Gesundheit

Aufstieg der Zuckerkranken

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Bei der (ungesunden) Ernährung entscheiden wir uns oft unterbewusst. Bild: Subbotina / Depositphotos (TITLE)

Überzuckert die Welt? Eine neue Studie rechnet mit einem rasanten Anstieg der Diabeteserkrankungen. Auch in der Schweiz scheint die Präventionsarbeit nur bedingt zu greifen.

Vor 101 Jahren wurde erfolgreich die erste Insulintherapie an einem Menschen durchgeführt. Der blutzuckersenkende Stoff, der aus dem tierischen Bauchspeicheldrüsengewebe gewonnen wird, führte dazu, dass Diabetes kein Todesurteil mehr ist. Die chronische Stoffwechselerkrankung sorgt dafür, dass aufgenommener Zucker schlecht oder gar nicht mehr verarbeitet werden kann. Der Zucker bleibt somit im Blutkreislauf und kann so für zahlreiche Folgeschäden und -erkrankungen verantwortlich sein.

Ausblick nach dem Jubiläum

Zum Jubiläum der medizinischen Errungenschaft rund um das körpereigene Hormon Insulin veranstaltete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) – mit Sitz in Genf – einen Kongress. Die WHO setzt sich dafür ein, dass alle Menschen auf der Welt einen erschwinglichen Zugang zu einer gleichwertigen Behandlung ihrer Diabeteserkrankung erhalten. Hinzu kommt eine grosse Aufklärungskampagne zur Prävention von Typ-2-Diabetes, welches durch Übergewicht, ungesunde Ernährung und fehlende körperliche Aktivitäten bei allen Menschen auftreten kann. Weltweit leiden rund 529 Millionen Menschen an einer Variante von Diabetes mellitus.

Frau in weisser Kleidung zieht Spritze auf

Das Insulin als Lebensretter. Bild: Kryzhov / Depositphotos

Die Steigerung der Volkskrankheit ist wahrscheinlich die Weltkrankheit, als die Diabetes bezeichnet werden kann, die trotz Behandlung eben noch nicht heilbar ist. Dabei macht die vererbbare Typ-1-Form, welche vor allem im Kindesalter auftritt, nur circa 4 Prozent der gesamten Diabeteserkrankungen aus. Die restlichen 96 Prozent erkranken durch ihren eigenen Lebensstil. Das Gefährliche daran ist, dass die Krankheit überproportional zum Bevölkerungswachstum ansteigt. Die Internationale Diabetes Föderation schätzt die Zahl der Erkrankten für das Jahr 2045 auf 783 Millionen. Eine neue Studie, die im Sommer 2023 veröffentlicht wurde, geht allerdings bereits von 1,3 Milliarden Erkrankungen im Jahr 2050 aus. Je nach Bevölkerungsentwicklung würde dann jeder 8. Erdenbewohner unter Diabetes leiden.

Prävention, Prävention, Prävention

In der Schweiz leben laut Gesellschaft Diabetesschweiz rund 500‘000 Menschen mit der Krankheit. Im Schnitt dauert es hierzulande sieben Jahre, bis eine Diabeteserkrankung vom Typ 2 erkannt wird. «Die Hälfte aller Betroffenen wissen noch gar nicht, dass sie an Diabetes erkrankt sind», heisst es von Seiten Diabetesschweiz. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Diabetes Typ 2 kann dabei die Lebensqualität der Betroffenen steigern.

Gadgets als Messgeräte

Der Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte auf diesem Gebiet betraf vor allem die Insulinherstellung. Mit dem Aufkommen von Fitnesstrackern und -apps kommt allerdings auch bei den Messgeräten etwas Bewegung rein. So arbeitet der Techriese Apple an einem Sensor für seine Smartwatches, die Blutzuckerwerte nicht-invasiv und kontinuierlich messen sollen. Nach Jahren der Forschung haben die EntwicklerInnen in diesem Jahr eine Machbarkeitsstudie für das Projekt vorgelegt. Der nächste Schritt ist, die funktionierende Technik so zu verkleinern, dass sie auch in ein Uhrengehäuse passt.

Das Schweizer Start-up Spiden aus Pfäffikon ZH will die lange Entwicklungszeit der Konkurrenz ausnutzen und arbeitet ebenfalls an einem Sensor, der mit einem optischen Verfahren den Glukosewert im Blut messen soll. Die Technik dafür sei bereits vorhanden, es brauche nur noch spezielle Anpassungen der Hardware, damit es auch in einem Wearable funktioniert, heisst es bei Spiden. Welche Technik sich hier auch durchsetzen mag, vor dem Jahr 2025 dürfte keine dieser Smartwatches für DiabetikerInnen auf den Markt kommen.

Diabeteszug ist einer der zahlreichen kantonalen Ableger der Gesellschaft. Mit über 300 Mitgliedern kümmert man sich genau um die Herausforderungen der Früherkennung und Unterstützung. Die Präventionsarbeit, also die Aufklärung der Öffentlichkeit, gehört ausserdem zu den essenziellen Arbeiten der Gesellschaft. Dabei arbeitet man eng mit dem Kantonsspital in Baar zusammen, bietet eine Ernährungsberatung an und veranstaltet mit der monatlichen Wanderung auch ein gesellschaftliches Event für Betroffene und Angehörige. Wer nicht gleich einen Besuch vor Ort plant, kann auch online auf der Website einen kurzen Risikotest absolvieren.

Frau überprüft Blutzucker an ihren Finger

Noch der ständige Begleiter vieler DiabetikerInnen. Bild: pikselstock / Depositphotos

Aus dessen Punktestand ergibt sich dann eine vorläufige Risikoabschätzung und die Empfehlung, den Test alle paar Jahre – 3 bis 5 Jahre beim Selbsttest des Autors – zu wiederholen. So wurden im letzten Jahr über 330 Tests in Zug durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen auch hier einen steigenden Trend seit 2020 auf. So konnte bei 86 TeilnehmerInnen ein hohes oder sehr hohes Diabetesrisiko festgestellt werden. Im Rahmen der Präventionskampagne war die Gesellschaft im vergangenen Jahr an der Zuger Messe mit einer Plakataktion vertreten, führte Standaktionen in Cham und Steinhausen durch und beteiligt sich zudem jährlich am Blutzuckergeräte-Kontrolltag, an dem die lebenswichtigen Messgeräte überprüft werden.

Ein Apfel am Tag?

Ein Stück grösser angelegt ist die Gesellschaft Diabeteszentralschweiz. Im Luzerner Kantonsspital wird eine umfassende Beratung durch ein Facharztteam angeboten. Von Grundwissen über Diabetes während der Schwangerschaft bis zu Alternativbehandlungen wie der Insulinpumpentherapie. Zusätzlich werden Selbsthilfegruppen sowie eine eigene Gruppe für Kinder angeboten.

Der Zugang zu Informationen und der medizinischen Versorgung ist in der Schweiz also absolut gewährleistet. Der Ball liegt dementsprechend auch bei den BewohnerInnen des Landes. Ausreichend Bewegung und eine gesündere Ernährung, welche nicht zu Fettleibigkeit führt, klingen auf dem Papier einfach, lassen sich aber anscheinend längst nicht so leicht bei jedem im Alltag umsetzen. Denn allein mit der immer älter werdenden Bevölkerung lässt sich der Anstieg der Diabeteserkrankungen in der Schweiz nicht erklären.

Übergewicht kann nicht nur zu Diabetes Typ 2 führen. Bild: ZelmaBrezinska / Depositphotos

«Die starke Zunahme von Diabetes ist alarmierend und stellt eine grosse Herausforderung für jedes Gesundheitssystem der Welt dar», äussert Liane Ong, Hauptautorin der internationalen Studie, welche im Juni 2023 in der Fachzeitschrift «Lancet Journal» veröffentlicht wurde. Das höchste Risiko tragen demnach Länder in Nordafrika, dem Mittleren Osten sowie Lateinamerika. Hier sind die Logistik sowie soziale und finanzielle Hindernisse die grössten Herausforderungen im Kampf gegen Diabetes. In Zeiten von Pandemie und Krieg können diese Faktoren aber auch in der westlichen Welt eine grössere Rolle spielen. Und letztendlich braucht es auch mehr Forschung im Bereich der Genetik, da das Erbmaterial ein wichtiger Faktor für eine mögliche Erkrankung an Diabetes Typ 2 ist.

Risikotest als erster Schritt

Wie hoch ist Ihr Body Mass Index (BMI)?
Haben Sie täglich mindestens 30 Minuten körperliche Bewegung, sodass Sie ausser Atem oder ins Schwitzen kommen?
Essen Sie täglich Früchte und Gemüse?
Gab oder gibt es in Ihrer Blutsverwandtschaft eine Diabeteserkrankung?

Fragen wie diese finden sich im Risikotest von Diabetesschweiz. Der Test ist auf allen Websites der Gesellschaft zu finden.
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Als Redaktor schreibe ich Artikel für unsere Zeitungen und unsere Website, durchforste die sozialen Medien und fahre durch die Region, immer auf der Suche nach der nächsten Geschichte. Ausserhalb des Büros findet man mich meistens im Kino oder neben der Südkurve.
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