Luzerner Betonmischer im Weltall 

Luzerner Betonmischer im Weltall
Seit 1998 kreisen die ersten Module der Raumstation ISS um die Erde. Bild: NASA

Mit Unterstützung aus Hergiswil forscht Astronaut Matthias Maurer zurzeit auf der Internationalen Raumstation. Ein neuentwickelter Mischbehälter funktioniert dort als erster Betonmischer im Weltall. Das nächste Ziel: der Mond.

In den letzten Jahrzehnten ist es still geworden um den Mond. Seit 1972 hat niemand mehr den Erdtrabanten besucht. Doch langsam bewegt sich wieder etwas bei den Raumfahrtnationen.

Während SpaceX-Gründer Elon Musk seinen Blick auf den Mars richtet, arbeitet China an bemannten Raumfahrtmissionen zum Mond. Langfristig bieten sich beide Himmelskörper für eine Besiedlung durch den Menschen an und das in einer nicht allzu fernen Zukunft.

Auf dem Weg dorthin müssen zahlreiche Probleme und wissenschaftliche Fragen geklärt werden. Zum Beispiel wie man sich vor der kosmischen Strahlung schützt und wie eine Kolonie auf einem fremden Himmelskörper überhaupt aussehen soll.

Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch die Europäische Weltraumorganisation (ESA). An Bord der Internationalen Raumstation (ISS) führen die Astronauten dafür regelmässig zahlreiche wissenschaftliche Experimente durch, mithilfe derer sie untersuchen, wie sich Lebewesen und Materialien in der Schwerelosigkeit verhalten.

herr Matthias Maurer im Weltall
Für den Saarländer Matthias Maurer (52) ist es der erste Flug ins Weltall. Bild: zVg

Aktuell forscht an Bord der ISS der ESA-Astronaut Matthias Maurer, während er mit 28’000 km/h die Erde umkreist. Unterstützt wird der deutsche Raumfahrer dabei aus Hergiswil NW. Dort befindet sich nämlich mit dem BIOTESC eines von vier Operationszentren der ESA. Im Rahmen seiner Mission «Cosmic Kiss» wurde Maurer zum ersten Betonmischer im Weltall.

Schweizer Unterstützung für die Raumstation

BIOTESC wurde 1977 an der ETH Zürich gegründet, bevor es 2013 nach Hergiswil und damit unter den Schirm der Hochschule Luzern zog. Genauso lange ist auch schon der heutige Manager des Zentrums, Bernd Rattenbacher, vor Ort aktiv. Im Gespräch erzählt der Wissenschaftler von den Herausforderungen und dem Reiz der Forschung im Weltall.

Herr Dr. Rattenbacher
Dr. Bernd Rattenbacher ist Manager vom BIOTESC und seit 2013 in Hergiswil. Bild: zVg

Beim Experiment «Concrete Hardening» will man herausfinden, wie sich Beton in der Schwerelosigkeit verhält. «Wenn man auf der Erde etwas betoniert, steigt die Luft aus dem Beton aus», erklärt Rattenbacher. Doch ohne Gravitation bleibt die Luft genau dort, wo man sie eingerührt hat, so die Annahme der WissenschaftlerInnen. «Das hat natürlich Implikationen für das Bauen auf dem Mond und dem Mars.

Es geht darum, zu sehen, wie stabil dieser Beton im Vergleich zu einem auf der Erde produzierten ist», so der Manager des BIOTESC weiter. So möchte man herausfinden, ob Beton als Baumaterial auch auf anderen Himmelskörpern stabil genug und vor allem sinnvoll ist.

Potenziell neu gewonnenes Wissen zum Erhärtungsprozess des Betons könnte auch hier auf der Erde eingesetzt werden. «Wenn man die Menge an Zement reduzieren kann, dann spart man viel Energie und somit auch CO2», nennt Rattenbacher als ein Beispiel.

Der sicherste Kaffeebecher der Welt

Normalerweise brauchen Experimente auf der Internationalen Raumstation eine Vorlaufzeit von bis zu sieben Jahren. Das Gemeinschaftsprojekt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der Universität Duisburg-Essen, der Universität zu Köln und dem Kompetenzzentrum in Hergiswil startete erst im August 2019 mit einer Idee.

Die benötigte Ausrüstung wurde am 21. Dezember 2021 an Bord der ISS gebracht, etwas über einen Monat nach der Ankunft von Astronaut Maurer. Mit der Durchführung des Experiments bereits Anfang Februar zählt die Betonerhärtung zu den schnelleren Projekten der ESA.

Betonmischgerät im Weltall
In diesen kleinen Behältern werden verschiedene Rezepte für Beton ausprobiert. Bild: zVg

Der notwendige Mischbehälter, um Zement und Wasser sicher in der Schwerelosigkeit zu kombinieren, wurde ebenfalls in Hergiswil mitentwickelt. Neben des Designs war man auch für die Sicherheitszertifizierung verantwortlich. «Wenn ich hier unvorsichtig einen Sack Zement öffne, dann staubt es ein bisschen und es fällt etwas auf den Boden.

In der Schwerelosigkeit bleibt so eine Staubwolke einfach im Raum und wird dann durch die ganze Raumstation geblasen», erklärt Rattenbacher eines der grundlegenden Probleme. Mit dem relativ kleinen Luftvolumen der ISS entstünde schnell eine unangenehme Situation für die aktuell zehnköpfige Besatzung.

Aufgrund der toxikologischen Gefahr des Zements musste der Zylinder drei Eindämmungsschichten besitzen. «Diese Eindämmungen hinzukriegen, noch dazu in den kleinen Behältern und in der kurzen Zeit, war die anspruchsvollste Aufgabe», verrät Rattenbacher.

Inzwischen ist der Mischbehälter sogar zum Patent in Deutschland angemeldet. Letztendlich kann man darin fast alle Komponenten mischen, solange mindestens eine davon flüssig ist. Auch an Tee und Kaffee hätten die WissenschaftlerInnen in Hergiswil gedacht, erzählt Rattenbacher mit einem Schmunzeln. Aber am Ende fehlte dafür einfach die Zeit.

Die Rückkehr zur Erde

Während auf der Raumstation zurzeit 64 verschiedene Betonproben lagern, wurden parallel dazu auf der Erde Vergleichsexperimente durchgeführt. Mit technischen Geräten wie einem Klinostat versucht man, die Schwerelosigkeit zu simulieren.

«Aus anderen Versuchen mit biologischen Zellen wissen wir, dass die Instrumente relativ gut an eine richtige Schwerelosigkeit herankommen», erklärt Rattenbacher. Ähnliche Ergebnisse erhofft man sich auch für den Beton. Falls die Proben von Erde und ISS Übereinstimmungen aufzeigen, könnte man in Zukunft weitere Experimente deutlich günstiger auf der Erde durchführen.

Die Proben aus dem Experiment von Matthias Maurer sollen dann im Mai 2022 mit einer Dragon Kapsel von SpaceX zurück zur Erde gebracht werden. Die Kapsel landet zunächst im pazifischen Ozean, wo sie von einem Schiff eingesammelt und in den nächsten US-Hafen gebracht wird.

Ein Team in den USA sortiert dann die kostbare Fracht und schickt sie per Postweg an die Universität Duisburg-Essen. Und auch für Astronaut Maurer ist die Rückkehr zur Erde in diesem Frühjahr geplant. Nach seinem sechsmonatigen Aufenthalt auf der ISS sollte er noch vor seinen Betonproben unseren blauen Planeten erreichen.

Rattenbacher rechnet anschliessend mit einer Auswertungsphase von mindestens einem Jahr. Obwohl auf dem Mars und dem Mond noch einmal eine andere Gravitation herrscht, bekommen die WissenschaftlerInnen grundlegende Erkenntnisse, wie sich das Material verhält.

«Die Forschung geht in kleinen Schritten und das ist der erste Schritt in Richtung Bauen auf dem Mond», sagt Rattenbacher, bevor er mit dem luftleeren Raum auf unserem Erdtrabanten das nächste zu lösende Problem erwähnt.

Es entstehen gerade völlig neue Forschungsthemen, die sich mit der Wahl des richtigen Baustoffs und der Beschaffung der notwendigen Materialen auf anderen Himmelskörpern befassen. Damit man in einer nicht allzu fernen Zukunft nachts nicht nur Krater auf dem Mond sehen kann, sondern auch von Menschen geschaffene Strukturen.