Das Comeback vergessener Vitamin-Schätze

Von Pastinake bis Mangold

Einst fester Bestandteil von Grossmutters Küche, drohten manche Gemüse- und Früchtesorten gänzlich in Vergessenheit zu geraten. Doch nicht wenige von ihnen erleben aktuell eine überraschende Wiederauferstehung – und werden teils aktiv gefördert.

Im Schatten moderner Hochzuchtsorten erleben manche alte Gemüse- und Früchtesorten derzeit eine bemerkenswerte Renaissance. Scheinbar längst vergessene Sorten wie Pastinaken, Mangold, Gelbe Bete oder alte Apfel- und Birnensorten kehren zurück in Gärten, Märkte und Gourmetküchen. Dieses Phänomen basiert tatsächlich gleich auf mehreren Gründen – von Nachhaltigkeit und Klimaresilienz über Kulturgeschichte bis hin zu völlig neuen Geschmackserlebnissen. 

Grundsätzlich befeuern zwei starke gesellschaftliche Trends das Comeback: Nachhaltigkeit und Geschmack. Alte Sorten sind oft robuster, benötigen weniger Pflanzenschutzmittel und sind widerstandsfähiger gegen Wetterextreme – ein klarer Vorteil in Zeiten des Klimawandels. Ihre geschmackliche Vielfalt, die oft intensiver und differenzierter ist, überzeugt dabei Konsumentinnen wie Köche gleichermassen. 

Früher schon geschätzt

Ganz oben auf der Liste steht dabei unter anderem die Pastinake. Die winterharte Wurzel mit leicht süsslichem, nussigem Geschmack gilt inzwischen wieder als begehrtes Suppengemüse. Ausserdem ist sie reich an Nährstoffen, enthält viele Vitamine wie C, E, K sowie B-Vitamine. Dazu kommen wichtige Mineralstoffe, allen voran Kalium, aber auch Kalzium, Eisen, Magnesium und Phosphor. Der Gehalt an Folat (Folsäure) ist für Schwangere ausserdem besonders wertvoll. 

Ebenfalls einen Aufschwung erlebt der lange vom Spinat verdrängte Mangold, der durch seine bunten Stiele und seinen hohen Vitamingehalt punktet. Die Gelbe Bete wiederum ist milder als die bekanntere Rote Bete und ist vielseitig verwendbar, etwa als Carpaccio oder im Ofengemüse. Bereits im 18. Jahrhundert beliebt war Topinambur. Die Knolle überzeugt auch heute wieder mit ihrem nussigen Aroma. Genauso an Popularität gewonnen hat zuletzt die Schwarzwurzel, die auch als Winterspargel bekannt ist und mittlerweile wieder als regionales Wintergemüse viele Speisezettel bereichert. 

Eine Person hält eine Schale gefüllt mit Topinambur

Topinambur wurde nicht nur aufgrund seines Geschmacks schon vor Jahrhunderten geschätzt. Bild: iMarzi / Depositphotos

Auch im Obstbereich ist die Rückbesinnung deutlich spürbar: Alte Apfelsorten wie Boskoop, Goldparmäne oder Gravensteiner werden verstärkt nachgefragt und gelten als aromatisch, robust sowie allergenarm. Sorten wie Roter Herbstkalvill, Champagnerrenette oder Weisser Winterglockenapfel werden von Baumschulen wieder angeboten und von Hobby-Pomologen gezielt gepflanzt. Auch Haselnuss-Sammlungen und alte Birnensorten stehen in neuem Rampenlicht. 

Mehr als Nostalgie

Zahlreiche Initiativen – von Hobbygärtnern bis zu Vereinen wie Pro Specie Rara oder Pomologen-Gesellschaften – treiben die Wiederentdeckung aktiv voran: Sie sammeln Saatgut, geben es an Interessierte weiter und fördern regionale Pflanzaktionen. In der Landwirtschaft und im Gartenbau werden samenfeste, also über Generationen vermehrbare Sorten, gezielt weiterkultiviert.  

Parallel zum Aufschwung und den verschiedenen Initiativen gilt es zu betonen, dass alte Sorten nicht bloss einem modischen Retro-Trend entsprechen. Sie verkörpern Biodiversität und regionale Kulturgeschichte. Ihr Anbau erhöht die Vielfalt auf den Feldern, leistet einen Beitrag zu resilienten Agrarsystemen und bewahrt uralte Genressourcen. Für Geniesserinnen bieten sie zudem neue Geschmackserlebnisse fernab der Uniformität des Supermarkts. 

So entdecken Verbraucherinnen, Landwirte und Köchinnen längst Vergessenes neu – und sorgen dafür, dass die Schätze der Vergangenheit eine Zukunft bekommen. Die Rückkehr alter Gemüse- und Früchtesorten ist deshalb auch eine Investition in eine vielfältige, krisenfeste und geschmackvolle Ernährung von morgen. 

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