Nachhaltig

Mit einer Pilz-Impfung zu mehr Ernte

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Die Studie wurde auf Maisfeldern durchgeführt. Bild: Franz Bender

Forschende unter anderem der Universitäten Zürich und Basel konnten in einem grossen Freilandversuch aufzeigen, dass Mykorrhiza-Pilze in Ackerböden dafür sorgen können, den Ernteertrag zu steigern und die Pflanzen resistenter gegen Krankheiten zu machen. Der Ansatz birgt für die Landwirtschaft grosses Potenzial.

Die Schweizer Landwirtschaft sieht sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Es soll umweltfreundlich, mit möglichst geringer Verwendung von Pestiziden und Dünger und gleichzeitig genug produziert werden. Krankheiten und mit dem Klimawandel zusammenhängende Wetterereignisse können zu Ernteausfällen führen, um nur einige davon zu nennen.

Wird als Reaktion auf Schädlingsbefall und Krankheiten auf den Einsatz von Pestiziden und Dünger gesetzt, kann sich dies beispielsweise durch Übersäuerung wiederum negativ auf die Bodenqualität auswirken. Eine Lösung für Landwirte wäre entsprechend eine boden- und grundsätzlich umweltschonende Alternative, um ihren Ernteertrag zu steigern.

Forschende auf Feld bei der Arbeit

Die Forschenden bereiten Probennahmen vor. Bild: Stefanie Lutz, Natacha Bodenhausen

Diese Möglichkeit besteht tatsächlich und zwar in Form einer Impfung für die Böden. Was nach einer Spritze aus dem medizinischen Labor klingt, ist tatsächlich eine Vakzinierung mittels Mykorrhiza-Pilzen, welche als Nützlinge die Pflanzen bei der Nährstoffaufnahme unterstützen. Arbuskuläre Mykorrhiza-Pilze leben symbiotisch mit Pflanzen und sind ein wichtiger Bestandteil des natürlichen Ökosystems. Sie dienen quasi als Verlängerung des Wurzelsystems, indem sie sowohl die Wurzeln als auch das umliegende Erdreich besiedeln.

Während die Pilze von der Pflanze Zucker aus der Photosynthese erhalten, helfen Mykorrhizen dabei, Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor für Pflanzen verfügbar zu machen, die Bodenstruktur zu verbessern und dadurch die Stresstoleranz von Pflanzen zu erhöhen. Studien zeigen, dass bis zu 80 Prozent des pflanzlichen Phosphors, das für das Wachstum von grosser Bedeutung ist, via Mykorrhiza-Symbiose anstatt direkt über die Pflanzenwurzeln aufgenommen werden. Zudem schützen die Pilze vor Krankheiten, da die Immunabwehr der Pflanze gestärkt wird.

Befunde, die Hoffnung machen

Zwar wird die Mykorrhiza-Impfung von Ackerböden im Biolandbau mancherorts bereits angewandt, doch besteht weiterhin Forschungsbedarf, wenn es darum geht, die Wechselwirkung zwischen den Pflanzen und den verschiedenen Pilzen in grösserem Umfang zu erfassen, um das Potenzial optimal nutzen zu können.

Impfung auf Acker

Nur ein kleiner Piks: Die Impfung wird vollzogen. Bild: Stefanie Lutz, Natacha Bodenhausen

Einen wichtigen Schritt hierbei gelang letztes Jahr einem Team von Forschenden der Universitäten Zürich und Basel, von Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für Forschung in der Land- und Ernährungswirtschaft, sowie dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau, kurz FiBL. Das Team hat in einer grossangelegten Studie aufzeigen können, dass das Ausbringen von Mykorrhiza-Pilzen im Feld tatsächlich einen positiven Effekt erzielt. Konkret wurden auf 54 Äcker und insgesamt 800 Kleinparzellen Pilze vor der Aussaat in den Boden eingearbeitet. Die ausgewerteten Daten konnten die Erwartungen des Forschungsteams mehr als erfüllen. So ermöglichten die Mykorrhiza-Pilze auf einem Viertel der Äcker einen bis zu 40 Prozent besseren Ertrag. «Das ist enorm», freut sich der Co-Studienleiter Marcel van der Heijden, Bodenökologe an der Universität Zürich und bei Agroscope.

Unterschiedliche Wirkung

So positiv dieser Befund ist, so bildet er erst die Basis, denn die daraus resultierende Frage lautet, wie sich prognostizieren lässt, ob und wie sehr sich die Feldimpfungen positiv auf den Ernteertrag auswirken. Umso wertvoller ist in diesem Kontext die Erkenntnis, dass «die Impfung vor allem dann gut funktioniert, wenn viele pilzliche Krankheitserreger im Boden vorhanden sind, wie wir herausgefunden haben», wie die Co-Erstautorin Stefanie Lutz von Agroscope erklärt. Eine Vorhersage, ob die Impfung einen Effekt haben wird, ist dadurch möglich, indem im Vorfeld mit molekularen Methoden das Erbgut des Bodens untersucht wird. Sprich, wie gesund der Boden ist und ob pilzliche Krankheitserreger darin sind.

Porträtfoto Marcel van der Heijden

Marcel van der Heijden ist Professor für Agrarökologie und pflanzliche Mikrobiom-Interaktionen an der Universität Zürich und am Agroscope tätig sowie ausserordentlicher Professor für Mykorrhiza-Ökologie an der Universität Utrecht. Bild: zVg

Obwohl so vorhergesagt werden kann, ob die Mykorrhiza-Impfung einen positiven Effekt erzielen wird, ist eine verlässliche Prognose äusserst anspruchsvoll. «Sie ist schwierig, da die Bodenbeschaffenheit sehr variabel sein kann, doch nicht unmöglich, wie unsere Forschungserkenntnisse gezeigt haben», so van der Heijden. Wichtig sei, nun eine Methode zu entwickeln, um eine Vereinheitlichung zu erzielen, bei welchen Ackerböden und Pflanzen sich ein Einsatz von Mykorrhiza-Pilzen lohnt.

Schwankende Qualität

Im nächsten Schritt muss ein praxis- und markttaugliches Produkt entwickelt werden, denn wenn die Pilzimpfung in einem wissenschaftlichen Setting und mit sehr präziser Arbeitsweise funktioniert, ist dies zwar positiv, doch haben die Landwirte und andere Interessengruppen noch wenig davon. Bei der Entwicklung des Produkts gibt es verschiedene mögliche Ansätze. So sind sowohl mit Mykorrhiza-Pilzen versehene Düngerkörner als auch Saatgut, an das die Pilze geklebt wird, möglich. Um herauszufinden, welcher Ansatz hierbei der effizienteste ist, gleist das Forschungsteam rund um Marcel van der Heijden im Auftrag und finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds nun bereits ein Nachfolgeprojekt auf.

Freilich ist es nicht so, dass es noch kein mit Mykorrhiza-Pilzen versehenes Düngemittel auf dem Markt gäbe. Seit etwa 20 Jahren gibt es auf diesem Gebiet verschiedene Anbieter und Produkte, wobei die Qualität dieser stark variiert. So fanden Fachleute von Agroscope sowie der Universitäten aus Zürich, Adelaide, North Carolina sowie South Dakota, wobei wiederum auch Marcel van der Heijden Teil davon war, 2022 in einer globalen Studie heraus, dass rund 84 Prozent der Produkte in den kontrollierten Gewächshausversuchen nicht zu der erwünschten Besiedelung mit Mykorrhizen führten. Auch die Studienergebnisse aus der Schweiz zeigten, dass die Mehrheit der Produkte keine aktiven Pilzsporen beinhalteten.

Wurzel unter dem Mikroskop

Eine Kleewurzel ist kolonialisiert worden von einem Arbuskulären Mykorrhiza-Pilz. Das Dunkle sind die Vesikel und Hyphen. Bild: Marcel van der Heijden

Van der Heijden erwartet, dass die Qualität dieser Produkte zunehmen wird, da die EU ihre Richtlinien diesbezüglich mittlerweile verschärft hat. So glaubt der Professor für Agrarökologie und pflanzliche Mikrobiom-Interaktionen auch an den künftigen kommerziellen Erfolg dieser Methode, auch wenn es bis dahin nicht nur weitere Forschung braucht, sondern muss beispielsweise auch ein Weg gefunden werden, um das mykorrhizahaltige Düngemittel effizient auf weitläufigen Ackerflächen ausbringen zu können und muss diese nachhaltige Methode der Erntesteigerung noch an Bekanntheit gewinnen. So werden laut van der Heijden zwar immer mehr Bäuerinnen und Bauern darauf aufmerksam, doch müssten diese sich selbst von deren Wirksamkeit überzeugen, dass sie wirkt, damit es sich in der Landwirtschaft herumspricht.

Pflanzenschutzmittel werden bleiben

Kommunikation und Aufklärung sind also wie so oft entscheidende Faktoren, wenn es darum geht, ein neues Produkt zu etablieren. Dazu gehört in diesem Fall auch das Bewusstmachen, dass eine Mykorrhiza-Impfung kein Allheilmittel, sondern eine von mehreren Möglichkeiten darstellt. So kann die Besiedlung durch Mykorrhiza-Pilze beispielsweise auch durch das Anpflanzen einer Kleewiese, reduziertes Pflügen oder eine zeitweise Bodenruhe zum Beispiel unter mehrjährigem Ackergras oder Luzerne gefördert werden.

Dass in absehbarer Zeit gänzlich auf Pflanzenschutzmittel verzichtet werden kann, ist eine Illusion, der sich Marcel van der Heijden nicht hingibt, obwohl er betont, dass es diverse Alternativen dazu gibt. Einerseits ist dessen Einsatz oft einfacher und bei manchen Kulturen liesse sich nur schwerlich darauf verzichten. Auf der anderen Seite richtet sich die Verwendung von Mykorrhiza-Pilzen auf die Bekämpfung unterirdischer Krankheiten. Oberirdische Krankheiten wie Phytophthora sind wieder ein gänzlich anderes Kapitel und erfordern andere Massnahmen.

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