Auf welche Weise das Jahr in Jahreszeiten aufgeteilt und als Kalender festgehalten werden kann, ist weniger eindeutig, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Eine naturnahe Variante schlägt die Phänologie vor und lässt verschiedene Pflanzen mit ihrem Wachstum bestimmen, wann genau Jahreszeiten beginnen und enden.
Während der Gregorianische Kalender das Jahr in vier Jahreszeiten mit je drei Monaten unterteilt, sieht der phänologische Kalender zehn Jahreszeiten vor. Statt sich nach den Sternen zu richten und den astronomischen Frühling stets am 20. oder 21. März zu markieren, orientiert sich die phänologische Alternative an Erscheinungen in der Natur, die von jeweils mehreren Spezialisten an Pflanzen beobachtet werden.
Dabei zieht der phänologische Kalender das Austreiben, Blühen und Fruchten einiger Pflanzen, sogenannter Zeigerpflanzen, in Betracht. Auf diese Weise sollen die Jahreszeiten präziser bestimmt werden, sodass sich Landwirte an einem praktischen Jahresplan orientieren können und ein möglichst präzises Pollenbulletin für Allergikerinnen erstellt werden kann. Das Jahr beginnt mit dem Vorfrühling, der in den Erstfrühling und dann in den Vollfrühling übergeht, wenn die Pflanzenentwicklung in vollem Gange ist. Es folgt der Sommer, aufgeteilt in den Frühsommer, den Hochsommer und den Spätsommer. Auch der Herbst wird dreigeteilt in den Frühherbst, den Voll- und den Spätherbst. Bloss der Winter mit der Ruhepause, die er der Tier- und Pflanzenwelt bringt, wird nicht weiter unterteilt.
Mittels Beobachtungsstationen festgelegt
Phänologie lässt sich als die Lehre der Erscheinungen definieren und wird nicht nur von Gärtnern, sondern teilweise auch von Meteorologinnen als Hilfsmittel verwendet. Auch MeteoSchweiz, das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, legt den jährlichen Frühlingsindex anhand der phänologischen Frühlingsphasen fest und aktualisiert ihn jeweils Ende Mai.

Im Vollfrühling fliegen die ersten Maikäfer. Bild: grapix / Depositphotos
Dieser Index richtet sich nach Beobachtungen, die jeweils im vergangenen Jahr an rund 80 der insgesamt 160 Stationen des phänologischen Messnetzes, welches seit 1951 in der Schweiz besteht, erfasst wurden. Zum Beispiel kündigen die ersten Blüten des Schwarzen Holunders den Frühsommer an und wenn die Linde ihre Blütenpracht entfaltet, beginnt der Hochsommer. Auch Beobachtungen aus der Tierwelt wie die Rückkehr der ersten Schwalben aus ihren Winterquartieren oder die Sichtung der ersten frisch geschlüpften Maikäfer werden für das Festlegen der Jahreszeiten in Betracht gezogen.
Der Klimawandel schwarz auf weiss
Da diese Zeitpunkte von Land zu Land, und selbst von Region zu Region, verschieden ausfallen, variiert entsprechend auch der phänologische Kalender regional, was seinen praktischen Nutzen unterstreicht. Statt wie der Gregorianische Kalender starr die Tage zu zählen, versucht der phänologische Kalender, die Übergänge und Veränderungen der Natur möglichst genau und empirisch festzuhalten, sodass die Natur selbst den Kalender bestimmt.
Anhand dieser Beobachtungen lassen sich auch die Folgen oder Symptome des Klimawandels illustrieren, denn die Temperatur ist ein zentraler Faktor für die Entwicklung von Pflanzen. Zum Beispiel wurde festgestellt, dass der Löwenzahn, der Huflattich, die Obstbäume und das Buschwindröschen noch nie so früh wie 2024 geblüht haben. Auch hat sich die Vegetationsperiode, also der Zeitraum des allgemeinen Wachstums der Pflanzen, seit 1900 um etwa 30 Tage verlängert, was den phänologischen Winter in der Schweiz entsprechend um 30 Tage verkürzt hat.