuft, sollte sich ab Mitte des Jahres die zehnte Pilzart im Angebot von PilzChef befinden. Und auch wenn das Start-up derzeit keinen eigenen Shop als Vertriebskanal betreibt, können Privatkunden sich durchaus per Telefon oder Mail melden und die Produkte vor Ort abholen, um sich selbst ins Abenteuer Pilze zu stürzen.

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Als Redaktor schreibe ich Artikel für unsere Zeitungen und unsere Website, durchforste die sozialen Medien und fahre durch die Region, immer auf der Suche nach der nächsten Geschichte. Ausserhalb des Büros findet man mich meistens im Kino oder neben der Südkurve.
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