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Mit Visible Mending dem Pulli neues Leben schenken

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Wer Risse schön zunähen kann, muss sich wegen eines Lochs nicht gleich von seinem geliebten Kleidungsstück trennen. Bild: darksoul72 / Depositphotos

Damit kleine Risse und Löcher in den Kleidern sich nicht vergrössern, müssen sie zugenäht werden. Mit bunten Fäden und Stoffstücken können Flickstellen dabei verziert und das Kleidungsstück gar aufgewertet werden. Dieser Trend zu sichtbarer Flickarbeit nennt sich Visible Mending, hat japanische Wurzeln und das Internet erobert.

Wer auf seinem T-Shirt einen Riss entdeckt, muss weder verzweifeln noch sich vom geliebten Kleidungsstück trennen. Mit ein wenig Handgeschicklichkeit kann das Loch geflickt werden und muss dabei kein Dorn im Auge sein, sondern kann die kreative Flickarbeit das T-Shirt sogar aufpeppen. Der Trend, Kleidungsstücke mit etwas Garn zu schmücken und so deren Lebensdauer zu verlängern, erobert unter dem Begriff Visible Mending aktuell das Internet und macht sich in sozialen Medien wie Instagram und Pinterest breit. 

Beim Visible Mending – zu Deutsch «sichtbare Flickarbeit» – geht es darum, Löcher und verrutschtes Garn auf auffällige Art und Weise mit etwas Faden zu reparieren. Statt den Riss möglichst unauffällig zu stopfen, werden bei diesem Trend verschiedene Fäden meist in knalligen Farben zur Hand genommen. Durch die sorgfältige Flickarbeit entsteht auf dem Stoff ein kleines Kunstwerk, welches das Kleidungsstück schmückt. Ob man ein Muster stickt, ein Insekt wie eine Biene oder einen Marienkäfer abbildet, oder gleich ein Stoffstück auf respektive unter das Loch näht – die reparierte Stelle wird so im Nu zum trendigen Blickfänger. 

Ein Trend mit japanischen Wurzeln

Die Ursprünge des Ansatzes, Kleidungsstücke offensichtlich erkennbar zu besticken, lassen sich bis ins Japan der Edo-Zeit zurückverfolgen. Diese dauerte vom 17. bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals war es der Arbeiterklasse verboten, teure und auffällige Stoffe wie Seide zu tragen. So haben die Arbeiterinnen Sashiko erfunden, was sich mit «kleine Stiche» übersetzen lässt. Dabei haben sie mit auffälligem Garn einfache Linien und Kreuze oder gar komplizierte traditionelle japanische Motive auf indigoblau gefärbte Leinenkleider gestickt. Dies half, mehrere Stoffschichten zusammenzuhalten, die Lebensdauer des Kleidungsstücks erheblich zu verlängern und dieses durch die enger aneinanderliegenden Stoffe etwas wärmer zu machen. 

ein Sashiko-Muster

Die japanische Handarbeit Sashiko war einst zweckmässig, heute eine teils aufwendige und kostspielige Tradition. Bild: Lora-Sutyagina / Depositphotos

Ein willkommener Nebeneffekt war schon damals, dass die Muster die Kleidung verschönerten. Dank dieser kostengünstigen Stickmethode konnten auch Menschen aus ärmeren Sozialschichten Japans ihre Kleidungsstücke personalisieren und sich geschmückt fühlen, ohne das Gesetz zu brechen. Heute gehört Sashiko zur japanischen Tradition und so werden zahlreiche indigoblaue Kleider mit traditionellen mandalaähnlichen Mustern oder kleinen weissen Kreuzen bestickt.  

Einzigartig verschönert

Visible Mending kann neben den traditionellen japanischen Mustern viele verschiedene Formen haben, ob als dekoratives Detail oder zum Stopfen von Löchern. Auch Flecken wie zum Beispiel von Kaffee, Farbe oder Öl können mit etwas Stickarbeit verschönert, überspielt, versteckt oder gar umrahmt werden. Durch diese individuellen Verzierungen erlangt das Kleidungsstück ein persönliches Flair. 

Eine eingestickte Blumenwiese auf einem Kleidungsstück

Ein ausgefranster Saum kann sich in eine Blumenwiese verwandeln. Bild: Instagram Adriana Oliveira

Die eigene Kleidung zu besticken, benötigt etwas Mut, denn immerhin könnte der Riss am Lieblings-T-Shirt nach einer unglücklichen Flickarbeit umso grösser werden. Dabei ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, dass das kleine Kunstwerk nicht perfekt aussehen muss. Wenn sichtbar ist, dass das Kleidungsstück von einem Laien gestopft wurde, erlangt das ganze Outfit zusätzlichen Charme. Auch kann beim Flicken eine besondere Beziehung zum Kleidungsstück aufgebaut werden, wenn dieses mit Liebe und Sorgfalt verziert wird. 

An die Nähnadeln

Um auf eigene Faust ein Loch schön zu stopfen, werden nur wenige Dinge benötigt – eine Nadel, verschiedene Fäden, einige Stecknadeln und vielleicht ein paar kleine Stoffstücke. Bevor man mit dem Mending loslegt, empfiehlt sich, das ganze Kleidungsstück eine Weile lang zu betrachten. Welche Form hat das Kleidungsstück, welche Textur hat der Stoff, welche Farben sind vertreten? Als Nächstes steht die Wahl der Materialien für das Mending an. Am besten legt man dafür jene, die in Frage kommen, auf das Kleidungsstück und probiert verschiedene Kombinationen von farbigen Fäden und vielleicht auch Stoffstücken aus. Bevor man mit dem Mending beginnt, sollte man festlegen, welche Materialien man verwenden, mit welchen Stichen man arbeiten und wo genau man das neue Muster platzieren möchte. 

Ein zugewobenes Loch auf einem Kleidungsstück

Mit dem einfachen Vorstich horizontal und vertikal lassen sich Löcher zuweben. Bild: Instagram Collingwood-Norris Mending

Das Flickmuster kann so einfach oder kompliziert sein, wie man möchte. Damit das Mending auch wirklich ins Auge sticht, kann man mit grossen Stichen arbeiten. Auch Kombinationen von dünneren und etwas dickeren Fäden in verschiedenen Farben kreieren echte Hingucker. Zum Beispiel lassen sich Löcher mit einem gewohnten Vorstich, bei dem man eine gerade Linie mit kleinen Stichen kreiert, sozusagen zuweben. Dieser Vorstich kann vertikal und horizontal durch den Stoff, um das Loch herum sowie im Loch selbst ausgeführt werden. So entsteht ein Patch aus Fäden, der in knalligen Farben einen schönen Effekt ergeben kann. 

Bunte Blumen und putzige Patches

Kleinste Risse können mit etwas Stickarbeit zu Blumen werden. Dafür kann man zum Beispiel den Saum des Lochs mit einem Knopflochstich versehen oder den Riss mit wenigen Stichen einfach zunähen. Danach sind die Blütenblätter dran, die mit je vier bis fünf Stichen entstehen. Mit etwas grünem Faden können Blätter hinzugefügt werden, welche die Blumen umrahmen. Für die Blätter macht man eine lockere Schleife für das Blatt an sich, dann sticht man mit der Nadel dort, wo der Stiel beginnen soll, durch. Anschliessend greift man die Schleife auf und sticht wieder in den Stoff hinein, sodass die Schlaufe etwas gespannt ist. Wer noch etwas dunkelgrünen Faden hat, kann den Blättern mit einem oder zwei Stichen in der Mitte des Blattes – also in der Mitte der Schlaufe – etwas Tiefe verleihen.  

Ein eingesticktes Muster auf einem Ärmel eines Pullovers

Kleine Löcher können mit einem Blumenmuster verziert werden. Bild: Instagram Collingwood-Norris Mending

Patches lassen sich ganz einfach auf Löcher sticken oder kleben, nach Belieben von der Aussen- oder Innenseite. Damit der Stoff besser hält, können hübsche Stickereien an den Rändern ihn festigen. Die Patches sollten vom Material her dem Stoff, der geflickt werden soll, möglichst ähnlich sein, sodass sie sich nicht zu sehr vom Hauptstoff abheben. Wenn aber zum Beispiel ein Patch aus Spitze auf Jeansstoff genäht werden soll, kann das Loch zuerst mit einem anderen Stoff geflickt werden. Die dünne Spitze allein würde den Jeansstoff höchstwahrscheinlich nur ungenügend zusammenhalten. Doch als Dekoration auf einem robusteren Patch kann sie ein schöner Blickfänger sein.  

Auch wenn konkrete Anleitungen für kreatives Löcherstopfen existieren, darf nicht in Vergessenheit geraten, dass diese in erster Linie zur Inspiration dienen. Schliesslich ist jeder Riss und jedes Kleidungsstück einzigartig und benötigt einen individuellen Ansatz.  

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Wenn ich nicht gerade an einem Artikel für FonTimes schreibe, kann man mich beim Lesen, Zeichnen und natürlich beim Yoga erwischen. Als gelernte Übersetzerin begeistere ich mich für Sprachen und bin immer für eine Tasse Tee zu haben.
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