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Klettern und balancieren statt Puppen und Dinosaurier

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Dagmar Rhyner und die Lorzewichtel sind bereit für neue Abenteuer. Bild: Dagmar Rhyner

Als Dagmar Rhyner vor drei Jahren die Spielgruppe «Lorzewichtel» gründete, mangelte es in Cham nicht an Spielgruppen. Doch jene der Chamerin ist nicht wie andere. Denn: Spielzeug sucht man bei den «Lorzewichtel» vergebens. 

Die Jungs simulieren in der einen Ecke einen erbitterten Kampf zwischen Tyrannosaurus Rex und Triceratops, Plastikdinosaurier schnellen immer wieder aufeinander einIn der anderen Ecke frisieren die Mädchen die Barbies und ziehen ihnen Mal für Mal neue Kleider an. Ein Bild, wie es in so mancher Kita und Spielgruppe Usus sein mag – doch bei den «Lorzewichtel» in Cham undenkbar ist. 

Denn die Spielgruppe von Dagmar Rhyner (41) hat sich dadurch einen Namen gemacht, dass sie kurz nach ihrer Gründung im Januar komplett spielzeugfrei wurde. Stattdessen spielen die Kinder mit verschiedenen Bewegungsmaterialien wie Seile, Reifen, Tücher, «Klämmerli», Kissen, Röhren, Deckel und Naturmaterialien. 

Im Gespräch mit FonTimes verrät Rhyner, wie die Idee der spielzeugfreien Spielgruppe entstanden ist, ob die Kinder ihre Spielsachen von zuhause vermissen und was der Vorteil vom freien Spielen ist. 

Frau Rhyner, als Sie vor drei Jahren die «Lorzewichtel» gegründet haben, gab es in Cham bereits zahlreiche Spielgruppen. Was war Ihre Motivation, die «Lorzewichtel» zu gründen? 

Ja, tatsächlich waren wir bereits die siebte Chamer Spielgruppe, jedoch mangelte es seit der Auflösung einer anderen Spielgruppe an einer solchen auf der rechten Lorzenseite. Da kam ich auf die Idee, eine eigene Spielgruppe zu gründen, scheiterte jedoch vorerst am Finden eines passenden Raumes. Schliesslich wurde ich in einem Raum der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Cham an der Schluechtstrasse fündig. Tatsächlich trug dieser auch entscheidend dazu bei, dass wir spielzeugfrei sind. 

Spielgruppe im Wald

Für die Waldspielgruppe geht es auch bei Wind und Wetter nach draussen. Bild: Dagmar Rhyner

Wie? 

In diesem Gemeinschaftsraum sind nicht nur wir eingemietet. So finden darin beispielsweise auch Sitzungen, Versammlungen und kulturelle Angebote PlatzIm Normalfall können wir unsere Utensilien hinter einer Trennwand verstauen, bevor wir den Raum verlassen. Steht jedoch ein Fest an, müssen wir das Material in den Keller transportieren. Ganz zu Beginn, als wir noch einige Spielsachen wie eine Briobahn, Puppen und Autos hatten, realisierten wir, dass dies logistisch in dem uns zur Verfügung stehenden Zeitfenster gar nicht machbar wäre und wir im Keller auch ein Platzproblem hätten. 

Wie geeignet ist der Raum für eine Spielgruppe? 

Zu Beginn war ich mir nicht sicher. Ich überlegte mir, wie ich den Eltern schmackhaft machen soll, dass wir keine Puppen-, Koch- oder «Chrämerliladenecke» haben. Mit der Zeit realisierte ich, was der Raum für ein Potenzial hat: Er ist grossräumig und bietet für die Kinder unglaublich viel Platz, um ihre Kreativität und ihren Bewegungsdrang auszuleben. Ausserdem haben wir genügend Parkplätze vor Ort. 

Zur Person

Dagmar Rhyner ist Inhaberin der «Lorzewichtel» und führt die Spielgruppe mit der Unterstützung von Angela Schnyder. Zusätzlich werden sie an einigen Wochentagen von einer Praktikantin assistiert. Rhyner ist ausgebildete Spiel-/Wald-/Bauernhof- und Purzelbaumspielgruppenleiterin. Sie wohnt in Cham und ist Mutter von zwei Kindern. 

Seid ihr auch draussen unterwegs? 

Gestartet sind wir vor gut drei Jahren als Innenspielgruppe mit je drei Kindern an zwei Morgen. Ein halbes Jahr später waren es bereits je zehn Kinder. Nun sind es drei Innentage mit maximal je zwölf Kindern und wir führen eine Waldspielgruppe. Nach einigen Testtagen letztes Jahr, werden wir im August mit diesem Angebot so richtig starten. Jeweils am Mittwochvormittag sind wir im Streckiwäldli unterwegs. Dafür sind übrigens noch Plätze frei. Am Donnerstagvormittag hatten wir eine Erlebnisspielgruppe, die nur in Kombination mit dem Besuch der Waldspielgruppe oder der Innenspielgruppe möglich gewesen. Dabei sind wir immer draussen, zum Beispiel im Lorzenpark, in der Villette, im Wald oder auf dem Bauernhof. Für das kommende Schuljahr pausieren wir dieses Angebot jedoch, da wir uns aktuell auf die Innen- und Waldspielgruppe konzentrieren möchten. Ausserdem hatten wir ursprünglich für März geplant, am Samstagvormittag ein zusätzliches Angebot zu schaffen: In der Mini-Elki-Vorspielgruppe sollen eineinhalb bis dreijährige Kinder gemeinsam mit einer persönlichen Begleitperson, ob nun Mami, Papi, Götti, Gotti oder einem Grosselternteilalle zwei Wochen spannende Naturerfahrungen machen. Dies haben wir aufgrund der Coronapandemie jedoch auf den Herbst verschoben. 

Kinder haben sich zum Spielen aufgereiht

Den Lorzewichtel wird es auch ohne Spielsachen nie langweilig. Bild: Dagmar Rhyner

Welche Auswirkungen hat die Coronapandemie sonst noch auf eure Arbeit in der Spielgruppe? 

Da gibt es tatsächlich einige Anpassungen, die wir vornehmen mussten. So dürfen wir nicht mehr singen, sondern die Verse nur noch sprechenZudem müssen die Kinder ihr Znüni nun immer von zuhause mitnehmen, das Znüni teilen ist verboten und uns ist es nicht erlaubt, dieses anzufassen. Natürlich tragen wir auch eine Maske, halten uns an sämtliche Vorschriften des BAG. Elternteile dürfen die Spielgruppe nur betreten, wenn es absolut notwendig ist – und nicht mehr als eine Person aufs Mal. Jedoch stehen wir natürlich in ständigem Austausch mit den Eltern, generell ist uns die Qualität sehr wichtig. Entscheidend ist, die Massnahmen spielerisch einfliessen zu lassen. So begründen wir das zusätzliche Lüften damit, dass wir so die Fürze rauslassen können und das Händewaschen machen wir den Kindern mit drei verschiedenen Seifen schmackhaft. 

Die Spielgruppe «Lorzewichtel» ist wie erwähnt spielzeugfrei unterwegs. Vermissen die Kinder nie ihr Plastikspielzeug von zuhause? 

Tatsächlich beklagte sich kürzlich zum allerersten Mal ein Kind, dass ihm langweilig sei (lacht). Ansonsten tatsächlich nicht. Einerseits kennen es die Kinder nicht anders. Auf der anderen Seite sind Kinder sehr kreativ und brauchen nicht viel Materielles, um dieser Kreativität freien Lauf zu lassen. Sie haben zudem Elemente zum Klettern und Balancieren und viel Platz, um sich auszutoben. Entsprechend lassen wir sie meist frei spielen, nur fürs Znüni kommen alle zusammen. Wir sind in der Regel in einer beobachtenden Rolle und greifen ein, wenn es zu Streitereien kommt. Diese werden übrigens durch Spielsachen gefördert – nach dem Motto «das isch miis». 

zwei Plüschdrachen

Die Lorzewichtel-Maskottchen: Fauchi (links) ist der Znünichef und Freddy schaut, dass die Kinder genügend Wasser trinken. Bild: Dagmar Rhyner

Dieser Ansatz erinnert einen unweigerlich an die Pädagogik von Maria Montessori. Zufall? 

Nein, ich schätze ihren Ansatz sehr und wir lassen auch viele ihrer Elemente einfliessen. Ich besuchte auch schon einen Montessori-Kurs. Jedoch wenden wir ihre Pädagogik nicht konsequent an, was für uns ressourcentechnisch auch gar nicht möglich wäre.  

Welche Elemente neben dem Freispiel sind bei den «Lorzewichtel» sonst noch zentral? 

Die Kinder sollen sich bewegen und so ihren Körper besser kennenlernen. Durch das Freispiel und die Bewegung reden die Kinder mehr miteinander, sie erfinden Spiele, helfen sich gegenseitig und bewältigen Konflikte. Ihre Selbstständigkeit, Kreativität, Kommunikation, ihr Sozialverhalten, Vorstellungsvermögen, räumliches Denken und die Sprache werden gefördert. Die Sprachförderung unterstützen wir zudem durch Geschichten und «Sprüchli». Uns ist auch gesunde und ausgewogene Ernährung wichtig und wir sind eine zahnfreundliche SpielgruppeDamit die Kinder zusätzlich genug Wasser trinken, haben wir auch einen Plüschdrachen, der aufpasst. Wir sind seit November 2018 auch eine ausgezeichnete «Purzelbaum-Spielgruppe», einem Projekt des Amts für Sport des Kantons Zug. So nehmen wir auch regelmässig an «Purzelbaum»-Weiterbildungen teil und erhalten vom Kanton finanzielle Unterstützung. 

Mehr Infos gibt es unter lorzewichtel.ch. 

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