Wie ein Tagebuch von Basel aus die Welt eroberte 

Anne Frank Porträt
«Anne Frank und die Schweiz» heisst die neue Sonderausstellung im Landesmuseum. Bild: Facebook Eventkalender Schweiz

Das Tagebuch von Anne Frank kennt die ganze Welt. Dass seine Verbreitung grösstenteils in der Schweiz erfolgte, ist jedoch weniger bekannt. Die Ausstellung «Anne Frank und die Schweiz» des Landesmuseums Zürich lädt ab dem 9. Juni ein, die Geschichte von Anne und ihrem Tagebuch neu zu entdecken.

Die tragische Geschichte der Familie Frank ist in der ganzen Welt bekannt und steht als Symbol für die Millionen von Opfern des Holocausts. Während Annes Tagebuch erstmals in den Niederlanden veröffentlicht wurde, verbreitete ihr Vater, Otto Frank, das Werk grösstenteils von Basel aus.

Welchen Bezug die Familie Frank zur Schweiz hatte und wieso Annes Tagebuch heute auf der ganzen Welt gelesen wird, verrät die neue Ausstellung «Anne Frank und die Schweiz» des Landesmuseums Zürich. Die Ausstellung kann man ab Donnerstag, 9. Juni bis Sonntag, 6. November, besuchen.

Die Ausstellung wurde in Kooperation mit dem Familie Frank Zentrum im Jüdischen Museum Frankfurt und dem Anne Frank Fonds in Basel, den Annes Vater 1963 gegründet hat, organisiert. Mit Führungen für Privatpersonen und Schulklassen wird Annes Geschichte in der Ausstellung lebendig vermittelt.

Mit dem «Graphic Diary», einer Comicvariation von Annes Tagebuch, möchte die Ausstellung ihre jüngeren BesucherInnen abholen. Auf Annes Spuren können sie sich jeweils mit einem «Graphic Diary» ausgerüstet anschaulich mit dem Holocaust auseinandersetzen.

Wie das Tagebuch zu Annes Vater gelangte

Die Familie Frank lebte bereits seit 1934 im niederländischen Exil in Amsterdam. Als Annes ältere Schwester Margot 1942 die Aufforderung erhielt, sich in ein Arbeitslager in Deutschland einzuschreiben, tauchte die jüdische Familie Frank mit einigen Freunden unter. Versteckt in ihrem Hinterhaus träumte Anne Frank davon, wieder nach draussen zu gehen und Schriftstellerin zu werden. So schrieb sie nieder, was sie während den 25 Monaten im Versteck erlebt und gedacht hatte.

Als die Untergetauchten 1944 von deutschen Nationalsozialisten entdeckt und verhaftet wurden, wurde Anne mit ihrer Familie vorübergehend ins Durchgangslager Westerbork und schliesslich ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gebracht. Hier wurde Annes Familie nach dem Geschlecht getrennt und Annes Vater, der den Holocaust als einziger von der Familie überleben würde, sah seine Frau und Töchter zum letzten Mal.

Familie-Frank
Annes Vater Otto Frank (rechts) ist der Einzige der vierköpfigen Familie, der den Holocaust überlebt hat. Bild: Facebook Anne Frank House

Als die Sowjetische Armee im Januar 1945 im Konzentrationslager Auschwitz in Schlesien erreichte, wurden alle Gefangenen inklusive Otto Frank befreit. Zehn Monate nach der Deportierung kehrte er im Juni allein nach Amsterdam zurück. Kurz darauf erfuhr er, dass seine Familie die Konzentrationslager nicht überlebt hat. Angesichts dieser Nachricht übergab ihm eine Freundin der Familie Annes Tagebuch.

Dieses bestand aus einem karierten Poesiealbum, zwei schwarzen Notizheftern und über 200 losen Blättern, welche nach der gewaltsamen Räumung des Hinterhauses übriggeblieben waren. Zuerst war Otto nicht imstande, die Erinnerungen und Gedanken seiner jüngsten Tochter zu lesen, doch mit der Zeit vertiefte er sich in die Lektüre.

Vom Manuskript zum Zeitzeugnis

Einige Passagen des Tagebuchs tippte Otto ab und sendete sie an Angehörige und Freunde, die ihn dann drängten, Annes Texte zu veröffentlichen. Nach langem Überlegen entschloss sich Otto dazu, das Tagebuch mit einigen wenigen Änderungen der Öffentlichkeit preiszugeben.

«Einmal wird dieser schreckliche Krieg doch vorbeigehen, einmal werden wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein!»
(Anne Frank: Tagebuch, 11. April 1944)

Viele Verlage sagten einer Veröffentlichung ab, da sie nicht glaubten, dass das Tagebuch eines Kindes ein breites Publikum erreichen würde – doch sie irrten sich gewaltig. Nach langer Suche fand Otto einen Verlag, der einwilligte, das Tagebuch herauszugeben. So erschien es 1947, nur zwei Jahre nach Kriegsende, mit dem Titel «Het Achterhuis» («das Hinterhaus») in den Niederlanden.

Doch aufgrund der schmerzlichen Erinnerungen konnte Otto Frank nicht in Amsterdam bleiben. Er zog 1952 zu seiner Schwester nach Basel, wo er es sich zur Aufgabe machte, Annes Tagebuch und ihre Friedensbotschaft auf der ganzen Welt zu verbreiten. Seitdem wurde das Tagebuch der Anne Frank in 70 Sprachen übersetzt und ist für viele junge Menschen die erste Quelle, die sie mit den Verbrechen des Nationalsozialismus konfrontiert.