Virusinfektion als möglicher Auslöser für Multiple Sklerose

Epstein-Barr-Virus im Verdacht

Eine neue Studie konnte den Zusammenhang zwischen dem Epstein-Barr-Virus und Multipler Sklerose aufzeigen. Veröffentlicht wurde sie in der Fachzeitschrift «Science». Dazu äussert sich nun die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft.

Der Epstein-Barr-Virus (EBV) zählt zu den Herpesviren und kann vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zum Ausbruch des Pfeiffer-Drüsenfiebers führen. Nach einer Ansteckung bleibt das Virus lebenslang im Körper, ohne dabei zwangsweise aktiv zu werden.

Die neue epidemiologische Studie von Bjornevik und Ascherio (Harvard, USA), zu der auch der Schweizer Spezialist Jens Kuhle beigetragen hat, liefert wichtige Resultate zur Beurteilung der Kausalität einer Epstein-Barr-Virusinfektion und dem Auftreten von Multipler Sklerose (MS), heisst es in einer Pressemitteilung der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft. Unter Kausalität verstehen Forschende, ob ein Risikofaktor in der Entstehung einer Krankheit als (Mit-)Ursache eine Rolle spielt. Die Beurteilung der Kausalität zwischen einem Risikofaktor wie der Epstein-Barr- Virusinfektion und dem Auftreten einer Krankheit ist nicht leicht und erfordert verschiedene Arten von Studien. Kausalität kann man nicht direkt beobachten und nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten, sondern es erfordert eine Interpretation einer ganzen Reihe von Studienergebnissen.

Kriterien für Kausalität

Die Kriterien zur Beurteilung der Kausalität wurden schon seit den 1950er Jahren entwickelt und werden von Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation regelmässig angewendet, wie zum Beispiel zur Beurteilung von Risikofaktoren für Krebserkrankungen. Zu diesen Kriterien gehören etwa die Stärke der beobachteten Assoziation, wie ähnlich die Resultate verschiedener Studien sind und ob es aufgrund des biologischen Wissens und Experimenten im Labor plausibel ist, dass ein kausaler Zusammenhang besteht.

Die Studie von Bjornevik trägt wichtige Resultate zur Beurteilung dieser Kriterien bei. Die Stärke der Assoziation zwischen einer Epstein-Barr-Virusinfektion und dem Auftreten der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose ist enorm hoch. Bei Angehörigen der US-Armee trat eine Multiple Sklerose 32-mal häufiger nach einer EBV-Infektion auf als bei Angehörigen ohne EBV-Infektion. Die Studie konnte das Vorhandensein des Risikofaktors zeitlich klar vor der Diagnose einer Multiplen Sklerose bestimmen.

Durch sorgfältige Analysen konnte die Studie zudem aufzeigen, dass das gehäufte Auftreten der MS bei Personen mit einer neuen EBV-Infektion mathematisch nicht zufällig oder mit anderen Faktoren erklärbar war.

Zusammenhang zwischen EBV und MS verstärkt

Die vorliegende Studie stärkt die Evidenz der schon zuvor vorhandenen Studien für einen kausalen Zusammenhang zwischen einer EBV-Infektion und dem Auftreten einer MS. Die oben genannten Kriterien für eine Kausalität wie die Stärke der Assoziation und Temporalität werden durch diese epidemiologische Studie wesentlich verstärkt. Bezüglich der Rolle eines kausalen Auslösers gibt es in der Wissenschaft aber noch zwei weitere wichtige Unterscheidungen. Ist dieser Faktor notwendig zur Entstehung der Krankheit? Und genügt dieser Faktor alleine, um die Erkrankung entstehen zu lassen? Die neue Studie liefert deutliche Hinweise für die erste Frage: EBV ist wahrscheinlich entscheidend für die Entstehung einer MS. Eine EBV-Infektion alleine ist jedoch nicht genügend, um die Krankheitsentstehung zu erklären, denn die grosse Mehrheit der Menschen nach einer EBV-Infektion entwickelt keine MS. Deshalb ist auch weiterhin stark anzunehmen, dass bekannte Risikofaktoren wie bestimmte Gene, Rauchen, oder Vitamin D eine zusätzliche Rolle bei der Entstehung von MS spielen.

Grundstein für die weitere Forschung

Wie die Autoren betonen, ist nun die weitere Untersuchung von antiviralen Therapien und Impfungen in Interventionsstudien wichtig. Denn wenn Interventionsstudien zeigen, dass das Auftreten einer MS durch eine Prävention, wie etwa eine Impfung, reduziert werden kann, dann erhält man ein weiteres wichtiges Indiz, dass eine EBV-Infektion zur Entstehung der MS massgeblich beiträgt.

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