Ein wilder Wald feiert Geburtstag

Zum Jubiläum führen Ranger und Tierpflegerinnen durch den Wald

Nach 25 Jahren Verwilderung lädt die Stiftung Wildnispark Zürich dazu ein, das Bestehen des unbewirtschafteten Sihlwalds mit besonderen Veranstaltungen zu feiern. Anlässlich des Jubiläums führen Ranger und Tierpflegerinnen Interessierte durch den Wald, erzählen dessen spannendste Geschichten und zeigen seine schönsten Plätze.

Ob eine Pause vom Büroalltag nötig ist, ein Wandertag mit der Familie ansteht oder die neue Fotokamera in der Natur auf die Probe gestellt werden soll – der Wildnispark Zürich bietet sich als mehr denn würdiges Ausflugsziel. Dieser umfasst den Tierpark Langenberg sowie den naturbelassenen Sihlwald. Als grösstes Naturwaldreservat des Mittellands hält er für Naturfreunde und Wanderlustige so manche malerische Landschaft und Überraschung bereit. 

Seine abwechslungsreiche Flora, welche die Stadt Zürich jahrhundertelang mit Holz versorgte, hält zu jeder Jahreszeit Neues bereit und ist seit 25 Jahren nicht mehr Standort für Holzabbau. «Für einen Buchenmischwald mit einem natürlichen Lebenszyklus von rund 500 Jahren ist das noch nicht lange», sagt Barbara Felix, Leiterin Marketing und Kommunikation der Stiftung Wildnispark Zürich. 

Heuer markiert also ein Jubiläumsjahr für das Naturwaldreservat, was die Stiftung Wildnispark Zürich mit zwölf neuen Veranstaltungen feiert, die Interessierte für den Wald begeistern und ihnen neue Perspektiven auf den Wald eröffnen sollen. «Die Tatsache, dass sich hier die Natur auf einer relativ grossen Fläche ohne menschliche Eingriffe dynamisch entfalten kann, und dass wir Menschen diese Veränderungen beobachten und erleben dürfen, macht den Sihlwald so besonders», so Felix. 

Ein Wald auf dem Weg zum Urwald

Der Kleine Kugel-Stutzkäfer dient als Symbol für das Jubiläum. Das Insekt gehört mit der Zitronengelben Tramete und dem Grünen Koboldmoos zu den sogenannten Urwaldreliktarten, also denjenigen Arten, die in Wäldern mit langer Geschichte und urwaldähnlichen Strukturen zu finden sind. Das Vorkommen solcher seltener Insekten-, Tier- und Pflanzenarten deutet auf die Seltenheit der speziellen Lebensräume und auf ihre naturnahen, intakten Ökosysteme hin. 

Portrait von Barbara Felix. Barbara Felix ist Leiterin Marketing und Kommunikation der Stiftung Wildnispark Zürich

Barbara Felix ist Leiterin Marketing und Kommunikation der Stiftung Wildnispark Zürich. Bild: zVg

Ein ebensolches naturnahes Ökosystem besitzt der Sihlwald als das grösste Naturwaldreservat des Mittellands, welches möglichst ohne menschliche Eingriffe wächst. Dies ermöglicht mehr Vielfalt, wie beim Beobachten im Sihlwald immer wieder ersichtlich wird. So finden sich hier Raritäten wie das Goldhaarmoos, das Ungleichästige Zachenmützenmoos und die Flechte Rinodina polyspora, welche in der Schweiz lange als ausgestorben galt, bis sie hier wieder erspäht wurde. 

Im Sihlwald werden vermoderte und vom Wind umgeworfene Bäume möglichst liegengelassen und schaffen so malerische Orte im Wald. Solches Totholz bereichert den Wald nicht nur optisch: «Dank des hohen Anteils alter und abgestorbener Bäume bieten Naturwaldreservate wie der Sihlwald viele Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten», erklärt Felix. Innerhalb der letzten 20 Jahre hat sich das Totholzvolumen im Sihlwald fast verdoppelt – Naturerscheinungen wie überdurchschnittlich starke Stürme und Trockenperioden als auch ein Borkenkäferbefall haben erheblich zu dieser Entwicklung beigetragen. Über 6’000 Arten von Pflanzen, Tieren und Pilzen sind auf Totholz angewiesen, welche im Sihlwald diesbezüglich auf Gold gestossen sind und sich hier gut verbreiten können. 

Weite wilde Vielfalt

Barbara Felix ist der Meinung, dass es in der Schweiz mehr Flächen geben sollte, in denen Wildnis zugelassen wird, damit Tiere und Pflanzen eine Chance haben, sich ihre Lebensräume zurückzuerobern. Hierzulande findet man nebst dem Sihlwald praktisch nur im Alpenraum Wildnisgebiete mit keinen oder nur wenigen menschlichen Einflüssen. Im Sinne des Umweltschutzes, der die Erhaltung der Artenvielfalt mitumfasst, würde es sich lohnen, die Fläche solcher Gebiete zu vergrössern – auch im Flachland. 

Blick auf einen Rothirsch im Wildnispark Zürich

Der Rothirsch lässt sich äusserst selten im Wildnispark erspähen. Bild: Facebook Stiftung Wildnispark Zürich

Die Artenvielfalt, die der Sihlwald unterstützt, ist für die Natur in vielerlei Hinsicht wertvoll. Nicht nur macht sie diese vielfältiger und deswegen auch spannender, sondern stellt sie bei der Klimaregulation einen wichtigen Faktor dar. Artenreiche Naturgebiete können viel besser Kohlendioxid aufnehmen, was besonders in der Nähe von dicht besiedelten Gebieten wichtig ist. Des Weiteren entwickeln sich Krankheiten in einer vielfältigen Flora viel langsamer, da die verschiedenen Pflanzen einander schützen und auch auf andere Weisen voneinander profitieren. Diese Vielfalt trägt ebenfalls zur Diversität der Fauna bei, denn verschiedene Tierarten brauchen unterschiedliche Pflanzen als Nahrung und als Schutz vor Witterung und anderen Tieren. 

Auf einem neuen Weg die lokale Natur und deren Bewohner zu bewundern, wird ab dem Wildnistag am Sonntag, 28. September, möglich sein. So wird an diesem Familienevent die vierte Etappe der Via Natura eröffnet, welche als Spezialwanderroute die Naturzentren im Kanton Zürich verbindet. Zum Wildnistag werden sich Naturbegeisterte auf dem Areal des Besucherzentrums Sihlwald versammeln und Vorträgen von Waldspezialisten wie dem Waldökologen Thibault Lachat lauschen, zahlreiche Ausstellungen erkunden und spielerisch den Wald mit seiner Bewohnerschaft kennenlernen. 

Aus den Augen der Ranger

An manchen Stellen in naturbelassenen Wäldern können imposante Spuren von Naturgewalten beobachtet werden, welche die Macht der Natur zum Ausdruck bringen. Wo die spannendsten Orte, Pflanzen und Tiere im Wald zu finden sind, können Rangerinnen und Ranger zeigen, die sich für das Wohl des Waldes einsetzen und regelmässig durch den Sihlwald patrouillieren. Ihr Einsatz ist wichtig, auch wenn der Wald möglichst unberührt gelassen werden soll. «Diese Fachpersonen sorgen für den Wegunterhalt und die Sicherheit entlang der Wege, setzen Naturschutzmassnahmen um, bekämpfen invasive Pflanzen und unterstützen wissenschaftliche Forschungsarbeiten», erklärt Felix. 

Eine Rangerin blickt mit dem Feldstecher in den Himmel im Wildnispark Zürich

Ranger und Rangerinnen wie Nicole Aebli kennen den Sihlwald in- und auswendig und stellen dessen Prozessschutz sicher. Bild: Stiftung Wildnispark Zürich

Wer die Geheimnisse des Sihlwalds hautnah mitentdecken möchte, kann zum Beispiel am 25. Oktober bei der Veranstaltung «Mit den Rangern unterwegs» dabei sein und sich auf einen abenteuerlichen Spaziergang mitnehmen lassen. Auf Führungen wie dieser erklären Ranger ihre Arbeit und zeigen, was es im Sihlwald an Naturphänomenen zu entdecken gibt. Auch die Exkursion «25 Jahre wilder Sihlwald» mit dem Forum Wildnis am 17. September schafft einen interessanten Einblick und legt dabei den Fokus auf dessen «Verurwaldung». 

Die Waldbewohnerschaft hat Nachwuchs erhalten

Diesen Juni hatte der Wildnispark Zürich einen zusätzlichen und besonderen Grund zum Feiern, als im Tierpark Langenberg ein Elchkalb zur Welt kam. Die Jungtiere dieser grössten Hirschart können bereits 15 Minuten nach der Geburt eigenständig stehen. Etwa vier bis fünf Monate lang ernähren sie sich hauptsächlich von Muttermilch, doch schon nach der zweiten Lebenswoche versuchen sie sich langsam an Grünfutter zu gewöhnen. 

Blick auf einen Zaunkönig im Wildnispark Zürich

Der schrille Gesang des Zaunkönigs ist im Sihlwald kaum zu überhören. Bild: Facebook Stiftung Wildnispark Zürich

Das Elch-Weibchen, das vor drei Jahren aus Schweden in den Tierpark Langenberg gebracht wurde, ist längst nicht das einzige Tier, das sich im Juni über Nachwuchs freute – auch die Steinböcke, Wildschweine, Murmeltiere, Przewalski-Pferde sowie die Rot- und Damhirsche haben diesen Sommer Junge bekommen. Mit etwas Glück lassen sich die Jungtiere im Tierpark Langenberg beobachten, so Felix: «Unsere Tieranlagen sind gross und bieten den Tieren viele Versteckmöglichkeiten.» Deswegen braucht es etwas Geduld und es lohnt sich, im Shop einen Feldstecher auszuleihen, um die Jungtiere zu erspähen. 

Wer mehr über Tierpflege und insbesondere über den Rothirsch erfahren möchte, kann besonders von einem Besuch des Tierparks am 17. und 24. September sowie mehrmals im Oktober profitieren. An diesen Tagen wird das Tierpflege-Team jeweils um 14 Uhr die majestätischen Tiere vorstellen, die Geschichte ihrer Verbreitung in der Schweiz erklären und auch praktische Fragen beantworten, wie zum Beispiel, weshalb der Zuchtstier bei den Rothirschen nur im Herbst bei den Weibchen sein darf. 

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