Kaum ein Schweizer Künstler hat im 20. Jahrhundert so prägende Fussstapfen hinterlassen wie Max Bill. Im Rahmen der Ausstellung «La linea del tempo» in der Shedhalle Zug wird kommenden Dienstag der Dokumentarfilm «Max Bill – das absolute Augenmass» inklusive Q&A gezeigt, denn wird unter anderem auch seine Witwe Angela Thomas anwesend sein, die sich um dessen künstlerischen Nachlass kümmert.
Er war der vielleicht bedeutendste Schweizer Künstler des 20. Jahrhunderts. Nun wird am Dienstag, 28. Oktober, im Rahmen eines Filmabends in der Shedhalle Zug der Dokumentarfilm «Max Bill – das absolute Augenmass» aus dem Jahre 2008 über dessen Leben und Wirken gezeigt.
Max Bill (1908–1994) prägte als Architekt, Maler, Bildhauer, Grafiker, Designer, Theoretiker und Hochschullehrer die europäische Kunst- und Designlandschaft wie kaum ein anderer. Geboren in Winterthur, absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Silberschmied an der Kunstgewerbeschule Zürich. Diese frühe Prägung durch das Kunsthandwerk, gepaart mit einer naturalistischen Neugier, ebnete seinen Weg zum Bauhaus in Dessau, wo er 1927/28 bei Grössen wie Josef Albers, Wassily Kandinsky und Paul Klee studierte. Hier schärfte Bill seinen analytischen Blick für geometrische Klarheit und entwickelte seine lebenslange Begeisterung für mathematisch inspirierte Kunst und Gestaltung.

Max Bill sucht in Sardinien einen Granit für seine Skulptur «kontinuität», links Binia Bill. Bild: PD
Nach dem Bauhaus-Studium kehrte Max Bill nach Zürich zurück und wirkte dort ab 1929 als unabhängiger Architekt, Maler, Bildhauer und Designer. Schon früh gehörte er zur internationalen Avantgarde: Er war Mitglied der Vereinigung Abstraction-Création in Paris, die sich entschieden für die gegenstandslose konkrete Kunst einsetzte. Bills Werke – Gemälde, Skulpturen, Plakate, Objekte – zeichnen sich durch geometrische Strenge, logische Konstruktion und eine radikale Klarheit aus. Sein Streben galt der Verbindung von Funktionalität und Schönheit, wofür er die Formel «Schönheit aus Funktion und als Funktion» prägte. Diese Überzeugung floss nicht nur in seine Kunst, sondern besonders in seine Designobjekte und Möbel ein.
Von Ulm in den Nationalrat
Max Bill war Mitbegründer und erster Rektor der legendären Hochschule für Gestaltung in Ulm, die ab 1953 das Gedankengut des Bauhauses modernisierte und weltweit Massstäbe im Industriedesign und der Designpädagogik setzte. In der Schweizer Kunstszene engagierte er sich als Vermittler, Ausstellungsmacher, Theoretiker und publizierte international einflussreiche Texte zur Kunst und Gestaltung. Seine Rolle als Impulsgeber für die konkrete Kunst in der Schweiz und weit darüber hinaus ist unbestritten.
Auch als Politiker war Bill aktiv: Er sass von 1967 bis 1971 als Mitglied der EVP-Fraktion für den Landesring der Unabhängigen im Nationalrat. Unzählige Designklassiker – von Uhren und Möbeln bis zu Bauwerken und grafischen Arbeiten – zeugen von seinem umfassenden Werk. Max Bill starb 1994 in Berlin. Bis heute ist sein Vermächtnis als Grenzgänger zwischen angewandter und freier Kunst, als Visionär und Pädagoge, im internationalen Kontext lebendig geblieben.
Von Zug nach Carrara
Anlass für das Zeigen von «Max Bill – das absolute Augenmass» ist die Ausstellung «La linea del tempo», die noch bis am 2. November in der Shedhalle Zug zu sehen ist. Im Rahmen dieser werden mehr als 30 Skulpturen aus über fünf Jahrzehnten des künstlerischen Schaffens von Silvio Santini gezeigt. Sein Lebenswerk als Steinmetz, Unternehmer und Kunstschaffender wird im Kontext zu Carrara mit dessen Marmor und Steinbrüchen gezeigt. Ergänzt wird dies durch Fotografien von René Schädler, der mit seinen Fotografien die Stimmung in den Steinbrüchen von Carrara zeigt, sowie die Auswirkung auf den Ort und die Bevölkerung.
Die Filmvorführung wird ergänzt durch ein Q&A mit den Anwesenden Angela Thomas, Kunsthistorikerin und Witwe von Max Bill, sowie Filmemacher und Autor Erich Schmid. Angela Thomas ist sowohl Kunsthistorikerin als auch Kuratorin und Autorin. Sie studierte Kunstgeschichte an der Universität Zürich und hat sich in ihrer Forschung besonders mit konkreter Kunst und dem Werk von Max Bill sowie Georges Vantongerloo beschäftigt. Thomas war nicht nur die langjährige Lebenspartnerin und spätere Ehefrau von Max Bill, sondern auch zentrale Verwalterin seines künstlerischen Nachlasses und seiner Stiftung.

Angela Thomas mit Ernst Scheidegger. Bild: PD
Als Kuratorin wirkte sie an zahlreichen Ausstellungen etwa zu Bill, Vantongerloo und Sophie Taeuber-Arp mit, unter anderem im Kunsthaus Zürich, in Los Angeles und London. In ihren kunstkritischen und wissenschaftlichen Publikationen setzt sie sich auch für feministische Fragen und Künstlerinnen ein. Ihre Werkbiografien und Ausstellungskataloge sind international anerkannt, besonders die zweibändige Max-Bill-Biografie. Angela Thomas lebt und arbeitet mit ihrem jetzigen Ehemann Erich Schmid im Haus Bill in Zumikon und engagiert sich weiterhin für die Pflege konkreter Kunst und interdisziplinäre Ausstellungen.
Von der Zeitung zum Film
Erich Schmid ist neben Dokumentarfilmer auch Drehbuchautor, Journalist und Autor. Nach einer ersten Karriere als Reporter, unter anderem beim «Tages-Anzeiger» und der «WOZ», widmete er sich ab den späten 1980er-Jahren verstärkt dem Dokumentarfilm und der Recherche zu zeitgeschichtlichen, gesellschaftskritischen und künstlerischen Themen. Zu seinem filmischen Werk gehören neben «Max Bill – das absolute Augenmass» preisgekrönte Filme wie «Er nannte sich Surava», «Meier 19» sowie «Staatenlos – Klaus Rózsa, Fotograf». Schmid zeichnet sich durch eine kritische Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte, Politik und Kultur aus – sowohl in seinen Filmen als auch in Büchern über Persönlichkeiten wie Peter Surava und Hermann «Männy» Alt.
Der Filmabend beginnt um 18 Uhr mit einem Apéro und Ausstellungsbesuch, bevor um 19 Uhr der Film beginnt. Dieser dauert 94 Minuten; es wird eine Kollekte geben.
