Bildung

LISA dem Urknall auf der Spur

2
Das Computermodell von LISA Pathfinder nach seinem Start von der Erde. Bild: ESA–C.Carreau

Mit der Weltraumantenne LISA möchte die Europäische Weltraumorganisation dem Universum auf den Grund gehen. Die erst vor ein paar Jahren nachgewiesenen Gravitationswellen sollen damit erstmals im Weltall gemessen werden. Beteiligt am europäischen Grossprojekt ist auch die Schweizer Industrie und Forschung.

2015 war für die Astronomie ein bedeutendes Jahr. Gemeinsam gelang den beiden Observatorien LIGO in den USA und VIRGO in Frankreich der erste Nachweis von Gravitationswellen kosmischen Ursprungs. Wellen im Raum-Zeit-Kontinuum, die sich mit Lichtgeschwindigkeit durch das Weltall bewegen. Gravitationswellen entstehen, wenn Massen beschleunigt werden. Dies passiert bei Grossereignissen im All wie der Kollision von Schwarzen Löchern, dem Lebensende einer Sonne oder beim Big Bang – dem Urknall, aus dem das Universum entstand.

Der erstmalige Nachweis der sogenannten Schwerkraftwellen war ein wichtiger Schritt für die Wissenschaft und resultierte für drei beteiligte US-Forscher im Nobelpreis für Physik. Auch bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA beschäftigt man sich mit Schweizer Beteiligung bereits seit Jahrzehnten mit den Gravitationswellen. Nach einem wichtigen Zwischenschritt im Jahr 2015, als man den Forschungssatelliten LISA Pathfinder erfolgreich ins All brachte, steht das Grossforschungsprojekt nun vor seiner wichtigsten Phase. Am 25. Januar gab die ESA grünes Licht für den Bau von LISA (Laser Interferometer Space Antenna), ein Observatorium im Weltall zur Erforschung von Gravitationswellen. Das Ziel: neues Wissen über die Entstehung von Galaxien und letztendlich auch die Klärung der Entstehungen des Universums selbst.

Die Wellen müssen ins Eckige

Die Weltraumantenne LISA besteht aus drei Satelliten, die sich auf einer Umlaufbahn um die Sonne bewegen sollen. Räumlich getrennt durch 2,5 Millionen Kilometer, aber in stetigem Austausch durch Laserstrahlen. «Dabei sind sie so positioniert, dass sie scheinbar ein Dreieck bilden», erklärt Professor Philippe Jetzer von der Universität Zürich. Genau diese dreiecksförmige Ebene, die dann im Weltraum entsteht, bildet den Messbereich der Antenne. Ein durchlässiges Netz für Gravitationswellen sozusagen.

Bei der ESA beschäftigte man sich bereits seit Anfang der 1990er-Jahre mit der Idee, Gravitationswellen im Weltraum nachzuweisen. Nach Vorstudien, Berechnungen und Diskussionen wurde es für die europäischen WissenschaftlerInnen im Jahr 2003 konkret. Während in der Schweiz die ETH Zürich sich der Mission von der Ingenieursseite näherte, kümmerte sich Jetzer mit seinem Team um die wissenschaftliche Seite, also die mathematischen Berechnungen und Datenmodelle.

Die Bestätigung der Mission war auch für Jetzer persönlich ein wichtiger Etappenschritt nach 20 Jahren Arbeit am Projekt. «Es war natürlich eine gewisse Erleichterung und gleichzeitig auch eine Freude», so der Professor für Gravitation und Astrophysik. Es sei zudem auch wichtig für die Wissenschaft und den Forschungsstandort Schweiz.

Pfadfinder im All

Forschung im Weltall ist fast immer Pionierarbeit. Es braucht neue Forschungsziele und die passende Technologie, um die gewaltigen Kosten zu rechtfertigen. Dass die Technik funktioniert, konnten und mussten die WissenschaftlerInnen bereits 2015 mit der ESA-Mission LISA Pathfinder nachweisen. «Die Technologie ist am Limit, man kann nicht wie üblich einfach einen Satelliten bauen», erklärt Jetzer. Mit Elektronik der RUAG aus Zürich Seebach an Bord, startete im Dezember 2015 der Forschungssatellit ins All. Als Mitglied des ESA-Science-Teams war auch Jetzer zur Raketenstartbasis in Französisch-Guayana eingeladen. Nach einem problemlosen Start flog LISA Pathfinder zu seinem Ziel. 1,5 Millionen Kilometer entfernt befindet sich der sogenannte L1-Punkt, an dem sich die Anziehungskräfte von Sonne und Erde gegenseitig ausgleichen. Zum Vergleich: Zwischen Sonne und Erde liegen nicht weniger als 150 Millionen Kilometer. Zwei Jahre wurden dort Probemessungen durchgeführt, die die Erwartungen der WissenschaftlerInnen sogar übertrafen und damit die Fortführung der Mission sicherten.

LISA auf Umlaufbahn um die Sonne

Unsere Sonne, die Umlaufbahn der Erde und die Weltraumantenne LISA. Bild: AEI/Milde

Geplant ist der Start von LISA zwar erst für August 2035, die Forschungsarbeiten liefen aber auch vor dem offiziellen Go der ESA weiter. «Es braucht jetzt noch weitere Studien und Prototypen, bevor man in die Produktion der Satelliten geht», erläutert Jetzer die kommenden Arbeiten. Da man die Technik immer erst im Weltall dem Härtetest unterziehen kann, ist die Arbeit mit neuen Satelliten immer eine Herausforderung. Die Laserstrahlen zwischen den drei Satelliten konnte man mit dem einen Forschungssatelliten natürlich nicht testen. Zumindest werden die von der NASA gebauten Laser in Neuchâtel beim Entwicklungszentrum CSEM geeicht.

Wenn die drei LISA-Satelliten einmal im Weltall sind, müssen auch sie zunächst einen Umlauf um die Sonne machen, um sich in die richtige Position zu bringen. Die Weltraumantenne folgt dann quasi der Erde auf einer eigenen Umlaufbahn um die Sonne. Dabei wird jeder Satellit mit zwei Lasern ausgerüstet sein, aber die Messung der Gravitationswellen funktioniert nur als Trio.

Das Leben, das Universum und der ganze Rest

Wenn die ersten Gravitationswellen auf der Erde nachgewiesen wurden, warum braucht es dann überhaupt teurere Satellitenentwicklungen? Ganz ähnlich wie bei optischen Teleskopen schränkt uns die Erde als Standort ein. Lokale Erdbeben können die Datenerhebung erschweren, aber vor allem gewährt uns unser blauer Planet nur einen kleinen Blick ins Universum. «Wir können im Weltraum auf ganz andere Frequenzen schauen, die wir auf der Erde gar nicht sehen», erklärt Jetzer. Es braucht die Distanz zwischen den Messgeräten – 2,5 Millionen Kilometer –, damit man im Millihertzbereich messen kann. Dadurch verspricht man sich, die Kollisionen von grösseren Schwarzen Löchern messen zu können, welche die Massen von mehreren Millionen Sonnen besitzen können.

LISA Satellit mit Lasern im All

Eine Visualisierung eines LISA-Satelliten und von Gravitationswellen. Bild: NASA/C. Henze

Wenn LISA wie geplant funktionieren wird, dann können sich die Kollisionen der supermassiven Schwarzen Löcher beobachten lassen. Da sich die Gravitationswellen mit Lichtgeschwindigkeit bewegen und fast ungestört durch das Universum rasen, zeigen sie uns längst vergangene Ereignisse. So stammten die ersten nachgewiesenen Gravitationswellen von einer Kollision zweier Schwarzer Löcher, die rund 1,3 Milliarden Lichtjahre weit von der Erde weg geschah. Aus der Beobachtung verspricht man sich, herauszufinden, wie sich Schwarze Löcher bilden, aber auch neues Verständnis über die Entwicklung einer Galaxie sowie die Struktur unserer Galaxie, der Milchstrasse.

Bei allem Wissen um die Funktionen und Messgeräte von LISA, gibt es auch noch die Hoffnung, dass man mit der Weltraumantenne zusätzlich Gravitationswellen-Hintergrundstrahlung messen kann. «Wenn man die entdecken würde, könnte man etwas über die Entstehung des Universums in der ersten Phase sagen, über die ersten Sekunden nach dem Urknall», so Jetzer. Der Ursprung des Universums vor rund 13,8 Milliarden Jahren hat noch viele offene Fragen für die Menschheit parat. Denn bisher lässt sich selbst mit dem modernen Weltraumteleskop James Webb nur zeitlich knapp davor blicken.

Zwei Schwarze Löcher erzeugen Gravitationswellen

Zwei Schwarze Löcher kreisen umeinander und erzeugen dabei Gravitationswellen. Bild: Geraint Paten

«Ich werde nicht bis 2037 im Amt sein, aber wir haben es weit gebracht», erklärt Jetzer. Denn frühstens dann kann man mit den ersten ausgewerteten Daten rechnen. Und so können von der ersten Idee am Kaffeeautomaten bis zur Präsentation der Forschung schon mal 50 Jahre vergehen. Weltraumforschung als Generationsprojekt.

2

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

175 posts

About author
Als Redaktor schreibe ich Artikel für unsere Zeitungen und unsere Website, durchforste die sozialen Medien und fahre durch die Region, immer auf der Suche nach der nächsten Geschichte. Ausserhalb des Büros findet man mich meistens im Kino oder neben der Südkurve.
Articles
Related posts
Bildung

Neue Polit-Talkshow lädt zum Mitdiskutieren ein

Im Debattierhaus Karl der Grosse in Zürich findet am 2. April die zweite Ausgabe der Talkshow «Voll auf die 12» statt. Das…
Bildung

Kreativ und spielerisch für die Welt von morgen

An der Zeughausgasse in Zug verbirgt sich mit dem K’werk ein ausserschulisches Bildungs- und Kulturangebot, wo Kinder gestalterisch gefördert werden. Durch verschiedene…
Bildung

Das grosse Reptiliensterben

Die Zahl der Reptilien in der Schweiz sinkt von Jahr zu Jahr, obwohl diese Tiere einen wertvollen Teil der hiesigen Umwelt darstellen….