Kultur

«In Zug künstlerisch aktiv zu sein, ist teuer»

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«Wir wollen keine Verwalter sein» lautet eine der Devisen des Kunsthauses Zug. Bild: Jorit Aust Photography

Das Kunsthaus Zug ist einer der Leuchttürme unter den Zuger Kultureinrichtungen. Was die Verantwortlichen nächstes Jahr für die Besucherinnen und Besucher bereithalten und wie sich das Kunsthaus vergrössern soll, erzählt Kurator Matthias Haldemann im Interview.

Matthias Haldemann, aktuell zeigt das Kunsthaus Zug die Fotografie-Ausstellung von Guido Baselgia, der lange im Kanton Zug gelebt hat. Wie läuft die Ausstellung?

Die Besuchenden sind beeindruckt. Seine Aufnahmen aus Galizien von 1990, heute in der Westukraine, haben eine schmerzliche Aktualität. Unsere Kunstvermittlerinnen diskutieren sie mit ukrainischen Flüchtlingsfamilien; auch beim Zuger Publikum lösen die Bilder Gefühle aus.

Die Besucherzahlen im Kunsthaus sind stagnierend bis rückläufig, auch nach Corona. Gegenüber der «Zuger Zeitung» erklärten Sie, dass Corona und die anschliessende Energiekrise Sie zu einschneidenden Programmänderungen gezwungen haben, was sich auch auf 2023 auswirkte. Was können Sie im neuen Jahr machen, damit die Besucherinnenzahlen wieder steigen? Gibt es konkrete Pläne?

Wir wollen massgeschneiderte Ausstellungen machen, die Menschen bewegen, überraschen, erfreuen, manchmal herausfordern. Wir sind kein umsatzorientiertes Unternehmen. Im Februar 2024 können wir einen der spannendsten interdisziplinären Künstler des 20. Jahrhunderts erstmals in der Schweiz mit zwei Ausstellungen vorstellen: Friedrich Kiesler (Galizien, Wien, New York). Leihgaben kommen aus New York, Wien und Deutschland exklusiv nach Zug. Wir kümmern uns um Transporte, Versicherungen, forschen für ein Buch, machen ein musikalisches Begleitprogramm, gleisen das Vermittlungsprogramm für Jung und Alt auf, diskutieren mit Kunstschaffenden aus Zug, Berlin, Wien und New Mexico über eine Teilnahme an der zweiten Kiesler-Ausstellung und möchten einen Beitrag zum innovativen Kulturstandort Zug leisten.

Kurator Matthias Haldemann weiss, wohin es mit dem Kunsthaus Zug gehen soll. Bild: Stefan Kaiser

Die Zuger Kunstgesellschaft und die Freunde Kunsthaus Zug haben beim Stadtparlament 100’000 Franken zusätzlich fürs kommende Jahr beantragt, insgesamt beläuft sich das Budget auf 757000 Franken. Wofür wird dieses zusätzliche Budget benötigt?

Erfreulicherweise hat auch der Kantonsrat unserem Antrag vollumfänglich und diskussionslos zugestimmt. Wir benötigen die Mittel für die Transformation des Betriebs in die Zukunft. Vieles musste aus finanziellen Gründen allzu lange unbewältigt bleiben. (Anm. d. Red.: Die rund 100’000 Franken beinhalten eine Erhöhung von rund 36’000 Franken im Betriebsbeitrag, 20’000 Franken für einen integrierten jährlichen Beitrag an die Ausstellungen, 15’000 Franken an den Betrieb des Schaudepots im Tech Cluster sowie 26’000 Franken für die Übernahme der Kosten des Depots im Kulturgüterschutzraum Parkhaus Casino Zug.)

Die beim Publikum beliebte Kunsthaus-Bar musste geschlossen werden, weil die private Finanzierung nicht mehr sichergestellt werden konnte. Helfen da die zusätzlichen 100000 Franken Budget, um sie wieder zu eröffnen oder für ein alternatives Projekt?

Die öffentliche Hand subventioniert keine Bar. Wir bemühen uns um eine minimale Lösung, damit Besuchende sich gastlich aufgenommen fühlen. In nächster Umgebung gibt es attraktive Alternativen, die wir empfehlen.

Im vergangenen Herbst hätte die neue und interaktive digitale Plattform fertiggestellt werden sollen. Sie soll dem Kunsthaus zu mehr Visibilität verhelfen und die lokale, nationale und internationale Öffentlichkeit über die Prozesse des Hauses und der Sammlung orientieren sowie dazu einladen, sich interaktiv zu beteiligen.

Die partizipative Website «Das transparente Museum» wird erst Ende Januar aufgeschaltet. Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Sie wird uns weiterbringen und enger mit der Öffentlichkeit verbinden. Es soll nämlich nicht nur kommuniziert werden, was gerade im Angebot ist, sondern auch was wir vorbereiten. Zum Beispiel den Prozess der Erweiterung. Oder was sich an Kunstschätzen in unseren vier Lagern verbirgt, das aus Platzmangel nicht gezeigt werden kann. Eine solche Website gibt es noch nicht. Dank öffentlicher und privater Mittel durften wir sie mit Experten in Amsterdam, Berlin und Rotterdam entwickeln. Auf die Feedbacks freuen wir uns.

Portrait Galaxy of Henri Laugier

Friedrich Kieslers «Portrait Galaxy of Henri Laugier» von 1949. Foto: Kevin Noble, The Estate of Frederick Kiesler, New York © Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung, Wien

Sie sind zurzeit an der Planung einer räumlichen Erweiterung. Wie soll diese aussehen?

Es geht um mehr Platz für die Kunst. Wir wollen das Haus noch weiter öffnen, räumlich und mit zeitgemässen Angeboten für die Menschen. Wir denken über die Aufgaben des Kunsthauses in einer veränderten Zeit und in einer dynamisch sich transformierenden Stadt nach.

Wie möchten Sie das Kunsthaus im nächsten Jahr weiterentwickeln und positionieren? Welche strategischen Ziele haben Sie sich für das kommende Jahr gesetzt?

Im Sommer dürfen wir die Halle 11 auf dem Areal der V-Zug als Schaudepot eröffnen; dank Unterstützung von Stadt, Kanton und vom Tech Cluster Zug: «Kunsthaus Zug meets Industry». Diese Erweiterung entspricht unserer Praxis. Das Kunsthaus Zug ist das einzige Schweizer Museum, das ausserhalb seiner Mauern mit Projekten an wechselnden Standorten aktiv ist. Damit erreichen wir andere Menschen an anderen Orten. Auf der neuen Website kann man erfahren, dass das Kunsthaus Zug in Schulen, im Strandbad, im Gefängnis, im Bahnhof, im Daheimpark, im See «anzutreffen» ist. Diese Publika lassen sich nicht beziffern. Kunst ist dort Teil des alltäglichen Lebens.

Arch as a Rainbow of Shells

Der «Arch as a Rainbow of Shells» von Friedrich Kiesler, 1960–1965, The Estate of Frederick Kiesler, New York © Österreichische Friedrich und LillianKiesler-Privatstiftung, Wien

Welche Ausstellungen und Veranstaltungen sind für das kommende Jahr geplant?

Nach Kiesler zeigen wir im Herbst drei Kunstschaffende der mittleren Generation mit Bezug zur Zentralschweiz und zum Kanton Zug. Ihnen stellen wir das gesamte Haus zur Verfügung, wissend, dass wir keine Massen anlocken. Die Kultur muss sich kreativ weiterentwickeln, neue Blicke auf die verwirrende Welt sollen uns weiterbringen. Wir wollen keine Verwalter sein. Und wir zeigen zuletzt Schätze aus der Sammlung, die heute noch etwas zu sagen und zu zeigen haben. Dazu Picasso mit 41 Gravüren aus einer Zuger Privatsammlung.

Wie hat sich die Kunstszene in der Kolinstadt in den letzten Jahren entwickelt und wie beeinflusst das das Kunsthaus Zug?

Die Stadt Zug ist klein. Hier künstlerisch aktiv zu sein, ist teuer. Um voranzukommen, muss man auch in die Welt hinaus, sich dort messen, Neues aufnehmen, Kontakte knüpfen, Sammler finden. Die öffentliche Hand fördert regionale Kunstschaffende, wo immer sie sind. Und wir holen einige von ihnen für Ausstellungen zurück, finden aber auch hier Interessantes.

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