Ein kostenloses Fitnessangebot für asylsuchende Frauen

Besonderes Training auf der Luzerner Allmend

Seit vergangenem Jahr können Asylsuchende auf der Luzerner Allmend gratis ins Fitnesstraining, möglich macht dies der Verein TFZ Luzern. Doch fanden sich bislang aus religiös-kulturellen Gründen nur wenige weibliche Trainierende. Nun schafft der Verein ein Angebot exklusive für asylsuchende Frauen – möglich macht dies eine besondere Auszeichnung der Luzerner Kantonalbank.

Es wird geschwitzt, gepowert und gestemmt, wenn sich die jugendlichen Sportler und Schülerinnen von Sportklassen im Talentförderungszentrum (TFZ) Luzern auf der Luzerner Allmend zum Trainieren treffen. Athletik plus nennt sich dieses Angebot des Vereins TFZ Luzern, der vor über 20 Jahren von Lukas Mürner gegründet wurde. Mit den Nachwuchs-Athletinnen stählen auch Asylsuchende ihre Muskeln. Sie sind Teil des Projekts Fitness Integration Perspektive (FIP), einem Projekt, das der Verein im April vergangenen Jahres offiziell lancierte. Dabei geht es darum, jungen Asylsuchenden eine Möglichkeit zu bieten, kostenlos zu trainieren, damit diese nicht nur ihr äusseres Erscheinungsbild optimieren, sondern auch ihre inneren Werte wie das Selbstvertrauen stärken können und es wird durch den kulturellen Austausch eine integrative Wirkung erzielt. 

Bereits im August 2023 als Pilotprojekt gestartet, ist Mürner stolz auf das bisher erreichte. «Wir haben zusätzlich zu den bestehenden Trainingsmöglichkeiten im TFZ Luzern vier Trainingsgefässe à 90 Minuten pro Woche geschaffen, die sich grosser Beliebtheit erfreuen», erzählt er. Mürner selbst bringt 30 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen Sportunterricht, Leichtathletik und Athletiktraining mit, ist Turn- und Sportlehrer ETH Zürich und FIP-Projektleiter. 

Ein Angebot mit Hürden

Meist sind es Teenager und junge Männer im Alter zwischen 15 und 20 Jahren, die auf die Allmend trainieren kommen. «Unsere Trainingsgruppen sind gemischt, doch ist der Frauenanteil ziemlich tief gewesen», erzählt Mürner. Dabei ist es nicht so, dass von weiblicher Seite die Nachfrage nicht gegeben wäre, sondern sind die Ursachen vielmehr religiös und kulturell zu begründen. In manchen Kulturkreisen ist es nicht üblich, dass Frauen und Männer gemeinsam körperlicher Betätigung nachgehen.  

Lukas Mürner hilft beim Training im TFZ Luzern beim Projekt Fitness Integration Perspektive

Lukas Mürner weiss, worauf es beim Training ankommt. Bild: TFZ Luzern

Für Mürner war klar, auch für dieses Bedürfnis ein entsprechendes Angebot schaffen zu wollen. Konkret bedeutete dies zusätzliche Trainingsslots ausschliesslich für asylsuchende Frauen, doch von der Idee zur Umsetzung zu gelangen, war gerade in finanzieller Hinsicht mit Herausforderungen verbunden, denn für den Verein TFZ Luzern ist es ein Kraftakt, das Projekt FIP stemmen zu können. Die Finanzierung erfolgt via Spenden und Gönner sowie durch finanzielle Zuwendungen der Integrationsförderung der Stadt und des Kantons Luzern. Rund 18’000 Franken Einnahmen ergeben sich durch öffentliche Gelder. Im vergangenen Jahr führte der Verein ein Crowdfunding durch, um sich etwas Luft zu verschaffen. 

Dem Zukunftspreis sei Dank

Nun sollte also ein zusätzliches Angebot entstehen, wobei Lukas Mürner als Unterstützung für die Umsetzung die Idee hatte, sich für den diesjährigen Zukunftspreis der Luzerner Kantonalbank zu bewerben. Nominiert in der Kategorie «Soziales Engagement», gewann das Projekt tatsächlich den mit 20’000 Franken dotierten Preis. «Schon relativ bald nach dem Projektstart letztes Jahr kristallisierte sich aufgrund des spürbaren Bedürfnisses heraus, dass wir dieses zusätzliche Angebot für Frauen schaffen möchten, doch hatten wir nicht die Kapazitäten dafür. Nun mit dem Zukunftspreis sind diese Möglichkeiten gegeben», erzählt der Luzerner. Finanziell steht man nun auf solidem Fundament, mindestens auf drei Jahre hinaus ist die Finanzierung dieses Zusatzangebots gesichert. 

Los ging es am 23. August; im Vorfeld schrieben Mürner und sein Team jene Frauen an, die bereits vereinzelt im FIP-Training vorbeigeschaut hatten, die Einheiten mit männlichen Trainingskollegen jedoch als befremdlich empfanden. Nicht selten bringen Teenagerinnen beispielsweise fürs Probetraining ihre Mutter mit. Mürner erklärt: «Es ist in manchen Kulturen für die Integration sehr wichtig, dass die Eltern Vertrauen haben in die Institutionen, die ihre Kinder besuchen – so auch hier.» 

Wie die alten Griechen schon sagten…

Es ist nicht selbstverständlich, dass der erfahrene Athletiktrainer den Aufwand auf sich genommen hat, Trainingsslots ausschliesslich für Frauen zu schaffen, hätte man sich aus Sicht des TFZ Luzern doch auf den Standpunkt stellen können, entweder akzeptiert man die Trainingsbedingungen oder sonst nimmt man das Angebot eben nicht wahr. Doch hat dies auch viel mit Mürners persönlicher Philosophie zu tun – wortwörtlich. «Ich erwähne in diesem Zusammenhang gerne ein Zitat, das Aristoteles zugeschrieben wird: ‹Wo die Bedürfnisse der Welt und deine Talente sich kreuzen, liegt deine Berufung.› Meine Begabungen kenne ich recht gut und die Bedürfnisse der Menschen haben sich in den vergangenen Jahren massiv verändert.»  

Teilnehmende am Projekt Fitness Integration Perspektive posieren und freuen sich im Trainingszentrum Allmend

Das FIP-Angebot erfreut sich grosser Beliebtheit. Bild: TFZ Luzern

Er denkt in diesem Zusammenhang an die Asylsuchenden, die in die Schweiz geflüchtet sind. «Fakt ist, dass diese schutzsuchenden Menschen hier sind und es war und ist mir ein Bedürfnis, ihnen helfen zu können und zu ihrer Psychohygiene beizutragen.» Oftmals in engen Räumlichkeiten ohne grosse Bewegungsmöglichkeiten untergebracht, war Mürner bewusst, dass es ein Bedürfnis abdecken würde, kostenlose Bewegungs- und Trainingsmöglichkeiten zu schaffen.  

Bitte weitersagen

Natürlich helfen auch Erfolgserlebnisse dabei, die Motivation hochzuhalten. Und da gibt es rund um das Projekt FIP einige. So freut sich Mürner unter anderem über den kulturellen Austausch zwischen Ukrainern, Afghanen und Eritreern, wobei dieser zu Beginn beispielsweise mit gemischten Trainingsgruppen noch aktiv gefördert wurde, um Grüppchenbildungen unter Landsleuten etwas aufzubrechen. «Wir haben jedoch realisiert, dass es besser funktioniert, wenn wir den Austausch natürlich geschehen lassen.» Auch ist er vom Trainingsfleiss, der Motivation und der Hilfsbereitschaft der Asylsuchenden beeindruckt, die diese an den Tag legen. 

Hinzu kommt, dass für langjährige Trainingsmitglieder die Möglichkeit besteht, als Trainingsassistenten zu fungieren und dies auch in ihrem Lebenslauf zu hinterlegen. Am 31. August fand ausserdem der Tag der Luzerner Sportvereine statt, an dem das TFZ Luzern mit einem Stand präsent war, wobei vier Asylsuchende, die Teil des FIP sind, mit dabei waren. Visuelle Präsenz und Mund-zu-Mund-Propaganda sind also wichtige Elemente rund um das Projekt. Gerade letzteres spielt eine zentrale Rolle, um das Angebot bekannt zu machen, wie Mürners Erfahrungen zeigen. So seien die Asylsuchenden meist gut untereinander vernetzt und erzählten sich so vom FIP-Angebot. 

Eine asylsuchende Frau blickt in die Kamera während des Trainings im Rahmen des Projekts Fitness Integration Perspektive

Das Zusatzangebot wurde am 23. August lanciert. Bild: TFZ Luzern

Oftmals bringen sie dann ihre Freunde und Verwandten spontan ins Training mit. «Natürlich ist mir eine vorgängige Information respektive Anmeldung lieber, aber wenn es Platz hat, können sie gerne auch spontan für ein Probetraining vorbeikommen», erklärt er. Voraussetzung, um kostenlos trainieren zu dürfen, ist der Flüchtlingsstatus. Wenn jemand einen Ausweis B, sprich eine Aufenthaltsbewilligung, besitzt und einer geregelten Arbeit mit solidem Einkommen nachgeht, würde eine kostenfreie Trainingsmöglichkeit dem Ursprungsgedanken widersprechen. In diesem Falle werden individuelle Lösungen gesucht, wie sich die Person finanziell beteiligen kann. 

Unbegründete Ängste

Trotz der Erfolge und den positiven Erfahrungen – so habe noch nie aufgrund von negativen Begleiterscheinungen wie Diebstahl, Gewalt oder dem Zerstören von Mobiliar die Polizei eingeschaltet werden müssen – äussersten sich auch negative Stimmen zu Fitness Integration Perspektive. Man erinnerte in diesem Zusammenhang an den «Fall Carlos», an den finanziellen Aufwand von behördlicher Seite und dass gerade im Kontext von Kampfsporttraining in manchen Fällen doch junge Schläger ausgebildet würden. 

Mürner weiss um diese kritischen Stimmen, widerspricht diesen jedoch entschieden. «Wenn die Energie im Training kanalisiert werden kann, reduziert dies die Wahrscheinlichkeit, dass diese auf destruktive Weise ihren Ausdruck findet.» Dass die negativen Fälle eine grosse mediale Präsenz erhalten, helfe in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht, da die Leute so ein verzerrtes Bild erhielten. 

Mit dem Blick nach vorne gerichtet, wünscht sich der Luzerner, zusätzliche Trainingsslots schaffen zu können. Dies insbesondere am Wochenende, wenn die Trainingsinteressierten freie Zeit haben, doch würden sich die Trainer nicht gerade darum reissen, sich fix an den Wochenenden dafür zu verpflichten. Weitere Trainerinnen und Trainer seien immer willkommen, aktuell bildet Lukas Mürner mit Athletiktrainer Fabian Bühler hierbei ein Duo, das die meisten Aufgaben übernimmt. «Und wie jeder Verein leben auch wir von möglichst vielen und treuen Mitgliederinnen und Mitgliedern, die zu einem lebendigen Vereinsleben beitragen.» 

Hier findest du den Link zum Spendenkonto von TFZ Luzern respektive Fitness Integration Perspektive.

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