Alt versteht Jung nicht und umgekehrt. Der vielfach heraufbeschworene Konflikt zwischen den verschiedenen Generationen wird in der Arbeitswelt von der Realität überholt. Denn tatsächlich profitiert sowohl das Unternehmen als auch die Arbeitnehmenden von altersdiversen Teams auf vielfältige Weise.
«Die Generation Z ist dermassen arbeitsfaul und nimmt sich Freiheiten heraus, von denen wir früher nur hätten träumen können.» «Dafür habt ihr euch so gar nicht um eure mentale Gesundheit gekümmert, was bis heute Folgen hat.» Die Diskussion zwischen und über Generationen ist keineswegs neu, doch aktuell gerade wieder sehr präsent und sie wird nicht selten mit Schubladisierungen verbunden.
Während bei der Freizeitgestaltung gerne der Kontakt mit Gleichaltrigen gesucht wird, ist am Arbeitsort diese Wahlmöglichkeit nur in sehr begrenztem Ausmass gegeben. Stattdessen prallen verschiedene Generationen aufeinander, für die es gilt, an einem Strang zu ziehen und gemeinsam im bestmöglichen Interesse des Unternehmens zu agieren. Vielfach wird in diesem Zusammenhang auf die Unterschiede zwischen den Generationen hingewiesen, wie die Sozialisation kaum zu vergleichen sei und die gesetzten Schwerpunkte in der Lebensgestaltung wie die Balance zwischen Arbeit und Freizeit doch äusserst verschieden seien.
Tatsächlich zeigen mehrere aktuelle Studien und Expertenanalysen, dass die Unterschiede zwischen den Generationen in der Arbeitswelt häufig überschätzt werden. So kommt etwa der Soziologe Martin Schröder nach Auswertung von Hunderttausenden Umfragen zu dem Schluss, dass es kaum Belege dafür gebe, dass die Einstellung zu Arbeit und Beruf tatsächlich mit dem Geburtsjahr zusammenhängt. Vielmehr seien Unterschiede meist auf das Lebensalter und den jeweiligen Zeitgeist zurückzuführen, nicht auf eine spezifische Generationenzugehörigkeit.
Das Wissen bleibt erhalten
Altersunterschiede spielen also durchaus eine Rolle, wobei hier die Chancen überwiegen. So bringen ältere Mitarbeitende wertvolles Erfahrungswissen, ein weitreichendes Netzwerk an Kontakten sowie Branchenkenntnisse ein, während jüngere KollegInnen aktuelle Fachkenntnisse, digitale Kompetenzen sowie innovative Ansätze beisteuern können. Eine Kombination, die den Blick auf Herausforderungen erweitert und kreative Lösungen fördert.

Jüngere Mitarbeitende müssen sich ihr Netzwerk meist erst noch erarbeiten. Bild: Wavebreakmedia / Depositphotos
Unterschiedliche Generationen hinterfragen ausserdem Selbstverständlichkeiten, was konstruktive Diskussionen und Innovation begünstigt. Der Wissenstransfer zwischen Jung und Alt sorgt für kontinuierliches Lernen im Unternehmen. So bleibt wertvolles Wissen erhalten und die Innovationskraft steigt. Auch werden Wissensverluste beim Ausscheiden älterer Mitarbeitender so vermieden. Der Wissenstransfer muss von Seiten des Arbeitgebers nicht zwingend aktiv gefördert werden, sondern kann sich durch die Konstellation und das Teamgefüge automatisch ergeben. Ein organischer und natürlicher Austausch ohne Zwang von oben kann sich wiederum positiv auf das Arbeitsklima auswirken.
Diversität auch beim Alter
Gleichzeitig spielt das sogenannte Generationenmanagement in Unternehmen unabhängig derer Grösse als Teil des Diversity Managements eine zentrale Rolle. Gemäss einer Studie der Hochschule Luzern von 2019 sehen 78 Prozent der Grossunternehmen und 69 Prozent der KMU Generationenmanagement als wichtigen Beitrag zur Arbeitgeberattraktivität und zum Erhalt von Wissen im Unternehmen. Während Diversity Management die Vielfalt der Mitarbeitenden in Bezug auf Geschlecht, Herkunft, Sprache, Behinderung, sexuelle Orientierung und Alter adressiert, nimmt Generationenmanagement gezielt die Altersdiversität und die Zusammenarbeit verschiedener Generationen in den Fokus. Die HR-Abteilungen sind sich insbesondere angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels der wachsenden Bedeutung von Generationenmanagement bewusst.
Denn Unternehmen, die Generationenmanagement aktiv betreiben, positionieren sich als moderne und attraktive Arbeitgeber, was wiederum zur Stärkung der Marke beiträgt. Sie profitieren von einer besseren Mitarbeiterbindung, einem positiven Arbeitgeberimage und einer höheren Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt. Massnahmen wie Mentoring-Programme, generationenübergreifende Teams und Workshops zu Vorurteilen sind gängige Instrumente, um hierbei die Zusammenarbeit zu stärken.
Mehr als nur «nice to have»
Generationenmanagement aktiv betreiben oder wirken lassen – Vanessa Zeilfelder sieht darin keinen Widerspruch. Sie ist Beraterin und Geschäftsführerin von Loopings, einem Kompetenzzentrum für Arbeit 45+. Loopings unterstützt Menschen ab der Lebensmitte dabei, ihre berufliche Zukunft selbstbestimmt und kreativ zu gestalten. Zudem inspiriert es Unternehmen und Organisationen bei der Entwicklung zukunftsorientierter Arbeits-, Lern- und Karrieremodelle. «Als Unternehmen kann man schauen, wie sich der Austausch zwischen den Generationen entwickelt und bei Bedarf Akzente setzen und das Thema auf die Agenda setzen», erklärt sie. «Wir haben gute Erfahrungen mit entsprechenden Workshops und Angeboten gemacht, damit ein Raum geschaffen wird, in dem sich miteinander beschäftigt und die gegenseitigen Vorlieben, Werte und Bedürfnisse herausgespürt werden kann.»

Vanessa Zeilfelder ist Co-Geschäftsführerin von Loopings. Bild: loopings.ch
Wer im Zusammenhang mit Generationenmanagement an Luxusmassnahmen glaubt, die eher einem «nice to have» entsprechen und in vielen Unternehmen nicht mit der harten Realität von Effizienz, Fakten und nackten Zahlen vereinbar sind, der verkennt die Realität. Denn mehrere Studien zeigen, dass altersdurchmischte Teams produktiver sind und die Fluktuation sinkt, da sich Mitarbeitende stärker mit dem Unternehmen identifizieren. Und gerade wenn das Unternehmen in unruhiges Fahrwasser gerät, sei es aufgrund von internen oder externen Einflussfaktoren, zeigen sich dabei wiederum die Vorteile altersgemischter Teams, sind sie doch widerstandsfähiger gegenüber Veränderungen, da sie sowohl auf bewährte Methoden als auch auf frische Ideen zurückgreifen können. Anpassungsfähigkeit und Resilienz bilden da die zentralen Faktoren, um den Sturm möglichst gut zu überstehen.
Ein scheinbar ungleiches Duo
Das Generationenbarometer der Hochschule Luzern für das Jahr 2023 zeigt, dass insbesondere ältere Mitarbeitende das generationenübergreifende Miteinander schätzen, währenddem die jüngere Generation die Zusammenarbeit mit Gleichaltrigen tendenziell bevorzugen. «Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die Jüngeren nicht von der Zusammenarbeit mit älteren KollegInnen profitieren», betont Zeilfelder. Zumal sich Lerneffekte oftmals auch unterbewusst einstellten.
Sie erwähnt in diesem Zusammenhang ein Beispiel von einem Unternehmen, das mit Loopings zusammenarbeitet und bei dem ein sehr erfahrener Recruiter mit einer jungen Recruiterin «fast schon ein Tandem bildet». Während sie ihm bestimmte Tools und Kniffe zeige, könne er in herausfordernden Situationen dank seines Erfahrungswissens wertvolle Inputs geben. «Gegenseitiges Lernen auf Augenhöhe ist die Idealform generationenübergreifenden Arbeitens.» Die Basis für eine solche Zusammenarbeit bilde auf jeden Fall gegenseitiger Respekt und ehrliche Neugier.
Die Relevanz steigt
Freilich wirken sich altersdurchmischte Teams nicht nur intern positiv aus, sondern folgt daraus auch eine bessere Kundenorientierung: Da auch die Kundschaft altersdivers ist, können altersgemischte Teams die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen besser verstehen und gezielter ansprechen, was die Kundenbindung verbessert.

In Workshops kann vertiefter auf die Bedürfnisse und Stärken der verschiedenen Altersgruppen eingegangen werden. Bild: HayDmitriy
Nicht nur deswegen ist Zeilfelder überzeugt davon, dass Generationenmanagement in den kommenden Jahren zusätzlich an Bedeutung gewinnen wird. «Mit dem sich verstärkenden Arbeits- und Fachkräftemangel können es sich viele Unternehmen gar nicht mehr leisten, aus Altersgründen auf qualifizierte und gut geeignete Arbeitskräfte zu verzichten.» Zuletzt hätten innerhalb des Diversity Managements zwar andere Themen gerade auch in medialer Hinsicht grössere Aufmerksamkeit genossen, doch sei grundsätzlich die Relevanz von Generationenmanagement mittlerweile erkannt worden. «Währenddem dies in manchen Unternehmen allerdings noch nicht aktiv bearbeitet wird, ist Generationenmanagement andernorts im Zielbild mit einer verbindlichen Haltung und konkreten Vorgaben fest verankert.»
Sie erinnert daran, dass Generationenmanagement keine Einbahnstrasse ist, sondern gilt es aus Sicht des Arbeitgebers, daran interessiert zu sein, verdiente Mitarbeitende möglichst lange im Unternehmen und fit für den Arbeitsmarkt zu halten, insbesondere in Berufsbildern, die dem Fach- und Arbeitskräftemangel unterliegen. Dazu gehört auch, passende Weiterbildungsangebote zu ermöglichen oder dabei zumindest unterstützend zu wirken. Auf der anderen Seite müssen Arbeitnehmende Offenheit und Bereitschaft signalisieren, sich stetig weiterzubilden – unabhängig vom Alter.