Umstrittener Trend Steingärten – die graue Klimasünde

Umstrittener Trend Steingaerten die graue Klimasuende
Im Sommer staut sich die Hitze auf der Steinlandschaft. Bild: GaertenDesGrauens/Facebook

Immer mehr Leute legen sich einen vermeintlich pflegeleichten Steingarten an.

Doch richtet dieser mehr Schaden an, als dass er Gutes bewirken würde. Ein Stück Erde komplett mit Steinen zuzudecken, ist in einigen Gemeinden sogar gesetzlich verboten, weil es nicht nur trist aussieht, sondern auch der Umwelt schadet.

Beim Spaziergang durch die Stadt sind vermehrt Steinwiesen mit wenigen grünen Sträuchern und Bäumchen anzutreffen. Highlights dieser öden Landschaft bilden vereinzelte Skulpturen aus Metall oder ebenfalls aus Stein.

Solche Schottergärten, die eher Wüsten denn Gärten ähneln, werden beim Kauf meist als elegant und pflegeleicht gepriesen. Für viele Gartenfans ist es eine böse Überraschung, wenn sich der Steingarten als eine umweltschädliche Gefahr für die Artenvielfalt herausstellt.

Insekten und kleine Tierchen meiden die karge Steinlandschaft, denn sie finden hier weder Blüten noch Nahrung. Die Steine bieten wenig Schatten und werden von der Sonne stark aufgeheizt, was auch für Menschen lästig ist.

Schottergärten speichern nämlich tagsüber die Hitze und können im Hochsommer bis zu 70°C heiss werden. Die kahlen Gärten bieten kaum Möglichkeiten für Verdunstung und lassen besonders starke Trockenhitze entstehen. Nachts geben die Steine die Hitze wieder ab, weswegen sich die Stadt weniger gut abkühlen kann.

In Anbetracht dessen, dass die Sommer tendenziell immer trockener und heisser werden sowie aufgrund der zunehmend verdichteten Bauart könnten die Stadtbewohner gut zumindest auf die Hitzequelle der Steingärten verzichten.

Eine Steinfläche mit zwei Bäumen in einzelnen Töpfen erstreckt sich vor dem Hausblock.
Die Steingärten speichern tagsüber die Hitze und kühlen sich Nachts wieder ab. Bild: GaertenDesGrauens/Facebook

Vermeintlich pflegeleicht

Die Befürworter der grauen Gärten preisen sie vor allem für ihre Pflegeleichtigkeit, denn die Steinwiese müsse weder gemäht noch gejätet werden. Dafür soll die dünne Schicht aus Vlies oder Geotextil sorgen, welche die Erde von den Steinen trennt.

Bevor diese verlegt wird, muss jedoch die fruchtbare Humusschicht vom Boden entfernt werden. Deswegen muss sich die Erde regenerieren, wenn der Steingarten wieder abgebaut wird, und eine neue Humusschicht muss künstlich angelegt werden.

Die Kunststoffschicht verhindert das Wachstum von Gras und Unkraut, doch nicht für lange. Bereits nach ein paar Jahren kämpfen sich die Pflanzen durch den Faserstoff und sorgen für mühsame Gartenarbeit.

Überdies schützt der Kunststoff den Garten nicht vor Unkraut wie dem Löwenzahn, dessen Samen zwischen die Steine fallen und sich mit den Wurzeln durch die Vliesschicht bis zum fruchtbaren Boden kämpfen.

Mit der Zeit gelangt Erde zwischen die Steinritzen, an denen kleine Pflanzen und Gräser wachsen können. Dann greifen viele Steingartenbesitzerinnen zu Herbiziden, um das unerwünschte Grün zu bekämpfen, obwohl das bereits seit 2001 zum Schutz des Grund- und Trinkwassers gesetzlich verboten ist.

Die Herbizide prallen nämlich von den Steinen ab, werden von der Kunststoffschicht aufgefangen und mit dem nächsten Regen in den Abfluss gewaschen, ohne gross zu helfen.

Hochwasser vorprogrammiert

Für Regenwürmer bedeutet die Kunststoffschicht bei schlechtem Wetter jedoch den sicheren Tod.

So versperrt sie ihnen den Weg an die Erdoberfläche und lässt sie ertrinken. Über der Vliesschicht halten die grossen Steinflächen das Regenwasser vor dem Absickern ab, was schlechten Hochwasserschutz bedeutet.

Diese Tatsache wird künftig zu einem noch grösseren Problem, da mit dem fortschreitenden Klimawandel immer mehr Starkregen zu erwarten ist.

Zudem muss das Wasser auf die Filtrierung durch die Erdschichten verzichten und landet meist direkt in der Kanalisation, was die Abwasserfilterung unnötig belastet. Gleichzeitig bedeutet es auch weniger kostbares Grundwasser, das auf seinem Weg durch die Erdschichten Mineralien aufnimmt.

Eine bunte Alternative

Ohne die Vliesschicht lässt sich hingegen ein pflegeleichter und ökologisch sinnvoller Steingarten gestalten, der das Wasser gut in der Erde versickern lässt. Denn nicht jeder Schottergarten ist umweltschädlich.

So sind zum Beispiel Alpengärten sowie der japanische Zen-Garten, an dem sich der europäische Steingarten ein Vorbild nimmt, ökologisch sinnvoll. Ihre Kies- und Splittflächen ahmen nämlich den kargen, nährstoffarmen Lebensraum nach, auf dem Wildstauden und Pionierpflanzen wachsen.

Fachgerecht angelegt, können Steingärten und Trockenmauern wertvollen Lebensraum für bedrohte Pflanzen, Insekten und Kleintiere bieten. Mit genügend Schatten und Ritzen zwischen den Steinen finden hier Ringelnattern, Eidechsen und Wildbienen Unterschlupf.

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Kleine Tiere wie Eidechsen und Ringelnattern sind froh um etwas Schatten im Garten. Bild: angelimon/Depositphotos

Wer sich einen pflegeleichten und umweltfreundlichen Steingarten wünscht, kann sich die Installationskosten für die Vliesschicht sparen. Mit einigen Steinen und einer passenden Staudenmischung aus krautigen Pflanzen lässt sich ein farbenfroher Garten gestalten, der wenig Zeitaufwand verlangt.

Viele Stauden gehören zu den Bodendeckerpflanzen. Diese niedrigen krautigen Büsche mit kleinen bunten Blumen sind ein Paradies für Insekten und gut für Anfängergärtner geeignet. Wer sich das Unkrautjäten sparen will, kann auf Bodendecker setzen. Diese bewachsen sie den Boden so dicht, dass Unkraut kaum mehr Platz findet.

Eigentumsfreiheit vs. Klimaschutz

Die Regelung der Siedlungsräume liegt grundsätzlich in der Kompetenz der Gemeinden. Einige Gemeinden wie Steffisburg (BE) und Langendorf (SO) haben bereits ein Verbot gegen die «Steingärten (Schottergärten), die keinen ökologischen Nutzen haben», wie es nun im Baureglement heisst, ausgesprochen.

Die Gegner des Verbots appellieren an die Eigentumsfreiheit. Der Tenor ist, es sei unerhört, dass Regulierungen bezüglich der Steingärten bestehen. Tatsache ist, dass viele Gärtnerinnen dennoch auf Wunsch ihrer Kunden Schottergärten anlegen.

Eine bunte Ruderalfläche ist vor einem Familienhaus. Eine Sitzbank lädt zu einer Pause ein.
Bodendeckerpflanzen sind eine umweltfreundliche und pflegeleichte Alternative zu kahlen Steingärten. Bild: naturgarten.ev/Facebook

Die meisten Gemeinden wie beispielsweise auch Cham kennen kein explizites Verbot. In der Ennetseegemeinde wird jeder Steingarten einzeln auf seine Umweltverträglichkeit geprüft und bewilligt.

Die Zuger ALG-Kantonsrätin Stéphanie Vuichard ist Projektleiterin Naturförderung und setzt sich für Nachhaltigkeit sowie für die Erhaltung der Artenvielfalt ein. Sie hat sich in den letzten Jahren intensiv mit diesen Themen auseinandergesetzt.

Sie erklärt, dass eine Gemeinde ein Steingartenverbot einführen kann, wenn dieses genügend Unterstützung findet. «Aktuell stehen die Ortsplanungsrevisionen in den Zuger Gemeinden an. Daran kann sich die Bevölkerung beteiligen und sich zum Beispiel gegen die Steingärten aussprechen», so Vuichard.

Ein anderer Lösungsansatz bestände darin, gesetzlich zu verankern, dass für einen Steingarten zukünftig eine Baubewilligung benötigt wird. Am besten sei es jedoch, die Bevölkerung bezüglich der Schattenseiten der «Steinwüsten» zu sensibilisieren, sodass die Gartenbesitzer von sich aus ökologisch sinnvolle Flächen gestalten, so Vuichard.

Eine Eidechse guckt unter einem Blatt hervor.
Kleine Tiere wie Eidechsen und Ringelnattern freuen sich über schattige Plätzchen im Garten. Bild: angelimon/Depositphotos

Gartenberatung für ökologisch wertvolle Flächen

Eine vielversprechende, jedoch für den Kanton kostenaufwändige Alternative wäre es, kostenlose Garten-Erstberatungen für Privatpersonen und Unternehmen zu organisieren.

Wer sich einen pflegeleichten Steingarten wünscht, kann zum Beispiel eine Ruderalfläche mit Sand und kleinen Steinen gestalten, die mit einer einheimischen Ruderalflora eingesät wird, schlägt Stéphanie Vuichard vor.

Solche Flächen werden von Insekten dringend benötigt, denn dort finden sie im Winter und an heissen Tagen Unterschlupf, indem sie sich in den sandigen Boden eingraben.

Auch für den Menschen überlebensnotwendige Insekten wie die Wildbienen profitieren von Ruderalflächen, denn ein Grossteil der über 600 Wildbienenarten legen ihre Eier in den sandigen Boden.

«In den letzten 30 Jahren sind etwa 75 Prozent an Biomasse von Insekten verschwunden, da sie stetig an Lebensraum verlieren und die Qualität der noch bestehenden Flächen abnimmt», erzählt Vuichard. Deswegen sollte man ihnen möglichst viel Fläche zur Verfügung stellen, was auch in Form einer Blumenwiese sein kann.

«Natürlich ist es Geschmackssache, ob man Steingärten den Ruderalflächen und Blumenwiesen optisch bevorzugt, aber auf jeden Fall können auch insektenfördernde und ökologisch sinnvolle Flächen schön aussehen und pflegeleicht sein», meint Vuichard.

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